Nun haben verschiedene Finanzdienstleister eine steigende Anzahl von Insolvenzen für dieses Jahr vorhergesagt. Das dieses Szenario zu unserem aller Vorteil nun doch nicht eingetreten ist, hat sicherlich auch mit der massiven Unterstützung der Bundesregierung in dieser für alle Marktteilnehmer außerordentlich anstrengenden Situation zu tun. Wie sich die Situation im Detail zeigt, hat luckx – das magazin recherchiert.
Vertrauen
Wirtschaft und Handel hat viel mit Vertrauen zu tun. Wer sich einmal die Internet Zahlungsmodalitäten anschaut, muss sich eigentlich die Haare raufen. Fast ausnahmslos wird Vorkasse erwartet. Das verführt auch einige Marktteilnehmer dazu, zwar die Zahlungen gern entgegen zunehmen. Doch die Lieferung lässt auf sich warten oder erfolgt gar nicht. Mit der Erstattung des Zahlbetrages lassen sich dann viele sehr viel Zeit oder vereinnahmen es einfach. Dem Betrug sind somit Tür und Tor geöffnet.
Doch viele Unternehmen in Deutschland vertrauen wieder mehr auf die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden. So bieten Firmen ihren Abnehmern im Vergleich zum Vorjahr deutlich häufiger Zahlungsziele an. Dieses gesteigerte Vertrauen wird mit einer verbesserten Zahlungsdisziplin belohnt: In den vergangenen 12 Monaten berichten nur noch 59% von Zahlungsverzögerungen (-9%). Das sind Erkenntnisse aus der jährlichen Befragung des Kreditversicherers Coface zu Zahlungserfahrungen deutscher Unternehmen. Offen bleibt der Einfluss von staatlichen Corona-Hilfen auf diese verbesserten Ergebnisse.
Fast drei Viertel (74%) der über 800 befragten Unternehmen haben ihren Kunden in den vergangenen 12 Monaten ein Zahlungsziel eingeräumt. Zum selben Zeitpunkt des Vorjahres waren es nur 62%. In der letzten Befragung vor Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2019 operierten noch 81% der Unternehmen mit Zahlungszielen. „Deutsche Firmen haben sich offenbar an das Pandemieumfeld gewöhnt, dennoch bleiben sie wachsam und sind nach wie vor bestrebt, so früh wie möglich Kasse zu machen“, sagt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. Diese Wachsamkeit ist auch in den kurzen Zahlungsfristen erkennbar, die weiterhin die deutsche Unternehmenslandschaft dominieren. 88% der Unternehmen fordern ihr Geld im Jahr 2021 innerhalb von 60 Tagen. Die durchschnittliche Lieferantenkredit-Laufzeit verringerte sich geringfügig um etwa einen Tag: von 34 Tagen im Jahr 2020 auf 33 Tage im Jahr 2021.
Unterschiedliche Zahlungsfristen
Während sich die durchschnittliche Zahlungsfrist nur geringfügig verändert hat, gibt es 2021 signifikante Veränderungen innerhalb der 11 untersuchten Branchen. Um fast 10 Tage im Vergleich zum Vorjahr wurden die Zahlungsfristen im Baugewerbe und in der Textil- und Kleidungsbranche verlängert. Dennoch gewährt die Baubranche mit 24,4 Tagen nach wie vor die kürzesten Zahlungsziele, während der Textil- und Bekleidungssektor mit durchschnittlich 47 Tagen die großzügigste deutsche Branche ist. Früher zur Kasse gebeten werden 2021 die Kunden im Maschinenbau (-8,2 Tage), im Agrar-, Lebensmittel- und Holzsektor (-7,3 Tage) sowie in der Automobilindustrie (-6,3 Tage). „Auch, wenn es nicht explizit gefragt wurde, berichten uns Kunden häufig, dass die gestiegenen Rohstoffpreise und damit die hohen Materialkosten sie unter Druck setzen. Sie möchten diese Vorleistungskosten offenbar möglichst schnell wieder einholen“, sagt Christiane von Berg.
Die Zahlungsmoral von Kunden deutscher Unternehmen hat sich 2021 erneut verbessert. Bereits im Vorjahr war der Anteil von Unternehmen, die Zahlungsverzögerungen erlebten, trotz einer starken Rezession überraschend von 85% (2019) auf 68% zurückgegangen. In der aktuellen Befragung gaben nun 59% der Teilnehmer an, in den vergangenen 12 Monaten von verspäteten Zahlungen betroffen gewesen zu sein. Mit Ausnahme der Transport- und der Metallbranche ging die Zahl der Zahlungsverzögerungen in allen Sektoren zurück. Während weniger als die Hälfte der Firmen im Agrar-, Lebensmittel- und Holzsektor (49%) verspätete Zahlungen meldeten, waren es im Textil- und Kleidungssektor 70%. Zum Vergleich: In Polen berichteten Anfang des Jahres knapp 98% aller Befragten von Zahlungsverzögerungen.
Darüber hinaus verkürzte sich die Dauer von Zahlungsverzögerungen im Schnitt um über eine Woche, von 36 Tagen im Jahr 2020 auf knapp 28 Tage im Jahr 2021. Über dreieinhalb Wochen kürzer fielen die Verzögerungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT; 17,5 Tage) aus. Bemerkenswert: Kein Unternehmen in diesem Sektor berichtete von Zahlungen, die länger als 60 Tage überfällig waren. „Dies könnte an der hohen Liquidität im Markt liegen“, sagt Christiane von Berg. „In Einzelfällen bitten Kunden sogar noch vor Rechnungsstellung darum, zahlen zu können, um negativen Bankzinsen zu entgehen.“
Staatliche Hilfen
Exakt wie im Vorjahr gaben 48% der Befragten an, dass ihr Unternehmen in den vergangenen 12 Monaten als Reaktion auf die Corona-Krise staatliche Unterstützung in Anspruch genommen hat. Auch der Anteil der genutzten Unterstützungsmaßnahmen bleibt nahezu unverändert: In 89% der Fälle wurde Kurzarbeitergeld beantragt, an zweiter Stelle (21%) stehen Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), der wichtigsten Förderbank des Bundes. Zuschüsse vom Bund wie Überbrückungs- oder Neustarthilfen wurden von 17% genutzt. „Die letzten Hilfsprogramme laufen Stand heute zum Jahresende aus. Es wird interessant sein zu sehen, ob das äußerst positive Zahlungsverhalten in Deutschland das Ergebnis einer starken wirtschaftlichen Erholung oder erheblicher öffentlicher Finanzhilfen und einer höheren Verschuldung ist“, sagt Christiane von Berg.
Warum ist die Zahlungsmoral der Kunden ein so wichtiges Thema, dass luckx – das magazin darüber berichtet? Entscheidend zum Beispiel für die pünktliche Lohn und Gehaltszahlung ist der Kassenbestand im Unternehmen. Wenn da „Ebbe“ ist, werden die Zahlungen verzögert erfolgen oder müssen durch Kredite finanziert werden. Jeder weiß, wenn nicht genug Geld auf dem Konto ist, kann weder Miete noch Ratenzahlung pünktlich erfolgen. Was das in der aktuellen Situation bedeutet, bedarf keiner Erläuterung. So können wir alle nur hoffen, dass gute Arbeit erfolgt und auch immer pünktlich bezahlt wird.
Zur Umfrage
Die aktuelle Ausgabe der Coface-Studie zu Zahlungserfahrungen von Unternehmen in Deutschland wurde im Juli und August 2021 durchgeführt, 819 Unternehmen aus mehr als 11 breit gefächerten Sektoren nahmen an der Befragung teil.