Medaillenspiegel

Die letzten Olympischen Spiele in Paris 2024 haben gezeigt: Der Medaillenspiegel ist ein wichtiges Indiz für den deutschen Leistungssport. Doch der Medaillensegen hat deutlich abgenommen und in der Landeswertung wurde Deutschland nach hinten gereicht. Was ist zu tun? Luckx – das magazin hat recherchiert.

Erwartungshaltung

Ob Landes-, Europa- und Weltmeisterschaften als auch die Olympischen Spiele: Immer wieder wird als Qualitätsmaßstab der Medaillenspiegel eingeblendet. Darauf sind wir alle fixiert und erwarten einen der vorderen Plätze. Doch leider rutscht Deutschland immer weiter nach hinten. Das stellt den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) vor einen immer höheren Erwartungsdruck. Setzt er die Sportmittel zielgerichtet ein oder wird an der Qualität vorbei gefördert? Nun ist der Sportverband nach vorn geprescht und hat eine eigene Erwartungsstudie der deutschen Bevölkerungen gegenüber dem Leistungssport vorgestellt. Demnach bewerten die Menschen in Deutschland den Leistungssport positiv und halten seine staatliche Förderung grundsätzlich für wichtig. Prestigeträchtige Ziele wie internationale Medaillenerfolge oder ein besseres Ansehen Deutschlands in der Welt gelten vielen dabei zwar als relevant, sind ihnen aber weniger wichtig als die Förderung von Effekten, die in die Gesellschaft hineinwirken.

DOSB Studie zum Leistungssport

Befragt nach den Zielen staatlicher Leistungssportförderung, halten 94 % die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit in Vereinen für ‚sehr wichtig‘ oder ‚eher wichtig‘, ebenso viele die Sicherstellung ethischen Verhaltens im Sport. Auch die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts (91 %), die Stärkung leicht zugänglicher und günstiger Sportangebote (90 %), die Einbindung benachteiligter Gruppen (89 %) und die Vorbildwirkung von Athlet*innen (88 %) spielen hier für sehr viele Menschen eine wichtige Rolle. Zu diesen und weiteren Ergebnissen kommt die Studie des SINUS-Instituts. Nach Ansicht des DOSB zeigt sie erstmals umfassend und differenziert, wie die deutsche Bevölkerung über Leistungssport und dessen staatliche Förderung denkt. Die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und Athleten Deutschland im Frühsommer 2024 gemeinsam beauftragte Studie basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung von mehr als 1.500 Menschen.

Vielschichtige Erwartungen an gesellschaftliche Mehrwerte

Eine breite Mehrheit schreibt dem Leistungssport laut Studie positive gesellschaftliche Effekte zu: Er stärke den sozialen Zusammenhalt, schaffe Gemeinschaftserlebnisse, fördere die Völkerverständigung und vermittele Werte wie Teamgeist und Fairplay. Viele sehen in Athleten zudem geeignete Vorbilder für die Gesellschaft. Die Befragten sind zu großen Teilen der Meinung, dass der Leistungssport wichtige Impulse für den Breitensport setzt. Als internationaler Imageträger Deutschlands spielt er hingegen nur eine untergeordnete Rolle – wichtiger als der Leistungssport sind für die Bevölkerung hier etwa die Bereiche Wirtschaft, Technologie und Wissenschaft. Erfolg im Leistungssport wird vor allem mit persönlichen Bestleistungen und Wettkampferfolgen verbunden (je 92 % ‚trifft voll und ganz zu‘ und ‚trifft eher zu‘). Aber auch herausragende Leistungen ohne Medaillen finden breite Anerkennung. Viele werten es zudem als Erfolg, wenn Athleten ihre Sportarten bekannter machen (81 %) oder ihnen nach einer Verletzung oder Elternpause ein Comeback gelingt (69 %).

Einstellungen zum Leistungssport

Bei der Bewertung der Ergebnisse spielen auch die vom SINUS-Institut ermittelten Milieus und weitere Gruppenunterschiede eine wichtige Rolle. Dazu stellt Dr. Marc Calmbach, Geschäftsführer SINUS-Institut: „Die gesellschaftliche Bedeutung des Leistungssports wird je nach Milieu unterschiedlich bewertet: Am stärksten überzeugen seine Mehrwerte in gehobenen und progressiven Milieus – insbesondere im Konservativ-Gehobenen Milieu. Diese betonen zudem besonders die ethischen und sozialen Mehrwerte des Leistungssports. Am wenigsten überzeugt vom gesellschaftlichen Nutzen des Leistungssports sind die ressourcenschwächeren Milieus. Dort steht man auch dessen staatlichen Finanzierung überdurchschnittlich kritisch gegenüber.”

Kritischer äußern sich im Durchschnitt auch Ältere und Frauen – letztere betonen stärker soziale Ziele. Männer sind zumeist informierter und interessierter am Leistungssport und legen mehr Wert auf internationale Wettbewerbsfähigkeit. Engagierte in Sportvereinen haben überdurchschnittlich hohe Erwartungen an die staatliche Förderung und nehmen gleichzeitig dessen Risiken weniger kritisch wahr.

Starker Breitensport und Integrität

Für die Bevölkerung ist die Förderung des Leistungssports ohne eine ausreichende Unterstützung des Breiten- und Jugendsports kaum denkbar – sie dürfte vielen sogar als Voraussetzung für die Akzeptanz staatlicher Leistungssportförderung gelten. Entsprechend wird die staatliche Breitensportförderung mit 81 % (‚sehr wichtig‘ und ‚eher wichtig‘) als noch wichtiger eingeschätzt als die Förderung des Leistungssports (74 %). Zugleich ist die Gesellschaft stark für die Risiken des Leistungssports sensibilisiert. 94 % der Befragten fordern ethisches Verhalten ohne Doping oder Missbrauch als Grundlage staatlicher Förderung. Gewünscht wird ein Leistungssportsystem, das die Integrität und die Menschenrechte wirksam schützt und nicht einen ‚Erfolg um jeden Preis‘.

Die Studienergebnisse markieren aus Sicht des DOSB und Athleten Deutschlands den Auftakt für die festgelegte, tiefergehende Debatte über die Ziele staatlicher Leistungssportförderung.