Wie Columbus?

Columbus wollte einen neuen Seeweg nach Indien finden und fand Amerika. In Mali wurde nach Wasser gebohrt und auf Wasserstoff getroffen. Wie beides zusammen hängt, hat luckx – das magazin recherchiert.

Entdeckungsgeschichten

Vor über 500 Jahren suchte Christoph Columbus auf seinen Entdeckungsreisen einen neien Weg nach Indien. Das er dabei Amerika entdeckte, erkannte er nicht. Erst Amerigo Vespucci erkannte, dass Columbus einen neuen Kontinent entdeckte. Diese „neue Welt“ wurde schließlich nach ihm Amerika genannt. In Mali suchten 1987 Brunnenbauer nach Wasser und brachten in dem Dorf Bourakébougou eine 108 Metern tiefe Bohrung nieder. Doch Wasser gab es nicht. So gaben sie auf. Es kam aber ein Wind auf dem Bohrloch heraus. Sie konnten nicht erkennen, um was für einen „Wind“ es sich handeln würde. Doch als einer der Bohrarbeiter mit einer Zigarette im Mund in das Loch schaute, explodierte ihm der Wind ins Gesicht. Ein Dorfbewohner berichtete dann von einem riesigen Feuer, dessen Flamme blau brannte. Eine Rauchverschmutzung gab es nicht. Zum Glück konnte das Feuer gelöscht werden und das Bohrloch wurde verschlossen.

20 Jahre wurde der Ort gemieden. 2007 erwarb Aliou Diallo, ein reicher malischer Geschäftsmann, Politiker und Vorsitzender des Öl- und Gasunternehmens Petroma, die Schürfrechte in der Region um Bourakébougou. Er beauftragte Chapman Petroleum 2012 damit, herauszufinden, was aus dem Bohrloch kam. Die fanden heraus, dass das Gas zu 98 % aus Wasserstoff bestand. Das war außergewöhnlich: Wasserstoff taucht bei Ölbohrungen so gut wie nie auf, und man glaubte überdies, dass er in der Erde gar nicht vorkommt.

Wasserstoffnutzung

Das Team installierte ein Wasserstoff angetriebenes Aggregat. Aus seinem Auspuff kam Wasser. Der Motor wurde an einen 30-Kilowatt-Generator angeschlossen, der das Dorf Bourakébougou mit Elektrizität versorgte: Gefriertruhen zur Eisherstellung, Licht für die Abendgebete in der Moschee und einen Flachbildfernseher, mit dem der Dorfchef Fußballspiele verfolgen konnte. Auch die Testergebnisse der Kinder verbesserten sich. Sie konnten sich jetzt besser auf den Unterricht vorbereiten. Diallo gab bald das Ölgeschäft auf, änderte den Namen seines Unternehmens in Hydroma und begann, neue Bohrungen vorzunehmen.

Die Entdeckung in Mali war ein anschaulicher Beweis für das, was eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern schon lange behauptet hatte: Entgegen der landläufigen Meinung gibt es möglicherweise überall auf der Welt große Vorräte an natürlichem Wasserstoff, ähnlich wie Öl und Gas – allerdings nicht an denselben Orten. Diese Forscher sagen, dass durch Reaktionen zwischen Wasser und Gestein tief in der Erde kontinuierlich Wasserstoff erzeugt wird, der durch die Kruste nach oben sickert und sich manchmal in unterirdischen Cavernen ansammelt. Laut einem Modell der U.S. Geological Survey (USGS) könnten die bisherigen Erkenntnisse eine mittlere Wasserstoffmenge voraussagen, die den prognostizierten globalen Wasserstoffbedarf für Tausende von Jahren decken könnte. Aber, so warnten die Wissenschaftler, müsse man „bei der Interpretation dieser Zahl sehr vorsichtig sein. Nach dem, was wir über die Verteilung von Erdöl und anderen Gasen im Untergrund wissen, ist der größte Teil dieses Wasserstoffs wahrscheinlich unzugänglich. Die Wasserstoffvorräte könnten zu tief vergraben, zu weit vor der Küste oder in zu kleinen Ansammlungen, als dass sie jemals wirtschaftlich gewonnen werden könnten.

Wissenschaftliche Forschung

Seit Diallo und seine Kollegen 2019 das malische Feld im International Journal of Hydrogen Energy beschrieben haben, explodierte die Zahl der Veröffentlichungen über natürlichen Wasserstoff. „Es ist absolut unglaublich und wirklich exponentiell“, sagt der Geologe Alain Prinzhofer, Hauptautor des Mali-Artikels und wissenschaftlicher Leiter von GEO4U, einem in Rio de Janeiro ansässigen Öl- und Gasdienstleistungsunternehmen, das sich zunehmend mit Wasserstoff beschäftigt. Der Enthusiasmus für natürlichen Wasserstoff kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das Interesse an sauberem, kohlenstofffreiem Kraftstoff stark zunimmt. Diese Bemühungen wurden durch den Einmarsch Russlands in die Ukraine im vergangenen Jahr noch verstärkt und lösten insbesondere in Europa eine überstürzte Suche nach Alternativen zum russischen Erdgas aus.

Derzeit muss jeder kommerzielle Wasserstoff entweder auf umweltschädliche Weise mit fossilen Brennstoffen oder auf teure Weise mit erneuerbarer Elektrizität hergestellt werden. Natürlicher Wasserstoff könnte, wenn er in größeren Mengen vorkommt, eine neue, umweltfreundliche Aufgabe für die erfahrenen Bohrer in der Öl- und Gasindustrie darstellen. Entscheidend ist, dass natürlicher Wasserstoff nicht nur sauber, sondern auch erneuerbar sein könnte. Es dauert Millionen von Jahren, bis aus vergrabenen und komprimierten organischen Ablagerungen Öl und Gas werden. Im Gegensatz dazu entsteht natürlicher Wasserstoff immer wieder aufs Neue, wenn unterirdisches Wasser mit Eisenmineralien bei hohen Temperaturen und hohem Druck reagiert. In den zehn Jahren, in denen in Mali mit der Erschließung von Wasserstoffbohrungen begonnen wurde, haben sich die Ströme nicht verringert, sagt Prinzhofer, der das Projekt beratend begleitet hat. „Wasserstoff scheint fast überall eine erneuerbare Energiequelle zu sein, keine fossile“, sagt er.

Wasserstoffvorkommen in Europa

Im September 2023 stießen Forschende in Lothringen auf ein unterirdisches Wasserstoffvorkommen, Berechnungen zufolge das größte Vorkommen der Welt: Geschätzte 46 Millionen Tonnen weißer Wasserstoff sollen bis 3.000 Meter Tiefe lagern. Zum Vergleich: Weltweit werden derzeit ungefähr 90 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr produziert. Eigentlich wollten die Forscherinnen und Forscher nur bestimmen, wie hoch der Methangehalt im Lothringer Boden ist. Je tiefer die Forschenden jedoch bohrten, desto mehr Wasserstoff war mit dem Methan vermischt. In 3.000 Meter Tiefe könnte die Wasserstoffkonzentration bereits bei 90 Prozent liegen. Um dem genauer auf den Grund zu gehen, müssten jedoch weitere Bohrungen durchgeführt werden.

Die Entdeckung eines riesigen Wasserstoff-Reservoirs in Albanien könnte einen Wendepunkt bringen: Ein Forschungsteam um Laurent Truche von der Universität Grenoble entdeckte eine mutmaßlich riesige Wasserstoffgasquelle im Inneren einer Chromit-Mine im albanischen Bulqiza, etwa 50 Kilometer von Tirana entfernt. „Jährlich werden mindestens 200 Tonnen H2 aus den Stollen der Mine ausgestoßen, was eine der größten bisher aufgezeichneten H2-Flussraten darstellt“, meldeten die Forscher laut der im Februar 2024 veröffentlichten Untersuchung „A deep reservoir for hydrogen drives intense degassing in the Bulqizë ophiolite“ in Science. Auch die Qualität der entdeckten Quelle sei bahnbrechend: Man habe eine erhöhte Ausgasungsrate von Wasserstoff in Höhe von 84 Prozent festgestellt. Die Ausgasung bestehe aus fast reinem Wasserstoff. Etwa sechs Jahre lang zeichnete das Forscherteam die Wasserstoff-Austritte an der Mine auf. Ein Erfolg war nicht nur die Entdeckung des konkreten Vorkommens, sondern auch die Aussicht auf die Erschließung weiterer Quellen in der Zukunft. Der große Wasserstofffluss sei wahrscheinlich auf eine langfristige Akkumulation in dem Reservoir zurückzuführen, so das Forschungsteam. „Orte mit ähnlicher Geologie sollten gute Ziele für die Suche nach anderen natürlichen Wasserstoffquellen sein.“