Pflege mit Risiko

Die Pflege von Angehörigen nimmt in unserer Gesellschaft einen immer höher Teil ein. Kinder pflegen ihre Eltern; Eltern ihre Kinder. Doch vielfach fehlt die Anerkennung. Meist kommt es noch schlimmer, weil die finanzielle Unterstützung ausbleibt, wie luckx – das magazin recherchierte.

Arbeitsunfall?

Deutlich werden die Herausforderungen für Pfleger, wenn wir uns folgendes Beispiel anschauen Als sein Sohn einen Tobsuchtsanfall bekam, weil er sein Zimmer aufräumen sollte, wusste der Vater sich nicht mehr zu helfen und wählte den Notruf. Kurz darauf schlug ihm sein Sohn sogar eine Vase auf den Kopf. Eigentlich hätte dieser Fall wenig mit der Frage nach dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz zu tun. Doch hier treffen besondere Umstände zu: Der Vater war der ehrenamtliche Betreuer seines geistig behinderten Sohnes und der Schlag mit der Vase ereignete sich zwar in der gemeinsamen Wohnung, aber im Rahmen der Betreuertätigkeit. Daher handelte es sich dabei um einen Arbeitsunfall, für den die Unfallkasse zuständig ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Az.: L 6 U 19/23).

Pflegekosten steuerlich anrechenbar

Wer krankheits- oder pflegebedingt in einer dafür vorgesehenen Einrichtung untergebracht ist, kann die Kosten dafür als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen. Die Unterbringung in einer Pflege-Wohngemeinschaft (WG) ist abzugsfähig. Im konkreten Fall lebte ein schwerbehinderter Mann, der Pflegegrad 4 erhielt, mit anderen Pflegebedürftigen in einer Wohngemeinschaft. Die WG war nach dem Wohn- und Teilhabegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen organisiert. Dort wurde er rund um die Uhr ambulant intensiv betreut und versorgt. Die Aufwendungen für Kost und Logis wollte er als außergewöhnliche Belastung bei seiner Einkommensteuer geltend machen (Paragraf 33 Einkommenssteuergesetz). Es ging um rund 8.600 Euro. Doch das Finanzamt lehnte ab. Die Finanzbeamten waren der Ansicht, dass die WG keine Heimunterbringung darstellt, also kein Steuerabzug möglich ist. Die Richter sahen das anders: Entscheidend sei der Zweck der Einrichtung – und der war hier eindeutig: Betreuung, Pflege und Wohnraum für pflegebedürftige Menschen (Bundesfinanzhof, Az.: VI R 40/20).

Spaziergang

Es sollte ein kleiner Spaziergang werden, doch er hatte tragische Folgen. Eine Seniorin, die in einer Tagespflege-Einrichtung lebte, stürzte bei einem Spaziergang. Begleitet wurde die Dame von einer Praktikantin der Pflegeeinrichtung. Bei dem Sturz zog sich die Seniorin einen Oberschenkelhalsbruch zu und verstarb noch im selben Jahr. Die Alleinerbin verlangte daraufhin Schmerzensgeld und Schadensersatz vom Träger der Tagespflege. Immerhin sei eine nicht qualifizierte Praktikantin mit der alten Dame losgeschickt worden und das auch noch bei Eisglätte. Doch die Richter wiesen darauf hin, dass sich auch bei bester Betreuung ein Sturz nie völlig ausschließen lässt. Die fehlende spezielle Ausbildung der Praktikantin führt nicht automatisch zu einer Haftung, denn Spazierengehen erfordert keine Pflegeausbildung (Oberlandesgericht Bamberg, Az.: 4 U 222/22).

Immobilie war dann weg

Als seine Frau in ein stationäres Pflegeheim musste, beantragte sie Pflegewohngeld, um die Kosten für das Pflegeheim zu decken. Doch das Land lehnte ab und begründete die Entscheidung damit, dass zunächst das verwertbare Vermögen zur Finanzierung der Pflege herangezogen werden muss. Im konkreten Fall war damit das Haus gemeint, in dem sie zuvor mit ihrem Ehemann lebte. Doch dieser weigerte sich als Alleineigentümer seine Immobilie zu verkaufen, um die Pflegekosten zu bezahlen. Die Richter zeigten allerdings wenig Verständnis: Solange die Eheleute nicht getrennt leben, geht der Gesetzgeber davon aus, dass sie füreinander einstehen. Also wird das Vermögen beider Partner berücksichtigt (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Az.: 12 A 3076/15).