Den Bedürfnissen der Autofahrer haben sich auch die Tankstellen angepasst. Das fing schon bei den Öffnungszeiten vor über 60 Jahren an. Da wurde den Tankstellen ein Sonderrecht mit Tag- und Nachtöffnung eingeräumt. Erst viel später wurde das auch so richtig zur täglichen Versorgung genutzt, wie luckx – das magazin recherchierte.
Branche im Wandel
So nach und nach wurden Getränke, Lebensmittel, Brötchen und vieles mehr ins Verkaufsprogramm aufgenommen. Denn mit dem Verkauf von Benzin und etwas Autozubehör konnten die Tankstellen nicht überleben. Nun steht die Tankstelle abermals vor einem tiefgreifenden Wandel. Die Untersuchung „Die Tankstelle der Zukunft“ der Management- und Technologieberatung BearingPoint zeigt, wie sich das traditionelle Geschäftsmodell durch Elektromobilität, veränderte Kundenbedürfnisse und regulatorischen Druck grundlegend transformieren wird. Für die Studie wurden über 1.000 Verbraucherinnen und Verbraucher befragt und zahlreiche Experteninterviews mit Branchenvertretern geführt. Die Ergebnisse zeichnen ein klares Bild: Bis 2035 wird sich die Tankstelle evolutionär weiterentwickeln – gefolgt von einer revolutionären Umgestaltung des gesamten Konzepts ab 2040+.
Vom Kraftstoffverkauf zum Mobilitäts-Hub
Die Tankstelle der Zukunft wird nicht mehr primär vom Kraftstoffverkauf leben. Während dieser heute noch 60 bis 70 Prozent des Umsatzes ausmacht, gewinnt das bereits heute margenträchtige, Shop und Service-Geschäft zunehmend an Bedeutung. Der prognostizierte Rückgang fossiler Kraftstoffe und der Hochlauf der Elektromobilität erfordern eine grundlegende Neuausrichtung. „Die Frage ist nicht mehr, ob sich die Tankstelle verändern muss, sondern wie schnell und in welche Richtung“, erklärt Nina London, Partnerin bei BearingPoint. „Erfolgreiche Betreiber werden sich vom reinen Kraftstoffanbieter zum integrierten Mobilitätsdienstleister entwickeln, der Ladeinfrastruktur, digitale Services und neue Geschäftsmodelle intelligent kombiniert.“
Die Studie identifiziert drei unterschiedliche Entwicklungspfade, abhängig vom Standort:
Stadt: In urbanen Räumen entwickelt sich die Tankstelle zum multimodalen Mobilitätsknoten mit Fokus auf Elektromobilität, digitale Services und Convenience-Angebote. Die Tankstelle wird zur Plattform für verschiedene Verkehrsmittel und Dienstleistungen.
Land: Im ländlichen Raum droht vielen klassischen Tankstellen das Aus. Heimladen und sinkende Frequenz führen zu einem schleichenden Rückbau. Nur spezialisierte Anbieter mit lokalen Zusatzservices können überleben.
Autobahn: An Fernstraßen transformieren sich Tankstellen zu hochwertigen Verweilstationen mit Schnellladetechnologie, gastronomischen Angeboten und Erlebnischarakter. Der Fokus verschiebt sich vom schnellen Tankstopp zur qualitativ hochwertigen Pause.
Digitalisierung als Schlüsselfaktor
Die Studie zeigt, dass digitale Services für Tankstellenkunden immer wichtiger werden. Über 60 Prozent der Befragten würden eine Tankstelle eher besuchen, wenn sie durch den Besuch Punkte oder Rabatte sammeln könnten. Auch kontaktlose Bezahlmöglichkeiten und digitale Preisbenachrichtigungen stoßen auf großes Interesse. Gleichzeitig stellt die Digitalisierung viele Betreiber vor Herausforderungen: Hohe Investitionskosten, komplexe IT-Infrastrukturen und der Mangel an Fachkräften erschweren die Transformation besonders für kleinere Anbieter.
Die Studie prognostiziert einen deutlichen Rückgang der Tankstellenzahl in Deutschland. Je nach Szenario könnte die Anzahl von aktuell rund 14.400 auf 12.800 bis 11.000 Stationen im Jahr 2035 sinken. Besonders betroffen sind ländliche Standorte ohne zusätzliche Serviceangebote. Gleichzeitig zeichnet sich eine Verschiebung der Marktanteile ab. Während die „Big Five“ (Aral, Shell, TotalEnergies, Esso und Jet) aktuell rund 67% des Kraftstoffabsatzes kontrollieren, könnten neue Player aus dem Energie-, Handels- und Technologiesektor an Bedeutung gewinnen.
Zukunft der Betreiber
Die Studie gibt konkrete Empfehlungen für Tankstellenbetreiber.
Strategisches Portfoliomanagement: Regelmäßige Überprüfung, welche Standorte zukunftsfähig sind
Entwicklung standortspezifischer Konzepte für Stadt, Land und Autobahn
Aufbau von Partnerschaften mit Energie-, Handels- und Technologieunternehmen
Konsequente Digitalisierung von Prozessen und Kundenschnittstellen
Erschließung neuer Zielgruppen wie Flottenbetreiber und Mobilitätsplattformen
„Tankstellenbetreiber müssen jetzt die Weichen für die Zukunft stellen. Die Transformation der Tankstelle bietet enorme Chancen – wenn man sie proaktiv gestaltet“, betont Nina London.
Doch eines ist schon heute klar: Ohne die Orientierung an den Verbraucherbedürfnissen wird keine Tankstelle überlebensfähig sein.