Auftrag nicht erfüllt

Der Fußball macht es vor, wie es funktioniert: Wenn die Mannschaft schlecht spielt, wird der Trainer geschasst. Was passiert in unseren Schulen? Wenn die Ergebnisse der PISA-Studie schlecht ausfallen, haben die „dummen“ Schüler Schuld. Wie kann das sein, fragt luckx – das magazin.

Lehrerschelte?

Es ist natürlich immer sehr einfach, auf die Lehrer einzuhauen. Das gilt auch für die Trainer von Fußball-Teams. Das ist beliebt. Beide werden dafür bezahlt, dass ihre Teams – sprich Schüler und Fußballer – die bestmöglichen Ergebnisse liefern. Wenn das nicht klappt, muss der Trainer gehen. Und was passiert mit den Lehrern? Sie erbringen weiterhin schlechte, inakzeptable Leistungen und werden im Vergleich zu ihren Kollegen in Europa fürstlich entlohnt. Konsequenzen? Keine! Doch an den Ergebnissen der PISA-Studie aus 2023 ändert sich nichts. Der akute Handlungsbedarf bleibt. Der Verband der Bildungsanbieter, Didacta Verband, fordert zum Handeln auf. Zur Erinnerung: PISA ist die weltweit größte Schulleistungsstudie und untersucht die Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen. Die aktuellen Ergebnisse sind die niedrigsten Werte, die jemals im Rahmen von PISA in Deutschland gemessen wurden. Die Anteile der besonders leistungsschwachen Jugendlichen sind besonders hoch: In Mathematik sind es rund 30 Prozent, im Lesen rund 26 Prozent und in den Naturwissenschaften rund 23 Prozent. „Die Schule als zentraler Ort für Bildungsprozesse benötigt tiefgreifende Reformprozesse. Kinder und Jugendliche erwerben und benötigen heute andere Kompetenzen als noch vor einigen Jahren. Es kommt heute nicht mehr primär darauf an, Wissen zu transferieren, sondern darum, Wissen zu vernetzen und richtig zu nutzen. Schule muss hierauf vorbereiten“, so Dr. Theodor Niehaus, ehemaliger Präsident des Didacta Verbands. Der Verband führt Punkte auf, die unerlässlich sind, um Schülerinnen und Schülern eine zeitgemäße Bildung zu ermöglichen und Deutschland damit wettbewerbs- und zukunftsfähig zu halten.

Digitalisierung

Die Gestaltung von neuen Bildungsprozessen, abseits vom Frontalunterricht, benötigt Zeit. Ebenso die direkte Interaktion mit den Kindern und Jugendlichen, die erfolgreiches Lernen erst ermöglicht. Der Lehrkräftemangel verstärkt den Druck auf Lehrerinnen und Lehrer. Einerseits wird daher mehr lehrstützendes Personal wie Schulpsychologinnen und -psychologen oder Verwaltungskräfte benötigt. Andererseits bietet die Digitalisierung Erleichterung im Lehralltag: Sie erlaubt es Lehrkräften, Zeit einzusparen und flexibler zu arbeiten, denn Routinearbeiten können oft durch digitale Tools vereinfacht werden. Gestaltung und Dokumentation von Bildungsprozessen lassen sich digital vorbereiten und durchführen. Digitale Qualifizierungsangebote für Lehrkräfte vereinfachen Fortbildungen. Indem man die Belastung durch Routinearbeit verringert, werden größere Freiräume für das Lernen geschaffen. Insofern ist es von entscheidender Bedeutung, den DigitalPakt Schule fortzuführen bzw. für eine Verstetigung der Finanzierung zu sorgen. Didaktische Konzepte sollten die Grundlage der Nutzung digitaler Lösungen sein. So werden die Voraussetzungen für Lehrkräfte geschaffen, flexibler zu handeln und gezielter auf die Schülerinnen und Schüler einzugehen.

Ausbildung verbessern

Die finanzielle und materielle Ausstattung der Universitäten, war für das Lehramt lange Zeit mangelhaft. Es müssen mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, um eine zeitgemäße Ausbildung zu sichern. Die Inhalte in der Lehrkräfteausbildung müssen sich stärker an den Realitäten der modernen Welt orientieren und neben neuen Lehrmethoden auch Themen wie beispielsweise Digitalisierung, ökonomische Bildung und nachhaltige Entwicklung beinhalten. Mehr Praxisbezug schon zu Beginn des Studiums ist ebenso bedeutsam. Quer- und Seiteneinsteigern kann durch Zusatzqualifikationen und umfassende didaktische Erfahrungsmöglichkeiten der Zugang zum Lehrberuf ermöglicht werden. Darüber hinaus sollte die Ausbildung zur Lehrkraft in ein Fort- und Weiterbildungsprogramm integriert sein, das mit einer regelmäßigen Evaluation verbunden ist. So kann die gleichbleibend hohe Qualität der Fachkräfte gesichert werden. Mehr Flexibilität im Beruf – bspw. weiterhin Teilzeit zu ermöglichen -, mehr Entscheidungsfreiheit und die Entlastung von Organisations- und Verwaltungsaufgaben sind weitere Punkte, die den Lehrerberuf wieder attraktiver machen können.

Bildung von Anfang an

Die Bildungsforschung zeigt: Schon in den ersten Lebensjahren werden bei Kindern die Grundlagen für späteres erfolgreiches Lernen und damit für gute Entwicklungs-, Teilhabe- und Aufstiegschancen gelegt. Da die frühkindliche Bildung die Basis für viele Unterrichtsinhalte der Grundschule bildet, muss sie als erste Station im Bildungssystem gestärkt werden. Investition in die Einrichtung, Personal und Ausstattung der frühen Bildung ist eine nachhaltige Investition in unsere Zukunft, denn die Gesellschaft als Ganzes profitiert von guten Bildungsorten.

Planung

Für die langfristige Planung und Umsetzung der Maßnahmen werden die entsprechenden Ressourcen benötigt. Ein sicheres Bildungsbudget ermöglicht Flexibilität in der Planung, um auf die ständig wechselnden Anforderungen angemessen reagieren zu können. Laut aktuellem OECD-Bildungsbericht investiert Deutschland im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt weniger in Bildung als der OECD-Durchschnitt. Mit einer Erhöhung des Budgets können wir den aktuellen Herausforderungen besser gegenübertreten.

Wenig Verständnis

Einen ganz anderen Tenor schlägt Andreas Schleicher, der OECD-Bildungsdirektor und damit Pisa-Chef, an und rechnet mit deutschen Lehrern ab. Das schlechte Abschneiden der deutschen Schüler überrascht ihn nicht, er sieht einen „Trend, der sich seit Jahrzehnten abzeichnet.“ Für ihn liegt das auch an den Lehrern. „Deutschland ist beim Lehrerberuf noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen. Zu viele Lehrer sehen sich in erster Linie als Befehlsempfänger, die im Klassenzimmer statisch einen Lehrplan abarbeiten müssen.“ Weiter führt er aus: „Ich habe, ganz ehrlich, wenig Verständnis für Lehrer, die nur darauf pochen, dass sie überlastet seien.“ Die Verteidigung der Lehrer, man habe zu wenig Zeit und zu große Klassen, um den hohen Anforderungen an den Beruf zu entsprechen, lässt er nicht gelten. Er betont: „Die deutschen Lehrer sind im internationalen Vergleich sehr gut bezahlt. Lehrkräfte können sich nicht einfach darauf zurückziehen, dass sie viel zu tun haben – und dass sie sich deshalb nicht gemeinsam mit Kollegen treffen könnten, um bessere Unterrichtskonzepte zu entwickeln.“ Sein knallhartes Fazit: „Eine solche Haltung würde in keinem anderen Job akzeptiert werden.“ Verbesserungsbedarf für den Alltag der Lehrer sieht Schleicher ebenfalls reichlich. Er ist der Ansicht, die Arbeitszeit von Lehrkräften müsse anders organisiert werden. Insbesondere sind sie von Verwaltungsaufgaben zu entlasten.

Fazit

Solche Leitungs- und Verwaltungsaufgaben können von Betriebswirten viel besser erledigt werden, weil Lehrer dafür nicht qualifiziert sind. Sie übernehmen die Aufgaben der bisherigen Schulleitungen und tragen Ergebnisverantwortung. Daraus folgt dann auch, dass die geleistete Arbeit der Lehrer – ihrer Mitarbeiter – von dieser neuen Schulleitung bewertet wird. Das Leistungskriterium ist dann klar formuliert: Lehrer müssen sich viel mehr um ihre Schüler kümmern, dass sie das Klassenziel erreichen. Sie tragen Bildungsverantwortung in einem für sie ganz neuen Sinne. Alle Schüler müssen von ihnen gezielt gefördert werden. Wenn Schüler nicht das Klassenziel erreichen, müssen sie mit den Schülern gemeinsam nach neuen Ausbildungsmöglichkeiten suchen. Leistungskriterien müssen nicht neu gesetzt werden, weil diese schon bundeseinheitlich feststehen. Und solche Mitteilungen an Eltern: Ihr Kind ist Versetzung gefährdet, gibt es dann nicht mehr. Es ist die Aufgabe von Lehrern, die Schüler in das nächste Ausbildungsziel zu führen. Wir können es uns nicht erlauben, Bildungsausgaben zu verschwenden. Wir brauchen – nicht nur wirtschaftlich gesehen – jeden Schüler. Als Handwerker, als Angestellter, als Führungskraft, als Wissenschaftler, als Künstler. Und noch etwas viel bedeutenderes: Als wichtigen Teil unserer Gesellschaft.