Pagode

Eine Pagode ist ein asiatischer Tempelbau. Doch was hat das mit dem Automobilbau zu tun? Vor über 60 Jahren kam Mercedes mit der SL-Baureihe auf dem Markt. Wie diese Stil-Ikone den Markt prägte, schildert luckx – das magazin.

Prägend

Was für ein eigenwilliger Spitzname für ein Auto – „Pagode“. Schon vor langer Zeit bürgert er sich für den Mercedes-Benz SL der Baureihe 113 ein. Erstmals sei dieser SL in Italien „Pagode“ genannt worden, erinnert sich an den früheren Chefdesigner Bruno Sacco. Der Name „Pagode“ beruht auf dem charakteristischen, leicht nach innen gewölbten Hardtop des Sportwagens, das an asiatische Tempelbauten erinnert. Die Form entwirft Paul Bracq, seit März 1957 der erste Designer in der „Hauptabteilung Entwicklung Pkw-Aufbauten“ im Werk Sindelfingen. Für Image und Gestaltung des Sportwagens ist das Pagodendach ein Glücksfall. Und natürlich das Gesamtdesign: Klare Linien von großer Schönheit und Leichtigkeit erzeugen eine ausdrucksstarke Eleganz. Noch Jahrzehnte später bezeichnete Bracq die Gestaltung des W 113 als „perfekt“. Der Impuls für die konkav geformte Dachlinie kommt von einem Techniker. Kraftverläufe in der Karosserie sind ein Spezialgebiet von Béla Barényi. Er gibt den Hinweis, dass ein nach unten gewölbtes Dach stabiler ist als nach oben gewölbtes Blech – was jedoch für den Alltagsgebrauch der Baureihe 113 nur begrenzten Nutzen bietet, da das Hardtop eines Sportwagens eher selten mit einem Dachträger zum Lastentransport genutzt wird.

Sicherheitskonzept

Große Sicherheitsbedeutung hat eine andere Erfindung Barényis, nämlich sein Karosseriekonzept mit Knautschzonen an Front und Heck sowie gestaltfester Passagierzelle dazwischen. Die Mercedes-Benz Baureihe 111 ist 1959 das weltweit erste Fahrzeug mit dieser Sicherheitskarosserie. Natürlich hat der 1963 erschienene neue SL sie ebenfalls – ein Meilenstein in der Welt der Sportwagen. Der Genfer Auto-Salon vom 14. bis 24. März 1963 ist der Premierenschauplatz für den 230 SL, die erste Ausführung der Baureihe 113. Der Roadster mit einem 2,3-Liter-Sechszylindermotor und 110 kW (150 PS) tritt ein anspruchsvolles Erbe an. Er ersetzt gleich zwei Vorgänger, die Typen 190 SL (W 121) und 300 SL Roadster (W 198), die beide von Anfang an höchst beliebt und erfolgreich gewesen sind. Der 300 SL ist bereits mit dem ab 1954 produzierten Coupé zur Legende geworden. Mit dem neuen Modell schlägt das Unternehmen einen Mittelweg ein. Der 230 SL ist weder ein kompromisslos härterer Roadster noch ein sanftmütiger Boulevard-Sportwagen. Er ist ein komfortabler und zugleich sportlicher Zweisitzer mit hoher Fahrsicherheit.

Mercedes-Benz Museum: Vordenker – Sicherheit und Umwelt, 1960 bis 1982. Mercedes-Benz 230 SL (W 113). Detailaufnahme des Hardtops von rechts hinten. 

Modellpalette

Die Baureihe 113 wird weiterentwickelt. Am 27. Februar 1967 präsentierte das Unternehmen den 250 SL ebenfalls mit 110 kW (150 PS), aber aus 2,5 Litern Hubraum und daher mit einem größeren Drehmoment. Diese löst bereits weniger als ein Jahr später der 280 SL mit 2,8-Liter-Motor und 125 kW (170 PS) ab, der noch einmal durchzugsstärker ist. Doch anscheinend ist mehr in diesem Fahrzeugmodell enthalten, als für den Boulevard oder den Wochenendausflug. So steckt Motorsport in den Genen auch dieser SL-Generation. Legendär ist der Sieg von Eugen Böhringer und Klaus Kaiser mit einem Mercedes-Benz 230 SL bei der Langstreckenrallye Spa–Sofia–Lüttich vom 27. bis 31. August 1963 – rund 5.500 Kilometer mit höchstem Tempo. „Tänzer“ nennt Böhringer den Sportwagen, weil dieser im Vergleich zur Limousine mit ihrem längeren Radstand wendiger sei.

Das Ende naht

Im März 1971 läuft die Produktion des 280 SL aus. Nachfolger ist die vollkommen neu konstruierte Baureihe 107. Von den drei SL-Typen der Baureihe 113 werden in acht Produktionsjahren insgesamt 48.912 Exemplare produziert. Heute gehören sie zu den beliebtesten Klassikern der Marke. Kein Wunder, sie verbinden Sportlichkeit mit hohem Alltagsnutzen, viel Komfort und zeitloser Eleganz.