Auf der vergangenen Solar-Messe war es ein wichtiges Thema: Bidirektionales Laden. Viele Automobilhersteller haben wohl aus unternehmenspolitischen Gründen diese Möglichkeiten der Energie- und Mobilitätswende noch nicht erschlossen, wie luckx – das magazin recherchierte.
Energiewende
Immer noch ist es ein Glaubenssatz, dass die E-Mobilität in den kommenden Jahren einen immer größeren Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten soll. Doch Zweifel sind begründet. Dabei geht es um weit mehr als das Fahren mit klimaneutral erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien. Die Akkus der Elektrofahrzeuge können auch als Zwischenspeicher genutzt werden. Davon können nicht nur die Besitzer dieser Fahrzeuge profitieren: Mittelfristig kann das bidirektionale Laden wirksam zur Flexibilisierung und Entlastung der Verteilnetze beitragen. Die Power2Drive Europe, die internationale Fachmesse für Ladeinfrastruktur und Elektromobilität, eröffnet einen Blick auf den derzeitigen Stand der Technik.
Grundsätzlich muss beim bidirektionalen Laden von E-Auto-Traktionsbatterien zwischen drei Gruppen von Anwendungsfällen unterschieden werden: Bei Vehicle-to-Home (V2H) und Vehicle-to-Building (V2B)-Lösungen finden Speicherung und Verbrauch des Stromes vollständig in der Anlage des Nutzers, also des Privathaushaltes oder Unternehmens Behind-the-meter, also hinter dem Stromzähler, statt. Bei Vehicle-to-Grid (V2G) wird das E-Auto zum Bestandteil des Stromsystems und kann durch Entnahme und Einspeisung Flexibilisierungsdienstleistungen für das Verteilnetz erbringen.
Vorteile nutzen
Schon in sehr naher Zukunft werden zahlreiche Endverbraucher, privat oder gewerblich, von Lösungen „Behind-the-meter“ profitieren können. Wie in einem stationären Speicher kann durch die Zwischenspeicherung von selbst erzeugten Strom, etwa aus der eigenen Photovoltaik (PV)-Anlage, der Eigenverbrauch erhöht werden. Wenn zeit- oder lastabhängige flexible Tarife nach Paragraf 41a des Energiewirtschaftsgesetzes angeboten und genutzt werden, bieten sich zusätzlich zum Teil erhebliche Einsparmöglichkeiten beim Bezug von Strom aus dem Netz. Zwar wird von Fahrzeughersteller an der Entwicklung von geeigneten Fahrzeugen für das bidirektionale Laden gearbeitet, doch die Umsetzung wird wohl erst in den kommenenden Jahren möglich sein, wenn dann wieder neue Geschäftsmodelle – meist zu Lasten der Autofahrer – angeboten werden.
Regulatorik
Für die unmittelbar netzwirksamen V2G-Lösungen fehlt noch der grundlegende regulatorische Rechtsrahmen. Markus Elsässer erklärt in diesem Zusammenhang: „Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung ausdrücklich zum bidirektionalen Laden bekannt. Jetzt gilt es, dieses Bekenntnis mit Leben zu füllen.“ Dazu führt der Gründer und Geschäftsführer der Solar Promotion GmbH, weiter aus: „Insbesondere muss die Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom mit Netzentgelten, Abgaben und Umlagen beendet werden. Außerdem ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, dass‚‘grüner‘ Strom seine Eigenschaft und die damit verbundene Förderung nach dem EEG auch bei einer Zwischenspeicherung in einem E-Auto-Akku behält.“ Durch bidirektionales Laden V2G ergäben sich weitere Vorteile für die Betreiber von E-Autos, da diese dann als Teil des Stromsystems auch in die Strommärkte eingebunden wären. Doch Markus Fendt, Managing Director von The Mobility House und einer der führenden Köpfe der Mobilitätswende in Deutschland, betont die gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung dieses Bereiches: „Bidirektionales Laden V2G ist aus einer Vielzahl von Gründen extrem sinnvoll und wichtig: Zum einen verringern wir den Redispatch deutlich, müssen also weniger Anlagen für erneuerbare Energien abschalten. Auf das Jahr 2022 berechnet hätte jedes Elektroauto, betrachtet man den reinen Strompreis, rund 40.000 Kilometer umsonst fahren können. Somit kann das bidirektionale Laden V2G die Verkehrswende ohne Fördergelder verbilligen und beschleunigen. Zum anderen reduzieren wir den Netzausbaubedarf. Außerdem würde sich durch V2G-Lösungen private Photovoltaik-Anlagen noch schneller amortisieren. Und schließlich realisieren wir in Deutschland Innovation in unserer Leitindustrie, der Automobilindustrie.“