Stadt und Land

In vielen Unternehmen, Handels und Wirtschaftsverbänden wird untersucht, wie sich während der Corona-Pandemie gesellschaftliche Entwicklungen vollziehen. Denn es wird erwartet, dass gerade durch diesen starken Eingriff in den Lebensalltag von uns allen sich Veränderungen ergeben. Doch welche, das lässt sich wohl noch nicht so genau absehen. So haben die Sparda-Banken nun eine Studie „Wohnen in Deutschland 2020

– Unterschiede zwischen Stadt und Land” veröffentlicht. Schwerpunkte der diesjährigen Untersuchung sind unter anderem die Wanderungsbewegungen in Deutschland sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Immobilienmarkt.

Immobilienmarkt

Die Einschnitte in Wirtschaft und Gesellschaft durch die Pandemie haben eine Tragweite, die es in der Bundesrepublik Deutschland bisher so noch nicht gegeben hat. Vor diesem Hintergrund ist eine Kernerkenntnis der diesjährigen Sparda-Wohnstudie zweifelsohne, dass der Immobilienmarkt auch in der Krise äußerst robust ist und aller Voraussicht nach auch bleibt. Die Preise sind ebenso ungebrochen auf hohem Niveau wie die Nachfrage nach Wohneigentum selbst. Die Gründe hierfür sind vielfältig: Sei es die Funktion einer Immobilie als sichere Wertanlage in unsicheren Zeiten, die Verunsicherung gegenüber dem Kapitalmarkt, die nach wie vor äußerst günstigen Finanzierungskonditionen oder eben der nach wie vor große Wunsch nach einem Eigenheim. Letzterer wird sicher durch die Schließungen von Begegnungsstätten im öffentlichen Raum sowie Home Office eher verstärkt”, so der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Sparda-Banken, Florian Rentsch.

Ein weiterer Fokus der Studie war für uns, wie sich die stark gestiegenen und auch weiter steigenden Preise in den Metropolen und Großstädten auf das direkte Umland auswirken – und wie dies wiederum die Entscheidungen von Kaufinteressenten beeinflusst, Immobilien auch in ländlicheren Regionen in Erwägung zu ziehen und dorthin aus der Stadt abzuwandern. Dies führt natürlich zu einer Zunahme der Pendlerbewegungen vom Umland in die Großstädte – je höher der Immobilienpreis, desto größer das Pendlersaldo”, erläutert Prof. Dr. Michael Voigtländer, Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte des IW Köln.

Kaufpreise steigen

Die Ergebnisse der diesjährigen Studie zeigen, dass der Immobilien-Kaufpreis in Agglomerationsräumen in den letzten zwölf Jahren um 74 Prozent gestiegen ist. Allerdings sind die Preise auch im ländlichen Umland um 66 Prozent gestiegen. Betrachtet man die Entwicklung der letzten drei Jahre ist sogar zu erkennen, dass die Preise im Umland der meisten Großstädte in ähnlicher Weise gestiegen sind, wie dies in der Großstadt selbst der Fall war. In Berlin, München, Köln, Hamburg und Stuttgart sind die Preise im Umland seit 2017 sogar stärker gestiegen als in den Metropolen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass Immobilien im Umland der sieben Metropolen noch immer im Schnitt 55 Prozent günstiger sind, als in den Metropolen selbst.

Platz zum Wohnen gesucht

Vor allem für junge Familien spielt neben dem Preis, der Verfügbarkeit und der Infrastruktur auch das Platzangebot bei Immobilien eine entscheidende Rolle. Bei der Suche nach einem Einfamilienhaus zum Kauf stehen die Chancen, fündig zu werden, in ländlichen Räumen deutlich besser als in den Ballungsräumen. Während die mittlere Wohnfläche in den Metropolen bei 86 m² liegt, werden in den peripheren ländlichen Räumen im Durchschnitt 120 m² angeboten. Die großen Unterschiede in der Wohngröße und im Preisniveau tragen dazu bei, dass das Umland immer beliebter wird und folgerichtig das Pendlersaldo zunimmt. Bereits in der letztjährigen Studie gaben rund 78 Prozent der Befragten an, das Pendeln bis zu 30 km zwischen Wohnort und Arbeitsplatz in Kauf nehmen zu wollen. Die diesjährige Studie belegt dies und zeigt, dass insbesondere die berufstätigen 30 bis unter 50 Jährigen aus den Städten ins Umland ziehen, was zu teilweise gewaltigen Pendlersalden führt. Als Beispiel dient hier der Landkreis Südwestpfalz, in dem fast 22.000 mehr sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer zur Arbeitsstätte auspendeln als einpendeln.

Wer auf der Suche nach mehr Wohnraum für die Familie ist, geht raus aus den Großstädten ins Umland. Die ballungsraumnahen, hochverdichteten ländlichen Räume sind besonders attraktiv. Hier bieten 42 Prozent der inserierten Immobilien mehr als 120 m² Wohnfläche. Der Anteil der inserierten Einfamilienhäuser liegt in den Agglomerationsräumen hingegen bei lediglich 11 Prozent. Eher fündig wird hier, wer auf der Suche nach einer 1-2-Zimmerwohnung ist: Diese machen dort fast ein Drittel der inserierten Eigentumsimmobilien aus”, so Prof. Dr. Voigtländer.

Höhere Nachfrage

Die Corona-Pandemie hält das öffentliche und private Leben weiterhin in Atem. Weitestgehend unbeeindruckt davon und stabil zeigt sich der deutsche Immobilienmarkt: Nachhaltige Einbrüche bei der Nachfrage nach Miet- und Kaufobjekten sind nicht zu beobachten. Ausweislich der Studie ist seit Beginn der Pandemie im März 2020 im Gegenteil insbesondere die Nachfrage zum Kauf von Einfamilienhäusern stark gestiegen. Auch Suchanfragen für Wohnungsmieten liegen über dem Vorkrisenniveau. Auf der Angebotsseite ist nach den Lockerungen der Kontaktbeschränkungen nach der ersten Corona-Welle kein Wiederanstieg der Verkaufsinserate für Immobilien auf das Niveau vor Ausbruch der Pandemie zu erkennen – im Gegenteil besteht auf Seiten der Verkäufer weiterhin große Zurückhaltung. Die Immobilieninserate für den Kauf von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen liegen deutlich unter dem Niveau von Anfang 2019.

Auch die Immobilienpreise werden kaum von der Corona-Pandemie beeinflusst. Nach einer kurzen Seitwärtsbewegung sind diese in fast allen Großstädten höher als vorher. Auf die letzten anderthalb Jahre betrachtet: Während die Mieten vergleichsweise moderat um rund vier Prozent gestiegen sind, liegt der Zuwachs bei den Kaufpreisen (Bestand und Neubau zusammen) bei rund 15 Prozent.

Wohnungsbau

Das erhebliche Auseinanderfallen von Angebot und Nachfrage für Immobilien insbesondere in den Boomregionen Deutschlands findet einen Grund auch in der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung: Zwischen 2011 und 2019 ist diese um 3,5 Prozent gestiegen. Das ist ein Plus von über 2,8 Millionen Menschen. Fast ein Viertel des gesamten Bevölkerungszuwachses entfällt auf die Millionenstädte Berlin, Hamburg, München und Köln. Der Anteil der Bevölkerung, die im städtischen Raum lebt, stieg in dem Zeitraum von 60,6 Prozent auf 61,4 Prozent. Anders in weiten Teilen Ostdeutschlands: In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hingegen sind 40 der 50 Regionen geschrumpft.

Währenddessen bleibt Deutschland beim Wohneigentum Schlusslicht in Europa: Nur 45 Prozent der deutschen Haushalte wohnen in den eigenen vier Wänden. Im Osten der Bundesrepublik sind es 36 Prozent und im Westen 48 Prozent. Die Wohneigentumsquote ist regional stark differenziert und in ländlichen Räumen und kleineren Gemeinden deutlich höher. In Kleinstädten bis zu 20.000 Einwohnern liegt die Wohneigentumsquote bei 58 Prozent, in Großstädten ab 100.000 Einwohnern ist sie mit nur gut 30 Prozent deutlich geringer.

Wohnen in Deutschland 2020 – Unterschiede zwischen Stadt und Land” ist eine Studie des Verbandes der Sparda-Banken e.V., die mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und seiner Beratungsgesellschaft (IW Consult) durchgeführt wurde. Sie stellt eine Anschlussstudie zur dritten Sparda-Studie “Wohnen in Deutschland 2019” dar und betrachtet insbesondere die dort angelegten Fragen hinsichtlich der Unterschiede und Wanderungsbewegungen zwischen Stadt und Land sowie die Effekte der Corona-Pandemie auf den Immobilienmarkt.