Psychische Belastungen

Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn Menschen über psychische Belastungen klagen. Denn immer mehr müssen wir uns mit allen möglichen Informationen auseinandersetzen. Wie damit umgegangen werden kann, hat luckx – das magazin recherchiert.

Kein Ersatz für Medikamente

Das Sporttreiben als Tätigkeit bietet dringend nötige Ablenkung von Symptomen und selbstzerstörerischen Denkmustern. Wird Depressiven bei jedem Pillenschlucken ihre Krankheit noch einmal schmerzlich vor Augen geführt, kann Sport Therapie und Erfüllung zugleich sein. Sollte es also zukünftig besser ein Rezept für Laufschuhe statt Medikamente geben? Ganz so einfach ist es nicht. „Es ist gefährlich zu denken, Sport könne eine medikamentöse Behandlung oder Therapie ersetzen“, warnt Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Vielmehr müsse Bewegung ergänzend zu einer Behandlung stattfinden. Denn nicht bei jedem wirkt Sport als Therapie gleich gut. Und: Je nach körperlicher Verfassung ist auch Sporttherapie nicht frei von Nebenwirkungen. „Wenn ich einen schweren Bluthochdruck oder eine Essstörung habe – kann Sport auch negative Folgen haben“, sagt etwa Professor Andreas Ströhle, Leiter der Psychiatrie an der Berliner Charité.

Umso wichtiger ist es, dass Erkrankte nicht eigenmächtig Medikamente absetzen und ihr Heil allein im Waldlauf suchen. Stattdessen gilt es, Möglichkeiten der Sporttherapie mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin oder Therapeuten gemeinsam zu besprechen und so ein ärztlich überwachtes Sportprogramm zu erstellen. Was für Erkrankte eine Chance ist, ist für das medizinische Fachpersonal eine neue Herausforderung. „Es reicht nicht, den Patienten einfach nur zu sagen: ‚Sie sollten zur Behandlung Ihrer Krankheit Sport treiben‘“, erklärt die US-Sportmedizinerin Anne K. Swisher von der West Virginia University: „Das wäre, als würde man einem Patienten an die Hand geben, „einfach ein paar Pillen zu schlucken“ – kein ernsthafter Arzt würde das machen.“

In der Praxis bedeutet das einen schwierigen Spagat für Ärzte und Therapeuten, die plötzlich auch bei der Erstellung von Übungen und Trainingseinheiten oder Trainingssteuerung gefragt sind. Und das trotz des ohnehin schon fatalen Engpasses bei der Versorgung psychischer Erkrankungen.

Mit Depressionen künftig zum Physiotherapeuten?

In Bayern haben laufinteressierte Ärztinnen und Ärzte die Sache in die eigenen Hände genommen und lokale Laufinitiativen für Erkrankte ins Leben gerufen. Deutschlandweit untersucht ein Konsortium aus Krankenkassen und Forschungseinrichtungen Möglichkeiten, um die psychologische Versorgungslücke in Deutschland durch Sporttherapeuten zu schließen. In Schulungen werden Sportwissenschaftleren und Physiotherapeuten fit gemacht, um für Depressionspatienten mehr als nur Fitnesstrainer zu sein. „Das bereitet die Therapeuten optimal auf die Betreuung der Patienten vor. Zum Beispiel mit ihnen darüber zu sprechen, was sie sich von der Therapie versprechen – und wie sie dieses Ziel erreichen“, erklärt Dr. Andreas Heißel von der Uni Potsdam, der die Schulung mitentwickelt hat. Von der Sensibilisierung würde auch das Therapie-Personal profitieren: „Es ist wichtig, dass sie ihre eigenen Umgangsmuster erkennen und reflektieren. Das macht sie nicht nur besser, sondern auch zufriedener. Wir sind überrascht, wie sehr die Therapeuten das Angebot annehmen, sich öffnen und einbringen.“

Für psychisch Erkrankte sind Initiativen wie diese vor allem eines: gute Nachrichten! Wer an leichter oder mittelgradigen Depression leidet, hat in den Sporttherapie-Angeboten eine weitere Perspektive auf Genesung. Laufen allein ist kein Allheilmittel, aber es kann sowohl in der Vorbeugung als auch in der Therapie wertvolle Dienste leisten. Schwerdepressive sind zwar weiterhin auf konventionelle Behandlung angewiesen, profitieren dort allerdings von den durch den Sport freigeräumten Kapazitäten.

Fest steht: Ob Sporttherapie, medikamentöse Behandlung, Psychotherapie oder eine Kombination aus alldem – wer sich für eine Behandlung entschieden hat, hat den wichtigsten Schritt bereits getan.