Draußen unterwegs zu sein war eine Selbstverständlichkeit. Kinder spielten auf den Straßen. Ja, auf den Straßen. Das war in den 50-er und 60-er Jahren des letzten Jahrhunderts. Vielleicht noch in den 70-er. Da gab es auf unseren Straßen so 5 bis 6 Millionen Autos. Und heute? Rund 45 Millionen. Diese brauchen Parkplätze und Fahrbahnen. Sonst läuft bei denen nichts mehr. Da wo früher Kinder Fußball spielten stehen heute Autos. Autos, um die Kinder zur Schule oder zum Kindergarten zu transportieren und zu den verschiedensten Freizeitaktivitäten. Für die Tageseinkäufe. So hat jede Familie mindestens zwei Autos. Denn die sind auch notwendig. Waren früher kleine Lebensmittelläden und Nahversorger an jeder Ecke, so sind diese heute in Shopping-Malls. Da geht’s dann nur mit dem Auto hin. Bus oder Bahn finden dorthin meist nicht den Weg. Auch mit dem Fahrrad ist es fast unmöglich.
Wo bleibt die eigene Bewegung?
Junge Europäer sind angeblich zu faul, um rauszugehen. Daraus folgt: Der Absatz mancher Sportgeschäfte schrumpft. Doch das gilt nicht für die gesamte Branche. Vor allem online konzentrieren sich Kunden auf wenige Shops.
Outdoor, ist out – so sieht es zumindest der Branchenverband European Outdoor Group. Die junge Generation sei kaum noch vom Smartphone wegzubewegen: „Die erreichen wir mit unserer alten Nachricht: ‚Geh raus, das wird toll, Du wirst es lieben‘ überhaupt nicht“, sagte Arne Strate, Generalsekretär des Verbands, kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Nicht nur Wandern, Klettern oder Radtouren seien unpopulär, fast die Hälfte der Europäer ließe sich überhaupt nicht zu irgendeiner Aktivität motivieren. Also schlechte Zeiten für die Sportbekleidungsbranche? YouGov-Daten bieten ein etwas differenzierteres Bild.
Absatzflaute
Ja, Marken wie Jack Wolfskin werden heute spürbar weniger gekauft als noch vor drei Jahren. Einzelhandelsketten wie Karstadt Sports oder Intersport haben deutlich weniger Kunden. Das zeigen Verbraucherbefragungen, die wir täglich für unseren Markenmonitor BrandIndex durchführen. Aber unsere Daten zeigen auch die andere Seite der Medaille: steigende Kundenzahlen bei neuen Playern im Markt, allen voran Decathlon. Seit dem vergangenen Sommer, so scheint es, haben Intersport und Karstadt Sports endgültig den Anschluss an Decathlon verloren, dessen Kundenbasis unaufhörlich wächst.
Online Shopping
Das hat nicht nur mit dem wachsenden Filialnetz von Decathlon zu tun, sondern auch mit dem Online-Shop. Verbraucher, die online Outdoor- oder Sportbekleidung kaufen, tun dies häufiger bei Decathlon oder Sport Scheck. Aber eine Generationenfrage, wie der Branchenverband behauptet, ist das nicht: Eine Zielgruppenanalyse mit YouGov Profiles zeigt zwischen denjenigen, die online, und denjenigen, die offline eingekauft haben, kaum signifikante Unterschiede in der Altersverteilung. Lediglich die über 55-Jährigen sind unter den Online-Käufern seltener anzutreffen als unter den Offline-Kunden.
Dennoch unterscheiden sich die Online-Kunden von denen, die in ein Ladengeschäft gegangen sind, um Sportbekleidung zu kaufen. Online-Shopper sind beispielsweise markenbewusster. „Ich kaufe bevorzugt bestimmte Marken“, sagen 53 Prozent der Offline- und 65 Prozent der Online-Kunden. Ein Grund könnte sein, dass vertraute Marken konsistente Produkte bedeuten und damit Kleidung, die passt und weniger Last mit Rücksendungen.
Wo geht die Reise hin?
Outdoor ist nicht out. Outdoor, oder Draußen sein, findet anders statt. Mikroabenteuer sind fast überall möglich: ob Zelten im eigenen Garten oder nach einer zünftigen Wanderung in einer Hütten droben auf dem Berg übernachten. Oder mit dem Kanu den Fluß hinunter – oder quer übern See. Oder bei strömenden Regen durch den Park. Es lässt sich selbst organisieren oder fremd vorbereiten. Kleinere Abenteuer oder Abenteuerreisen finden sich überall im Angebot. Wer dann einen unseren schönen Kurorten in den Mittelgebirgen besucht bekommt Anregungen in den Tourist-Infos zuhauf: bei schönsten Wetter auf den Brocken wandern oder durch das Watt an der Nordseeküste bei Cuxhaven. Dazu braucht es meist keine tausende kostende Ausrüstung. Auch keine Wanderstiefel oder rotkarierte Hemden. Einfach einmal ausprobieren – und dann die passende Ausrüstung für das nächste Mal besorgen. Also selbst aktiv werden. Der erste Schritt ist der schwerste – dann geht es meist von ganz allein weiter.