Was der Schulsport nicht erreichte, was Marketing und Werbemaßnahmen der Krankenversicherung und Sportartikelanbieter ins Leere laufen ließ, machte ein kleines Virus innerhalb eine Jahres möglich: Der Laufsport boomt wie nie zuvor. Wir Menschen widmen uns mehr dem Draußen sein. Denn nur ständig an die Wand oder den Bildschirm zu starren, macht uns aggressiv. Oder sonst wie krank. Doch die Gründe fürs Laufen verschieben sich.
Das zeigen nicht nur die Daten von Ausdauersport-Netzwerken wie Strava, sondern auch ein Blick auf beliebte Laufstrecken: „Wir sehen seit fast einem Jahr eine Menge neuer Läufer da draußen“, sagt Urs Weber, Redakteur der Laufzeitschrift „Runner’s World“. „Es sind auffällig viele Laufanfänger unterwegs, Corona hat für einen Boom gesorgt.“
Befragung von über 10.000 Läufern
Das ist nicht nur ein Gefühl, sondern mit Zahlen belegbar: „Allein die Besuchszahlen auf unserer Website bilden im März, April und Mai 2020 eine regelrechte Corona-Welle“, berichtet Weber. Wie schon seit acht Jahren präsentierte der Journalist auf dem Runner’s World Laufsymposium der ISPO Munich Online die alljährlichen Umfrageergebnisse seiner Redaktion, die diesmal 10.500 Läufer befragt hatte. Demnach legt der Durchschnittsläufer jede Woche 37,4 Kilometer zurück. „Für erfahrene Läufer ist das eher wenig, daher kann man auf zahlreiche Einsteiger schließen“, so Weber. Jeder vierte Teilnehmer der Umfrage ist im Sportverein, jeder dritte joggt normalerweise in einem Lauftreff. „Das Interesse an Wettkämpfen hat 2020 verglichen mit den Vorjahren natürlich deutlich abgenommen“, so Weber. Obwohl mehr Menschen liefen, gab jeder Läufer 2020 im Durchschnitt etwas weniger Geld für Laufbekleidung aus als im Vorjahr – wahrscheinlich mangels Einkaufmöglichkeiten. So wurden 2020 rund 296 Euro ausgegeben und 2019 rund 324 Euro. Während Onlineshopping verglichen mit dem Vorjahr einen leichten Anstieg verbuchte, gingen die Verkaufszahlen in den Sportgeschäften zurück – was sich ebenfalls mit dem Lockdown erklären lässt.
Gute Gründe, um die Laufschuhe zu schnüren
Wer glaubt, Läufer laufen, weil sie Wettkämpfe gewinnen wollen, liegt falsch. 71 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben an, dass sie laufen, „um gesund zu bleiben“. Fast genauso viele laufen der Fitness willen. Und 65 Prozent schnüren die Laufschuhe einfach aus Spaß. Wettkämpfe gab nur jeder Dritte als Motivation an – wahrscheinlich auch, weil es 2020 keine Wettkämpfe gab: Im Jahr 2019 waren Wettbewerbe noch für 40 Prozent der Läufer eine Trainingsmotivation. „Weiche Gründe“ nennt Redakteur Urs Weber die Top Fünf der Laufanreize:
Ich laufe, um gesund zu bleiben: 71 %
Ich laufe für meine Fitness: 70 %
Ich laufe aus Spaß: 65 %
Ich laufe für mehr Ausdauer: 64 %
Ich laufe, um Stress abzubauen: 62 %
Ich laufe, um mich besser zu fühlen: 61 %
Ich laufe, um mein Gewicht zu halten: 37 %
Ich laufe, um in Wettkämpfen Erfolg zu haben: 32 %
Ich laufe, um abzunehmen: 20 %
Ich laufe, um gut auszusehen: 18 %
Im Schnitt gab jeder Umfrageteilnehmer fünf Lauf-Gründe an. Der Spaß, das bewiesen die Daten, ist beim Laufen umso größer, je regelmäßiger man es tut: Von jenen, die angaben, sie liefen vor allem aus Freude, legen 71 Prozent mehr als 20 Kilometer in der Woche zurück. Nur jeder Zweite, der weniger als 20 Kilometer in der Woche lief, nannte Spaß als Motivationsgrund.
Viele Laufschuhe im Regal
Die Fragen nach Laufschuhen ergaben folgende Ergebnisse: 6,2 Paar Laufschuhe besitzt jeder Läufer im Durchschnitt. 2,8 Paar kaufte jeder Läufer in den vergangenen zwölf Monaten. 322 Euro gab jeder Läufer in den vergangenen zwölf Monaten für Laufschuhe aus – ein Paar kostete im Durchschnitt 130 Euro. 93 Prozent der Läufer planen, in den kommenden zwölf Monaten neue Laufschuhe zu kaufen. „Läufer rüsten sich immer mehr aus“, sagt Journalist Urs Weber. „Kaum einer mehr möchte beim Laufen billige Schuhe und alte T-Shirts tragen.“ So gab jeder fünfte Teilnehmer der Umfrage an, in den kommenden zwölf Monaten eine neue GPS-Uhr kaufen zu wollen.
Ebenso viele planen, sich Funktionswäsche zuzulegen, jede fünfte Frau möchte 2021 einen neuen Sport-BH kaufen. Kompression scheint out: Nur jeder Zehnte braucht Kompressionsstrümpfe, noch weniger sind an Kompressionskleidung interessiert.