Es ist eigentlich unvorstellbar, welches Menschenbild manche (Neu-) Politiker nach außen tragen. Nur, um irgendwie in den Medien zu erscheinen, hauen sie Statements raus, die nur ein Kopfschütteln hinterlassen. Wir sollten eigentlich mit unser Gesundheitssystem zufrieden sein, weil es allen Menschen hilft, meint luickx – das magazin.
Gesundheitsreform
So mancher (Gesundheits-) Politiker wie der bayrische Horst Seehofer hat sich an einer Gesundheitsreform in den 1990-er Jahren versuchte. Im Ergebnis wurde ein ganzes System zerstört; nämlich dass der Kur- und Heilorte in Deutschland. Viele Kliniken wurden geschlossen, ganze Orte mussten ihr Freizeit- und Gesundheitsangebot einstampfen, weil der Gesundheitsminister die Kosten reduzieren wollte. So wurden die ambulanten Kuren von im gestrichen und damit das Kursystem so stark beschädigt, dass einige Orte sich erst nach mehrere Jahrzehnten erholten – auf deutlich niedrigerem Niveau.
Nun soll es an die Alten gehen. Ob dabei vergessen wird, was „die Alten“ zum Aufbau unseres Landes, unserer Demokratie, beigetragen haben? Aber nicht nur das. Insbesondere in der medizinischen Versorgung zeigt gerade die Anwendung bestimmter medizinischer Verfahren bei älteren Mitmenschen, welche Möglichkeiten der Vorsorge bestehen. Denn was heute an „Älteren“ ausprobiert wird, wird in Zukunft besonders den Jüngeren zum Vorteil sein. Das zeigt sich bei Krankheiten wie die koronare Herzkrankheit (KHK), die immer mehr auch Jüngere betrifft.
Therapie
Herzkrankheiten wie die KHK und deren Folgeerkrankung Herzinsuffizienz sind nicht nur Erkrankungen des zunehmenden Alters. Der Anteil der über 65-Jährigen in Deutschland mit 18,88 Millionen Menschen im Jahr 2023 wird bis zum Jahr 2030 vermutlich auf zirka 20,21 Millionen wachsen (23,27 Prozent): Damit wird fast jeder Vierte über 65 Jahre alt sein. Die therapeutischen Möglichkeiten werden durch das Alter jedoch nicht gravierend eingeschränkt. Dank moderner interventioneller Verfahren können sogar Hochbetagte mit KHK und Herzinfarkt erfolgreich behandelt werden. Beispiel Perkutane Intervention (PCI): In der Akutversorgung des Herzinfarkts kann die Durchblutung des betroffenen Herzmuskelareals damit verbessert oder wiederhergestellt werden. Ausgeprägte Gefäßeinengungen werden mittels eines Ballons wieder geöffnet und durch einen Stent (Metallgeflecht) dauerhaft offengehalten. „Die meisten Verengungen der Herzkranzgefäße lassen sich heute dank der Kathetertechnik sicher auch im hohen Alter behandeln. Das erklärt zum Teil auch die weiterhin hohe jährliche KHK-Hospitalisationsrate“, betont der DGK-Präsident Prof. Dr. Stefan Blankenberg. 2023 kam es bei den 75- bis unter 85-Jährigen wegen KHK zu 2.344 Krankenhausaufnahmen pro 100.000 EW und bei den über 85-Jährigen noch zu 1.833 pro 100.000 EW. Der Großteil der PCI-Eingriffe erfolgte in den Altersgruppen der 60- bis 79-jährigen KHK-Patienten mit rund 152.000 PCI und der über 80-Jährigen mit weiteren rund 66.500 PCI. Bei älteren Patienten steigt nicht nur das Risiko, einen Herzinfarkt aufgrund der KHK zu erleiden, sondern auch die Gefahr, daran zu sterben. „Dank der sehr schnellen PCI-Eingriffe erreichen die Patienten daher trotz ihrer Herzkrankheit ein zunehmend höheres Lebensalter – ein möglicher Grund dafür, dass diese später nicht ,an‘, sondern ,mit‘ KHK, etwa an Herzschwäche als Hauptdiagnose, sterben“, erklärt der Hamburger Kardiologe.
Koronare Bypass-OP
Über die bestmögliche Behandlungsstrategie für den individuellen KHK-Patienten entscheidet ein interdisziplinäres Herz-Team, bestehend aus Kardiologen, Herzchirurgen und Anästhesisten. Denn in bestimmten Fällen reicht die interventionelle Therapie mittels Kathetertechnik nicht aus, um eine koronare Herzkrankheit adäquat zu behandeln. Das liegt daran, dass die meisten Herzinfarkte nicht an den hochgradigen Engstellen entstehen, die die Beschwerden auslösen. Hier bietet die sogenannte aorto-koronare Bypassoperation (ACB) durch die Anlage einer „Umgehung“ praktisch aller Läsionen der KHK einen Schutz vor zukünftigen Herzinfarkten. Die Bypass-Operation kann entweder mit oder ohne Herz-Lungen-Maschine (HLM) durchgeführt werden und ist mit bundesweit 36.872 Operationen (DGTHG-Daten) weiterhin die am häufigsten durchgeführte Herz-OP von insgesamt 72.131 (2022: 89.523) herzchirurgischen Eingriffen. Allerdings ist die Zahl der Bypassoperationen im Zeitraum von 2011 bis 2023 deutlich zurückgegangen. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 wurden noch 41.976 Bypass-OPs durchgeführt.
Schutz vor Herzinfarkten
„Aufgrund der hervorragenden Langzeitergebnisse ist die Bypass-OP vor allem für Patienten mit komplexer koronarer Mehrgefäßerkrankung, mit Verengung des Hauptstamms der linken Herzkranzarterie und bei Diabetespatienten mit Mehrgefäßverengungen (Stenosen) weiterhin die Therapie der ersten Wahl“, betont Prof. Dr. Torsten Doenst, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). Das spiegeln auch die Leitlinien wider. Bei diesen Patienten reicht eine Aufdehnung hochgradig verengter oder verschlossener Herzgefäße durch einen Ballon oder Stent nicht aus. Prof. Doenst: „Ein Stent wird in der Regel nur in eine bereits hochgradig verengte Stelle implantiert – diese ist jedoch lediglich für einen kleinen Teil der zukünftigen Herzinfarkte verantwortlich.“ Der Bypass wirke hingegen wie eine Umgehungsstraße, die verengte oder verschlossene Stellen in einem Herzkranzgefäß überbrückt und so den Blutfluss wiederherstellt. „Wenn an anderer Stelle im Gefäßsystem später erneut eine Engstelle oder ein Gefäßverschluss entsteht, kann diese Umgehungsstraße weiterhin den Blutfluss sichern und so einen Herzinfarkt verhindern“, erklärt Doenst. Dieser Effekt sei vergleichbar mit einer Impfung: Das Auftreten einer Erkrankung, in diesem Fall eines Herzinfarkts, werde von vornherein verhindert.
Im Jahr 2023 profitierte vor allem eine Vielzahl älterer Menschen über 70 Jahre von der Bypass-Operation – insgesamt 39,6 Prozent (Vorjahr 40,7 Prozent). Prof. Doenst: „Für diese Patientengruppe ist die Bypass-OP die einzige Therapie, bei der eindeutige lebensverlängernde Effekte nachgewiesen wurden, sofern kein akutes Ereignis vorliegt.“ Der Grund dafür sei die bereits genannte schützende Wirkung der Bypass-Operation vor etwaigen künftigen Herzinfarkten.
Angesichts dieses langfristigen und präventiven Effekts der Bypass-Operation – insbesondere bei älteren Menschen – zeigt sich DGTHG-Präsident Torsten Doenst besorgt über den deutlichen Rückgang dieser Eingriffe. „Der Herzbericht macht deutlich, dass die Zahl älterer Menschen mit koronarer Herzkrankheit in den kommenden Jahren weiter steigt. Umso alarmierender ist es, dass gerade die Bypass-Operation, die als einzige Therapieform nachweislich die Lebenszeit dieser Patientengruppe verlängert, weniger Beachtung findet.“
Ein positiver Trend hingegen: Inzwischen gibt es an einigen Zentren für spezielle Patientengruppen die Möglichkeit, eine Bypass-Operation ohne HLM-Einsatz, kurz OPCAB (Off-Pump Coronary Artery Bypass) und/oder sogar ganz ohne Durchtrennung des Burstbeins (minimalinvasiv) durchzuführen. Off Pump Bypass-Eingriffe machen einen Anteil von rund 20 Prozent aus; minimal-invasive Verfahren befinden sich gerade in der Entwicklung. Wer davon in Zukunft profitiert, muss wohl nicht erläutert werden.