Wer kennt das nicht: da trifft die Rechnung vom Lieferanten ein und bleibt erst einmal liegen. Wird vergessen und irgendwann flattert eine Mahnung ins Haus. Doch dem geht es genauso wie allen anderen: wenn kein Geld auf dem Konto ist, können die Löhne nicht bezahlt werden. Wie sich die Zahlungsmoral im letzten Jahr entwickelte, hat luckx – das magazin recherchiert.
Zahlungsverhalten
Während der Pandemie haben viele Auskunfteien mit steigenden Insolvenzzahlen gerechnet. Doch die Bundesregierung hat durch Zuschüsse allen Unternehmen helfen können. Sicherlich sind einige trotzdem hart getroffen worden. Andere wiederum haben kräftig abgesahnt. Da wurde für Mitarbeiter Kurzarbeit angemeldet, obwohl diese weiterhin voll beschäftigt wurden. Na ja, immer wenn der Staat die Geldbörse öffnet, greifen viele einfach zu. Doch nun hat sich die Situation geändert. Die deutsche Wirtschaft hat sich nach der Pandemie viel schneller erholt als vermutet – dank staatlicher Hilfe. Doch die Hilfe gibt es jetzt nicht mehr. Jetzt müssen alle wieder ran. Das Ende vom Lied ist nun, dass Unternehmen mit den ganzen Widrigkeiten selbst zurechtkommen müssen. Das fällt vielen schwer.
Doch anscheinend ist dies kein reines deutsches Phänomen. Denn die weltweite Zahlungsmoral hat sich im vergangenen Jahr so stark verschlechtert wie seit 2008 nicht mehr: Die globalen „Days Sales Outstanding“ (DSO) – also der Zeitraum zwischen Rechnungslegung und deren Bezahlung – sind um 3 Tage angestiegen auf nunmehr 59 Tage. Der Anstieg ist damit fast doppelt so hoch wie 2022. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie. Deutsche Unternehmen bleiben jedoch weiterhin zuverlässige „Schnellzahler“ und begleichen Rechnungen im Schnitt nach 54 Tagen (+0,8 Tage). Auch Firmen in den Niederlanden oder Skandinavien zahlen schneller als der weltweite Schnitt. In Frankreich, Italien und Spanien sowie im asiatischen Raum werden die Rechnungen im Durchschnitt deutlich später bezahlt.
Längere Zahlungsfrist bedeutet sinkende Rentabilität
Die Rentabilität ist dabei der wichtigste Einflussfaktor auf das Zahlungsverhalten in Europa. Sie wirkt sich stärker aus als die Finanzierung oder der Konjunkturzyklus. In diesem Zusammenhang könnte eine Verlangsamung der globalen Nachfrage im Jahr 2024 in Verbindung mit weiterhin hohen Betriebskosten die Voraussetzungen für eine weitere Verschlechterung der Zahlungsbedingungen schaffen, insbesondere in Europa. So ist der Umgang mit dem Zahlungsverzug der Schlüssel zum Aufbau von Widerstandsfähigkeit für europäische Unternehmen. Der Vorschlag der Europäischen Kommission über eine EU-Verordnung zum Zahlungsverzug deuten darauf hin, dass die Zahlungsfristen von den derzeit empfohlenen 60 Tagen auf 30 verbindliche Tage verkürzt werden könnten. Das Europaparlament hat zwar eine Verlängerung auf 60 Tage ergänzt, wenn dies vertraglich vereinbart wurde, oder auf 120 Tage für bestimmte Waren. Trotzdem bedeutet dies deutlich weniger Flexibilität für die Unternehmen im Vergleich zu den aktuellen Bedingungen. So warteten aktuell 41 % der europäischen Unternehmen 2023 über 60 Tage auf ihr Geld (weltweiter Durchschnitt 42 %). Für diese Unternehmen dürfte die geplante Verordnung erhebliche wirtschaftliche Folgen haben – und bringt vor allem einen erheblichen zusätzlichen Kapitalbedarf mit. „Die europäischen Unternehmen bräuchten 2 Billionen EUR an zusätzlichen Finanzmitteln, um die Zahlungsfristen auf 30 Tage zu verkürzen“, sagt Ana Boata, Head of Macroeconomic Research bei Allianz Trade. „Bei den derzeitigen Zinssätzen würde dies jedoch die Zinslast der Unternehmen um 100 Mrd. EUR erhöhen, was einem Margenverlust von 2 Prozentpunkten entspricht. Darüber hinaus könnten zu starre Zahlungsbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Europa gefährden, weil Unternehmen zu Lieferanten außerhalb der EU zu wechseln. In diesem Zusammenhang sollten die politischen Entscheidungsträger die möglichen negativen Auswirkungen berücksichtigen.“