Es ist immer leichter gesagt als getan: Wer Unkraut im Garten hat, will es unbedingt loswerden. Die ökologischste Art ist sicherlich das Zupfen. Doch dazu müssen Klein- und Großgärtner auf die Knie. Welche weiteren Möglichkeiten es gibt, hat luckx – das magazin recherchiert.
Kampf den Unkräutern
Unsere Nachbarin kniete im Vorgarten und zupfte fleißig die nicht gewünschten Pflanzen mühsam aus dem Boden. Die Quälerei konnte man ihr ansehen. Neben dem Rücken taten nach einiger Zeit auch die Knie weh. Doch aufgeben war nicht angesagt. Also ging es weiter. In der Landwirtschaft ist es aber mit Zupfen und auf den Knie rutschen nicht getan. Es muss intensiver ran gegangen werden. Denn manche Pflanzen können die Entwicklung ihrer Nachbarpflanzen beeinflussen. So werden sie als Gründüngung zwischen zwei Anbauphasen ausgebracht, um das Wachstum von Beikräutern zu unterdrücken. Dahinter vermutet man chemische Interaktionen im Erdreich. Um welche es sich genau handelt, will ein Projekt aus Österreich und der Schweiz klären. Mit dem Ziel, Alternativen zur künstlichen Unkrautbekämpfung zu finden. So eignen sich Hafer oder Buchweizen zur Gründüngung in der Landwirtschaft. Die Pflanzen unterdrücken ungeliebtes Beikraut.
Wer im Herbst Walnüsse sammeln geht, ist gut beraten, wasserfeste Handschuhe zu tragen. Denn die grünen Schalen enthalten ebenso wie die Blätter und andere Pflanzenteile den Stoff Hydrojuglon. An der Luft entsteht daraus Juglon – eine Substanz, die unsere Haut schwarz färbt. Sie kann aber auch Pilze und Pflanzen abtöten. „Deshalb wachsen unter Walnussbäumen kaum andere Pflanzen“, erklärt Judith Wirth. Sie leitet die Forschungsgruppe „Herbologie im Ackerbau“ am landwirtschaftlichen Forschungszentrum Agroscope in der Schweiz. Dort sucht man nach Alternativen zu herkömmlichen Unkrautbekämpfungsmitteln (Herbiziden) und wird zunehmend auf die wachstumshemmende Wirkung bestimmter Pflanzen aufmerksam. In der Fachsprache heißt das Phänomen Allelopathie.
Ran an die Wurzel
„Es gibt viele Theorien, wie die Allelopathie zustande kommt. Einen wirklichen Nachweis darüber, welche Stoffe von den Pflanzen auf welche Weise ausgeschieden werden, gibt es aber nur in Einzelfällen, zum Beispiel bei der Walnuss“, sagt Wirth. Die Hypothese ist, dass bei bestimmten Pflanzen, die zur Gründüngung eingesetzt werden, die Wirkung über Wurzelausscheidungen erzielt wird. Um das zu untersuchen, schloss sich Wirth im Projekt „Interaktion von Nutzpflanzen und Beikraut im Boden“ mit Experten von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien zusammen. Als Spezialist für die Wurzel-Boden-Interaktion ist der Bodenökologe Markus Puschenreiter vom Institut für Bodenforschung beteiligt. Den analytisch-chemischen Part leistet das Team von Stephan Hann, dem Leiter des Instituts für Analytische Chemie der BOKU.
Eine lebende Wurzel beeinflusst den Boden, der sie direkt umgibt. „Dort laufen vielfältige Prozesse ab“, erklärt Puschenreiter. „Die Wurzeln geben Substanzen, sogenannte Exsudate ab, um zum Beispiel Nährstoffe zu mobilisieren, die Bodeneigenschaften zu verändern oder symbiotische Beziehungen anzuregen. Außerdem wird über die Wurzel mit umgebenden Organismen interagiert, seien es Mikroorganismen oder andere Pflanzen.“ Im Rahmen des Projekts interessieren sich die Forschenden für spezielle chemische Signale, die die Entwicklung von Nachbarpflanzen negativ beeinflussen.
Kraut beimischen
Da der Bodenanteil, der direkt an der Wurzel liegt, nur spärlich und schwer zu untersuchen ist, entwickelte das Team eine erste Zwischenstufe seines Experiments: Die zu untersuchenden Pflanzen wachsen in feinem Glassand statt in der Erde und werden über eine Nährlösung versorgt. In der Flüssigkeit werden gleichzeitig die Wurzelexsudate gesammelt, sodass man sie für die Analyse gewinnen kann. „Im Vergleich mit dem natürlichen Boden ist das natürlich ein stark vereinfachtes Set-up“, räumt Puschenreiter ein, „aber wir wissen aus früheren Projekten, dass dieser Schritt notwendig ist, um die wachstumsunterdrückenden Substanzen überhaupt detektieren zu können.“ Für den Versuch werden echter Buchweizen (Fagopyrum esculentum) und als zweite Nutzpflanze Rau-Hafer (Avena strigosa) angebaut. Als Test-Beikraut verwenden die Forschenden Amarant (Amaranthus retroflexus). „Bei der Auswahl haben wir uns auf Erfahrungswerte gestützt. Beide Zwischenfrüchte werden schon lange zur Gründüngung eingesetzt und sind dafür bekannt, Beikräuter gut zu unterdrücken“, so Wirth.
Auf dem Weg zur optimalen Prozedur mussten auch andere Abläufe eigens für den Versuch eingerichtet werden. „Einerseits müssen die Pflanzen reproduzierbar und kontrolliert wachsen, was nicht so einfach zu bewerkstelligen ist. Andererseits ist die Probenahme eine Herausforderung“, sagt Hann, der für die chemischen Analysen zuständig ist. Zum einen musste sichergestellt werden, dass sich die Substanzen auf dem Weg von der Wurzel bis zur Analyse nicht verändern, zum anderen beschäftigte das Team auch die Suche nach einer validen Kontrolle. Im Zuge des Projekts wurde deshalb eine neuartige Anbaumethode entwickelt, bei der die Wurzel ein und derselben Pflanze in zwei verschiedenen Behältern wächst (split-root). So kann das Wurzelexsudat mit dem Kontrollexsudat aus einem zweiten Gefäß verglichen werden, in dem dieselbe Pflanze ohne Beikraut bzw. andere Pflanzen wächst. Denn neben der Identifikation allelopathisch wirkender Moleküle wollen die Forschenden auch herausfinden, ob sich die Zusammensetzung der Exsudate je nach Vorhandensein eines Beikrauts oder anderer Pflanzen verändert.
Anwendung
Die Wurzelexsudate, die in den Nährlösungen der verschiedenen Pflanzenkombinationen landen, werden an der BOKU auf ihre Zusammensetzung analysiert. Dafür nutzt das Team von Stephan Hann die Massenspektrometrie – ein Analyseverfahren, bei dem die Masse eines Moleküls sehr genau ermittelt werden kann. „Mit dieser Methode finden wir in einer einzigen unserer Proben zirka 1000 verschiedene Substanzen“, berichtet Hann. Viele davon sind allgemeine Stoffwechselprodukte von Pflanzen oder Mikroorganismen und damit für die Fragestellung nicht relevant. Erst in der statistischen Analyse zeigt sich, welche Substanzen exklusiv ausgeschieden werden, wenn das Beikraut präsent ist. Hier beginnt laut Hann die eigentliche analytische Herausforderung. „Denn die Massenspektrometrie gibt uns nur ein Signal, aus dem wir die infrage kommenden chemischen Summenformeln berechnen können, das heißt, welche Elemente wie oft in den noch unbekannten Stoffen vorliegen. Aber hinter jeder Summenformel verstecken sich Hunderte von chemischen Strukturen, zu denen die einzelnen Atome angeordnet sein können. Die Analyse sagt uns also nie, welche Substanz genau vorliegt.“
Die Problematik stellt sich Hann zufolge schon lange und in vielen Bereichen, in denen die Massenspektrometrie zum Einsatz kommt. „Zum Beispiel erschwert es die Identifikation von Biomarkern in der Medizin oder Analysen aus dem Umweltbereich, wenn Substanzen, die unbeabsichtigt in Gewässer eingespeist wurden, identifiziert werden müssen.“ Ein Teil der Forschungsleistung des Projekts sei daher auch, neue Lösungsstrategien für diese ungezielte Analytik (non-targeted analysis) zu entwickeln. Dazu gehört vor allem die Erzeugung von strukturspezifischen Fragmenten, welche über spezielle Algorithmen und Datenbankabgleiche zur Identifizierung herangezogen werden können.
Sind die methodischen und analytischen Hürden erst einmal überwunden, will das Team den Ansatz auf Experimente im Boden statt in Glassand ausweiten. Denn erst hier zeige sich die Situation so, wie sie im Feld tatsächlich vorzufinden ist. Die Forscher rechnen damit, dass die Interaktion im Erdreich an Komplexität zunehmen wird. „Die hemmende Wirkung einer Pflanze ist immer ein Zusammenspiel aus vielen Faktoren. Manche Pflanzen sind einfach konkurrenzstärker und nehmen Wasser oder Nährstoffe besser auf. Die Allelopathie ist nur ein Teil der hemmenden Wirkung und variiert wahrscheinlich je nach Stress der Pflanze, nach Wasserstatus, Nährstoffvorkommen, Lebenszyklus und so weiter“, zählt Wirth zu beachtende Einflüsse auf. „Im Idealfall gelingt es uns, einzelne allelopathische Metaboliten zu identifizieren.“ Mit diesem Wissen könne man eigene Sorten züchten, die ebendiese Stoffe vermehrt ausscheiden. Doch auch grundlegende Erkenntnisse über die Bedingungen von hemmenden Pflanzeninteraktionen sind für die Landwirtschaft ein Gewinn, um nachhaltige Methoden etablieren zu können.