In den Haushalt der Europäischen Union zahlen die Mitgliedsstaaten entsprechend ihre Wirtschaftskraft ein. Dabei ist Deutschland aufgrund seiner Wirtschaft der größte Beitragszahler. Doch werden die Beiträge korrekt verwendet? Luckx – das magazin ging dieser Frage nach.
Fehler bei den Ausgaben
Eigentlich lässt sich erwarten, dass sowohl in der Kommune, in den Landkreisen und den Bundesländern sowie beim Bund die Ausgaben korrekt erfolgen und akribisch überwacht werden. Und was in Deutschland geschieht, soll und muss auch für den EU-Haushalt gelten. Doch leider kommt es auf allen Ebenen immer wieder zu Fehlern. Wir kennen das ja aus den unterschiedlichen Berichten, wo Brücken ohne Straßen gebaut werden oder andere Dinge unnötig geschehen. So ist es immer wieder so, dass sich Fehler einschleichen. So mancher Fehler ist sicherlich verzeihlich. Aber wenn es immer wieder mehr werden, muss intensiver auf die „Finger geschaut werden“. Wie bereits in den Vorjahren ist die geschätzte Fehlerquote bei den Ausgaben aus dem EU-Haushalt weiter gestiegen. Dies geht aus dem veröffentlichten Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofs hervor. Die EU-Prüfer warnen auch vor den steigenden finanziellen Risiken für den EU-Haushalt aufgrund von Schulden in Rekordhöhe, durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die hohe Inflation.
Prüfung durch den Europäischen Rechnungshof
Die Prüfer stellten zwar fest, dass die Jahresrechnung der EU für das Haushaltsjahr 2023 ein den Tatsachen entsprechendes Bild vermittelt und dass die Einnahmen als fehlerfrei betrachtet werden können. Sorge bereitet ihnen jedoch, dass bei den Ausgaben aus dem EU-Haushalt in Höhe von insgesamt 191,2 Milliarden Euro die Fehlerquote auf 5,6 % angestiegen ist (2022 lag sie bei 4,2 %, 2021 bei 3 %). Außerdem gebe es Unregelmäßigkeiten bei einem Teil der 48 Milliarden Euro, die im Rahmen der sogenannten Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) – der wichtigsten Säule des Corona-Aufbaupakets „NextGenerationEU“ (NGEU) – ausgegeben wurden. Die Prüfer stießen auf Zahlungen, für die nicht alle Bedingungen erfüllt waren, sowie Schwachstellen in den Kontrollsystemen der EU-Länder. „Zur Mitte des Finanzierungszeitraums 2021–2027 zeigen die Feststellungen in unserem Jahresbericht zentrale Herausforderungen für den EU-Haushalt, darunter hohe vorschriftswidrige Ausgaben“, so Tony Murphy, der Präsident des Europäischen Rechnungshofs. „Diese Problematik macht deutlich, dass wir sowohl auf Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf EU-Ebene solide Aufsichts- und Rechenschaftsmechanismen benötigen, damit wir das Vertrauen der Öffentlichkeit nicht verspielen und um künftige EU-Haushalte abzusichern.“
Prüfungsurteil zu den Ausgaben
Wie in den vergangenen vier Jahren gelangten die Prüfer zu dem Schluss, dass die geschätzte Fehlerquote wesentlich und umfassend ist, und geben daher ein sogenanntes versagtes Prüfungsurteil zu den EU-Ausgaben für 2023 ab. Die Prüfer betonen, dass der deutliche Anstieg der geschätzten Fehlerquote weitgehend auf die bei den Kohäsionsausgaben gefundenen Fehler (Quote von 9,3 % gegenüber 6,4 % im Jahr 2022) zurückzuführen ist. Als möglichen Grund für die Schwierigkeiten, die Finanzierung von Kohäsionsprojekten korrekt abzuwickeln, sehen sie den Zeitdruck, der auf den nationalen Behörden lastet, wenn es darum geht, Gelder aus miteinander konkurrierenden Fonds auszugeben. Kohäsionsprojekte, bei denen Fehler festgestellt wurden, ähneln den aus der ARF finanzierten Projekten und werden oft von denselben nationalen Stellen kontrolliert. Daher sehen die Prüfer das Risiko, dass bei den ARF-Ausgaben ganz ähnliche Fehler vorliegen. Allerdings ist bei der ARF die Einhaltung von EU- und nationalen Vorschriften keine Voraussetzung dafür, dass Geld an die EU-Länder ausgezahlt wird, weshalb dieser Aspekt nicht systematisch geprüft wird. 2023 war das dritte Jahr der Umsetzung der ARF. Die EU-Länder erhalten Mittel aus diesem Fonds, wenn sie vorab festgelegte „Etappenziele“ oder „Zielwerte“ erreichen. Im Jahr 2023 wurden 23 Zahlungen an 17 EU-Länder geleistet.
„Eingeschränktes“ Prüfungsurteil
Die Prüfer stellten fest, dass rund ein Drittel dieser ARF-Zahlungen nicht den Vorschriften entsprach. Sechs davon wiesen in wesentlichem Umfang Fehler auf. Außerdem stießen die Prüfer auf Fälle, in denen die Etappenziele oder Zielwerte schlecht konzipiert waren, sowie auf anhaltende Probleme bei der Zuverlässigkeit der Angaben in den Verwaltungserklärungen der EU-Länder. Daher gaben sie ein sogenanntes eingeschränktes Prüfungsurteil zu den ARF-Ausgaben ab.
Den Prüfern zufolge zeigen die Zahlen zum EU-Haushalt, dass einige Umstände genauer beleuchtet werden müssten. Die noch abzuwickelnden Mittelbindungen – die künftige Zahlungsverpflichtungen darstellen, wenn sie nicht aufgehoben werden – hätten Ende 2023 ein Rekordniveau von 543 Milliarden Euro erreicht (2022: 452,8 Milliarden Euro). Gleichzeitig seien die Schulden der EU 2023 in die Höhe geschnellt, und zwar auf 458,5 Milliarden Euro – ein Anstieg um 32 % gegenüber den 348 Milliarden Euro von 2022. Dies sei in erster Linie auf Anleihen in Höhe von 268,4 Milliarden Euro für NGEU zurückzuführen. Der EU-Schuldenstand sei nun doppelt so hoch wie 2021 – damals habe er bei 236,7 Milliarden Euro gelegen. Dies bedeute, dass die EU jetzt einer der größten Emittenten von Schuldtiteln in Europa sei, obwohl unklar sei, ob der Eigenmittelvorschlag der Kommission ausreichende Einnahmen zur Rückzahlung der NGEU-Schulden einbringen werde. Die zusätzlichen Kosten für NGEU-Anleihen würden auf 17 bis 27 Milliarden Euro geschätzt. Außerdem weisen die Prüfer darauf hin, dass sich die hohe Inflation auch weiterhin auf den EU-Haushalt auswirkt. Auf der Grundlage der Inflationsprognose der Kommission schätzen sie, dass der EU-Haushalt bis Ende 2025 knapp 13 % seiner Kaufkraft verlieren könnte. Die Gesamtexposition des EU-Haushalts – ein Maß für das Risiko aufgrund von EU-Haushaltsgarantien und Eventualverbindlichkeiten – habe sich Ende 2023 auf 298 Milliarden Euro belaufen (gegenüber 248,3 Milliarden Euro im Jahr 2022).
Jedes Jahr nehmen die Prüfer die Einnahmen und Ausgaben der EU unter die Lupe. Dabei untersuchen sie, ob die Jahresrechnung zuverlässig ist und die Einnahmen und Ausgaben den Rechtsvorschriften entsprechen. Sie beurteilen die geschätzte Fehlerquote anhand einer Schwelle von 2 %. Wird diese Schwelle überschritten, so gelten vorschriftswidrige Ausgaben als „wesentlich“. Die geschätzte Fehlerquote ist kein Maß für Betrug, Ineffizienz oder Verschwendung, sondern eine Schätzung der Beträge, die nicht gemäß den EU- und nationalen Vorschriften verwendet wurden.