Um wirklich nachhaltig Wasserstoff zu produzieren, wird heute noch viel elektrische Energie benötigt. So setzen fast alle Automobil-Hersteller auf die Elektromobilität. Wohl wissend, dass gerade im Transporter-, Bus- und LKW-Verkehr die Batterietechnik nicht die geeignete Energielagerung und der Energietransport ist. Doch wie kann nun künftig Mobilität möglich werden? Luckx – das magazin verfolgte aufmerksam die Diskussion.
Gamechanger?
Das Thema Wasserstoff beschäftigt aktuell Politik, Industrie und Forschung gleichermaßen. Ein Grund für die Messe Frankfurt, Wasserstoff-Experten zu einem digitalen Diskussionspanel einzuladen. Das nutzten Vertreter verschiedener Unternehmen und Forschungseinrichtungen, um über die Frage zu diskutieren, ob Wasserstoff der Gamechanger für unsere künftige Mobilität sein könnte. Die Referenten waren sich einig, dass grüner Wasserstoff eine wichtige Rolle im Mix der alternativen Antriebsenergien spielen sollte, um eine emissionsfreie Mobilität zu ermöglichen und die europäischen Klimaziele zu erreichen.
Wasserstoff aus nachhaltiger Energiegewinnung, sogenannter „grüner Wasserstoff“, gewinnt als klimaneutraler Energieträger zunehmend an Bedeutung. Denn: Nach aktuellem Forschungsstand könnte er eine der entscheidenden Lösungen für eine CO2-neutrale Zukunft sein. Insbesondere für den Bereich der Mobilität bietet Wasserstoff ein breites Feld von Anwendungen, um große CO2-Einsparpotenziale zu erzielen. Ein Grund für den EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermanns, ihn vergangenes Jahr als den „Rockstar unter den sauberen Energien der Zukunft“ zu bezeichnen.
Wasserstoff lässt sich vereinfacht gesagt aus Wasser gewinnen. Dazu wird eine große Menge an elektrische Energie benötigt – aktuell etwa das vierfache im Vergleich zum gleichen Ergebnis beim reinen batterie-elektrischen Antrieb.
Erderwärmung
Beim Expertentalk rechnete Prof. Thomas Willner, Leiter Forschungsgruppe Verfahrenstechnik, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) in seinem Vortrag vor, dass uns nur noch sieben Jahre bleiben, um das 1,5 Grad-Ziel bei der Erderwärmung zu halten, wenn wir es bis dahin nicht schafften, CO2-einzusparen. „Bei der Elektromobilität ist es leider so, dass wir einen Verzug von fünf bis 15 Jahren eingebaut haben, weil wir erst einmal den erhöhten CO2-Ausstoß für den Batteriebau abbauen müssen. Das Kriterium ‚no delay‘, also kein Verzug, kann im Prinzip nur noch von alternativen Kraftstoffen erfüllt werden – egal, ob flüssig oder gasförmig – wir reden hier also auch von Wasserstoff.“ Dieser Sichtweise schloss sich auch Dr. Thorsten Jänisch, Wissenschaftler am Institut für Verbrennungstechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) an: „Die Brennstoffzelle und das elektrische Fliegen werden sich wegen der langen Entwicklungszyklen vermutlich erst nach 2050 soweit durchgesetzt haben, dass man einen richtigen Effekt sieht. Bei den Near-Drop-In Fuels können wir das 2030 erwarten, aber wir haben nicht mehr so viel Zeit, wir müssen jetzt handeln und da sind die Drop-In-Fuels aus Biomasse oder grünem Wasserstoff natürlich sehr interessant. Denn die kann man tanken, so wie sie sind und man hat eine schnelle Wirkung bei der Reduktion der CO2-Emissionen.“
Heinrich Klingenberg, Referent Wasserstoffwirtschaft der Hamburg Invest Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH berichtete über das Green Hydrogen Hub Hamburg und das „Ökosystem“, das dort gemeinsam mit vielen anderen Branchen wie der Stahl- oder der Energieindustrie geschaffen wurde. „Wenn man Wasserstoff mit Batterietechnologie vergleicht, dann zeigt sich, dass wir hier eine Art Schweizer Taschenmesser haben: Wasserstoff lässt sich nämlich in einer Vielzahl von Anwendungen einsetzen. Dabei sorgen eine örtliche Produktion bzw. der Import als Grundlage auch für entsprechende Skaleneffekte und eine sichere Versorgung.“
Infrastruktur
Die Infrastruktur zur Versorgung mit Wasserstoff ist hierzulande allerdings noch ausbaufähig, wie einige der Teilnehmer bestätigten. Und das ist schon eine sehr positive Formulierung. So stellte Kristoffer Lorentsson, Tendering Manager bei MAN Energy Solutions fest: „Die Infrastruktur in Europa ist noch begrenzt. Heute besteht die einzige Alternative darin, den flüssigen Wasserstoff direkt aus der Produktionsanlage zu holen und ihn mit Anhängern zu den Endverbrauchern zu transportieren. In Norwegen hat die Regierung den Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur forciert. Ich denke, dass es keine drei Jahre mehr dauern wird, bis die ersten Speicherstationen für flüssigen Wasserstoff da sind.“ Mit der Umstellung der Schifffahrt auf Wasserstoff sei es möglich, fast auf ein „Null-Emissions-Schiff“ zu kommen. „LNG hat es ermöglicht, die Schwefel- und Stickoxidemissionen deutlich zu reduzieren, aber mit Wasserstoff haben wir das Potenzial, auch die CO2-Emissionen um 100 % zu senken. Das ist unser Ziel“, so Lorentsson weiter. Ambitionierte Pläne verfolgt auch Michael Gensicke, Geschäftsführer der Robert Bosch Elektronik GmbH und zwar für den Hydrogen Campus Salzgitter, an dem neben Bosch unter anderem auch das Fraunhofer Institut sowie MAN Energy Solutions und Alstom vertreten sind: „In meiner Fabrik wird es gelingen, den CO2-Footprint innerhalb eines Jahres um rund 40% zu reduzieren. Das geht natürlich nicht nur mit Wasserstoff, aber mit den Technologien um Wasserstoff, die man sinnvoll kombiniert.“
„Die Klimakrise ist nur global zu lösen“, fasste Matthias Braun, Senior Advisor, Aramco Fuel Research Center als Fazit zusammen. So hat Saudi Arabien kürzlich mit Deutschland ein Wasserstoff-Abkommen geschlossen. Letztlich ist das die berechtigte Hoffnung, dass wir den enormen Bedarf an Energie, den wir im Norden der Welt haben durch den Süden, durch die Sonnenländer, generieren. Die Sonnenländer sind z.B. Chile, Australien, Middle East, aber auch Afrika.