Wo Menschen leben, werden Handwerker gebraucht. Denn immer wieder sind Reparaturen und Verschönerungen erforderlich. Aber auch andere Dienstleistungen wie Schule und Kindergärten kommen ohne Fachkräfte nicht aus. Und Fachkräfte können nicht erst stundenlang anreisen, um ihren Job zu erledigen. Wie die Situation auf dem Markt aussieht, hat luckx – das magazin recherchiert.
Hohe Miet- und Immobilienpreise
Berufstätige sind mit der Lage auf dem Wohnungs- und Immobilienmarkt unzufrieden. Das hat unmittelbare Folgen für den Arbeitsmarkt. Wenn Berufstätige keine Unterkunft finden, so können sie auch den noch so tollen Job nicht annehmen. Das trifft insbesondere Arbeitende in Teilzeit. Wer für wenige Stunden Arbeitszeit länger mit Bus, Bahn oder Auto anreisen muss, für den ist der Job uninteressant. Was Fachkräfte noch vor wenigen Jahren inkauf nahmen, hat sich mit der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gewandelt. So sehen die Unternehmen Probleme auf sich zukommen, Fachkräfte zu finden bzw. in der Region zu halten. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Befragung unter 400 Berufstätigen zwischen 18 und 65 Jahren im Großraum Berlin im Auftrag der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC.
„Der Frust der Berufstätigen über die Lage auf dem Berliner Wohnungs- und Immobilienmarkt ist groß“, beobachtet David Rouven Möcker, Leiter des Bereichs Real Estate Consulting bei PwC. „Das ist bedauerlich, weil sich die überwältigende Mehrheit der Menschen in der Region sehr wohl fühlt – vor allem wegen hervorragender kultureller Angebote, einer guten Infrastruktur und vielfältiger Jobmöglichkeiten.“ Das belegt auch die Tatsache, dass Berlin seit 2005 kontinuierlich wächst – durch eine natürliche Bevölkerungsentwicklung, aber auch durch Zuzug aus dem Aus- und Inland. Allerdings sind 56 Prozent der Befragten mit den hohen Kosten für Wohneigentum unzufrieden, rund zwei Drittel beklagen sich über die Mietpreise (63 Prozent) und die geringe Anzahl an freien Wohnungen (65 Prozent). Der Unmut über die Wohnsituation ist demnach sehr hoch – und darüber kann auch eine leichte Verbesserung gegenüber den Befragungsergebnissen im Jahr 2020 nicht hinwegtäuschen.
Hohe Nachfrage
„Möglicherweise liegt dies daran, dass in den letzten Jahren viele Menschen aus Regionen und Städten im In- oder Ausland nach Berlin gezogen sind, in denen das Wohnen historisch schon immer teurer war. Somit wächst der Anteil an der Berliner Bevölkerung kontinuierlich, der nicht nur über ein überdurchschnittlich hohes Einkommen verfügt, sondern auch das sehr niedrige Berliner Preisniveau von vor zehn Jahren nicht mehr erlebt hat“, sagt Dr. Frederik Mielke, Leiter des Bereichs Audit Real Estate bei PwC. „Ich nehme die Situation als extrem angespannt war, da es zwischen dem Wohnungsangebot und der Nachfrage ein sehr starkes Ungleichgewicht gibt. Die Berliner Bevölkerung wächst und der Wohnungsbau hinkt schlicht hinterher.“ Erschwerend kommt dazu, dass es wegen der gestiegenen Zinsen für Baukredite und der hohen Baukosten für viele Menschen noch schwieriger wird, sich Eigentum zu leisten: „So entsteht zusätzliche Nachfrage im Mietwohnungsmarkt“, erklärt Mielke das Dilemma, „wodurch der Druck auf die Mieten wieder stärker und das Angebot noch knapper werden dürfte.“
Die angespannte Lage auf dem Wohn- und Immobilienmarkt ist nicht nur ein Ärgernis für die Bewohner, sondern auch ein ernstzunehmendes Problem für Unternehmen im Großraum Berlin. Der Grund: Die Situation verschärft den bereits bestehenden Fachkräftemangel weiter. 84 Prozent der Befragten sehen Probleme auf Unternehmen zukommen, Fachkräfte zu finden und in der Region zu halten. 2020 äußerten erst 75 Prozent diese Sorge. Vor allem die Pflege- und Gesundheitsbranche wird nach Ansicht der Befragten betroffen sein. Aber auch im Handwerk, in Schulen und Kitas oder der Gastronomie dürfte die angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt dazu beitragen, dass es noch schwieriger wird, an qualifizierte Fachkräfte zu kommen.
Abwanderung ist die Folge
Das liegt auch daran, dass besonders die junge Bevölkerung zunehmend bereit ist, den Job zu wechseln, wenn sich keine bezahlbare Wohnung finden lässt: Fast jeder fünfte Beschäftigte aus dem Großraum Berlin hat bereits einmal den Job aufgrund zu hoher Mieten an den Nagel gehängt (19 Prozent) – das sind deutlich mehr als noch 2020 (sieben Prozent). Bei den unter 50-Jährigen ist es sogar jeder Vierte. Drei von zehn Befragten haben einen Jobwechsel aus diesem Grund schon einmal in Betracht gezogen. „Dieser steile Anstieg an Kündigungen infolge zu hoher Mietpreise sollte die Arbeitgeber alarmieren“, warnt David Rouven Möcker. Denn fast zwei Drittel der Berufstätigen aus dem Großraum Berlin geben an, dass sie bei einer kräftigen Mieterhöhung zumindest über einen Arbeitsplatzwechsel nachdenken würden. Für rund 60 Prozent käme grundsätzlich ein Umzug in eine andere Stadt oder aufs Land in Betracht – bezahlbarer Wohnraum oder Eigentum vorausgesetzt. Allerdings räumen 72 Prozent der Berufstätigen ein, dass es heutzutage überall schwer ist, eine Wohnung zu finden. Im Jahr 2020 stimmten dieser Aussage nur 64 Prozent zu.
Politische Forderungen
Berlin – aber nicht nur dort – braucht also dringend zusätzlichen Wohnraum. Ein Schritt in diese Richtung ist das „Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“, das im Juni 2022 von der Berliner Landesregierung initiiert wurde. Es verfolgt das Ziel, bis 2026 100.000 neue Wohnungen in der Hauptstadt zu schaffen. „Ein schöner Plan – jetzt ist aber auch die schnelle Umsetzung gefragt“, fordert Frederik Mielke. „Denn nur durch ein zusätzliches Angebot wird der Wohnungsmarkt mittelfristig entlastet und bezahlbarer Wohnraum in der Hauptstadt geschaffen“.
Laut der PwC-Umfrage hat die Bevölkerung klare Erwartungen an die Politik: So sprechen sich 87 Prozent der Befragten dafür aus, Wohnungsbauprogramme aufzusetzen, die den Schwerpunkt auf Mietwohnungen für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen legen. 80 Prozent halten die Verdichtung, etwa durch die Umwandlung von leeren Büros in Wohnraum, für eine geeignete Maßnahme, um Fachkräfte trotz hoher Mieten in der Region zu halten.
Homeoffice
Aber auch die Unternehmen können nach Ansicht der Befragten einen Beitrag leisten, damit es sich in Berlin nicht nur gut arbeiten, sondern auch (bezahlbar) wohnen lässt – zum Beispiel durch finanzielle Unterstützung: So sprechen sich 79 Prozent dafür aus, dass Unternehmen in Regionen mit überdurchschnittlichen Mieten einen Mietzuschuss zahlen oder die Fahrtkosten zwischen Wohn- und Arbeitsort übernehmen und für 77 Prozent der Befragten ist die Finanzierung der Homeoffice-Ausstattung ein geeignetes Mittel. „In Sachen Homeoffice können Arbeitgeber mehr tun, um qualifizierte Fachkräfte zu finden und bei der Stange zu halten. Denn die Zukunft der Büroarbeit wird hybrid sein, die Arbeitnehmer wünschen sich einen möglichst flexiblen Mix aus Arbeiten im Büro und zuhause“, ist sich David Rouven Möcker sicher. „Das werden Arbeitgeber in ihren Konzepten berücksichtigen müssen.“ Allerdings klafft mit den aktuellen Regelungen für flexibles Arbeiten eine große Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Zwei Drittel der Beschäftigten, deren Arbeit grundsätzlich von zu Hause möglich wäre, wünschen sich eine freie Homeoffice-Einteilung ohne Abstimmung und Anwesenheitspflicht. Aber nur knapp jede zweite Firma bietet ihnen diese Möglichkeit.