Pumpleistung erhalten

Rund 3 Milliarden Mal unseres rund achtzigjährigen Lebens pumpt unser Herz unaufhörlich Blut durch das Herz-Kreislauf-System. Meist ohne zu murren. Doch bei manchen ist ab und zu eine Reparatur erforderlich, damit die Pumpe funktioniert. Wie weit die medizinischen Möglichkeiten heute schon sind, hat luckx – das magazin recherchiert.

Herztransplantation

Als Professor Christiaan Barnard 1967 das erste Herz verpflanzte, überlebte der Patient leider nur 18 Tage. Zehn Herztransplantationen sind dem südafrikanischen Chirugen gelungen. Heute können Menschen davon ausgehen, dass sie etwa zehn Jahre mit einen transplantierten Herz leben können. Doch in dieser Dimension sind nur wenige herzchirurgische Eingriffe erforderlich. Werden Herzfehler frühzeitig erkannt, reichen „kleinere“ Eingriffe meist aus. Ob Bypass, Stent oder Herzklappenersatz: Die Operationen sind immer noch schwierig. Doch Komplikationen treten nur sehr selten auf. Meist können die Patienten die Klinik nach wenigen Tagen verlassen. Ziel der Mediziner ist es, die Erholungsphase nach chirurgischer Herzklappen-Implantation zu beschleunigen.

Den körperlichen und psychischen Stress rund um Operationen minimieren und alles tun, damit operierte Patient sich möglichst schnell erholen können – das ist ein seit Jahren etablierter Trend in vielen chirurgischen Fächern. In Fachkreisen ist von Fast-Track-Chirurgie oder ERAS-Konzepten die Rede (ERAS: enhanced recovery after surgery). Ziel ist die schnelle Genesung der Patienten, so dass sie möglichst keine oder eine nur kurze intensivmedizinische Betreuung benötigen und rasch wieder in ihre häusliche Umgebung zurückkehren können. Realisiert wird das durch optimierte Operationsvorbereitung der Patienten, zum Beispiel mit einem angepassten Ernährungskonzept, durch schonende Operations- und Narkosemethoden sowie mit einer durchdachten und multiprofessionellen Betreuung nach der Operation. International sind dazu fachspezifische ERAS-Protokolle entwickelt worden.

Schnellere Erholung durch Minimalinvasive Eingriffe

Das Deutsche Herzzentrum der Charité (DHZC) in Berlin bietet seit 2021 mit ERMICS (Enhanced Recovery After Minimally Invasive Cardiac Surgery) ebenfalls ein solches Protokoll für Herzchirurgie-Patienten an. Das aus mehreren Komponenten bestehende Programm ERMICS ist in den vergangenen Jahren systematisch weiterentwickelt und wissenschaftlich untersucht worden. Seine Effektivität wird nun in einer prospektiv-randomisierten Studie noch eingehender geprüft, gefördert mit Mitteln der Dr. Rusche-Projektförderung der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) und durchgeführt von Dr. Leonard Pitts und dem ERMICS-Team der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie des DHZC. „Das Forschungsvorhaben von Dr. Pitts und dem ERMICS-Team ist vielversprechend und wichtig für die Lebensqualität und Sicherheit von Patienten, weil es tiefergehende Erkenntnisse unter anderem zu Patientenzufriedenheit, funktioneller Erholung und Entzündungs- und Stressreaktion liefern könnte“, betont der Herzchirurg und Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der DSHF, Prof. Dr. Armin Welz. Bei ERMICS handelt es sich um ein Partnerprojekt der DHZC-Kliniken für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr. Volkmar Falk) sowie für Kardioanästhesiologie und Intensivmedizin (Direktor: Prof. Dr. Benjamin O‘Brien). Beteiligt ist außerdem das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE).

Weniger Entzündungs- und Stressreaktion

Geplant ist, dass 128 Patienten an der Studie teilnehmen, die eine neue Aortenklappe (Herzklappe zwischen linker Herzkammer und Hauptschlagader) oder eine neue Mitralklappe (Herzklappe zwischen linkem Herzvorhof und linker Herzkammer) erhalten sollen. Die Hälfte von ihnen durchläuft das ERMICS-Programm, wobei die Patienten bereits am Abend nach der Operation vom Aufwachraum auf die Normalstation verlegt werden und nicht Tage auf der Intensivstation verbringen müssen (Tag-Null-/Day-Zero-Konzept: ERMICS-D0). Die andere Hälfte der Patienten erhalten die bisher übliche perioperative Standardbetreuung.

„Wir gehen davon aus, dass bei gleichbleibender Sicherheit das ERMICS-D0-Programm die Zeit des Krankenhausaufenthaltes verkürzt und die Entzündungs- und Stressreaktion sowie den operationsbedingten Muskelabbau verringert“, sagt Dr. Pitts vom DHZC. Damit könne die körperliche Belastbarkeit nach chirurgischer Herzklappen-Operation rascher wiederhergestellt werden als mit der bisherigen Standardversorgung. „Es geht heute nach Herzoperationen nicht mehr nur ums Überleben, sondern um schnellere Erholung, weniger Schmerzen und eine zügige Rückkehr in den Alltag“, erklärt der angehende Herzchirurg und wissenschaftliche Mitarbeiter des Studienteams.

Minimalinvasiv als Standard

Wurde früher noch das Brustbein gespalten, um Herzklappen implantieren zu können, erfolgt heute bei geeigneten Fällen ein minimaler Schnitt am rechten Brustkorb. Dies reicht häufig aus, um die neue Klappe in das Herz zu bringen und zu fixieren – eine deutlich schonendere Operationsmethode als früher. Die geringere Invasivität des Eingriffs ermöglicht zudem ein vergleichsweise schonenderes Narkoseverfahren. „Die Entzündungsreaktion nach der OP und die damit verbundene Morbidität der Patienten ist bislang allerdings noch ein Problem, mit dem wir umgehen müssen“, räumt Dr. Pitts ein.

Eben hier setzt das ERMICS-D0-Programm an: schonende Anwendung der Herz-Lungen-Maschine während der Operation, optimierte Ernährung für einen schnelleren Kraftaufbau nach der Operation, zielorientierte Infusionstherapie, ein multimodales Schmerztherapiekonzept, rasche Entwöhnung von der maschinellen Beatmung nach der OP, ganzheitliche Physiotherapie und baldiger Kontakt zu Angehörigen – das sind wesentliche Komponenten des Versorgungsprotokolls. Dessen Umsetzung erfordert die strukturierte Zusammenarbeit aller Kollegen der Herzchirurgie, Anästhesiologie, Pflege, Physiotherapie und anderen.

Der Fokus liegt damit auf der Lebensqualität herzkranker Menschen. „Ich bin überzeugt davon, dass wir mit dem ERMICS-D0-Programm den Schlüssel in der Hand halten, um die Patienten noch besser versorgen zu können“, erklärt Dr. Pitts. Genauer werde man das in zwei bis drei Jahren wissen, wenn die Studie abgeschlossen und ausgewertet worden ist.

TAVI Methode

An vielen weiteren deutschen Herzzentren wie Göttingen und Leipzig wird die TAVI-Methode angewandt (Transkatheter-Aortenklappenimplantation). Sie ist ein minimalinvasives Verfahren zum Ersatz der Aortenklappe bei einer Aortenklappenstenose. Dabei wird eine künstliche Herzklappe über einen Katheter, meist durch die Leiste, in das Herz eingebracht und die erkrankte Klappe ersetzt, ohne dass ein großer chirurgischer Eingriff am offenen Herzen notwendig ist. In Leipzig wird weitestgehend auf die intensivmedizinische Betreuung verzichtet. So können die Patienten schon nach drei bis vier Tagen die Klinik wieder verlassen, wie Professor Mohamed Abdel-Wahab berichtet.