Von 1991 bis 2018 stieg der Verkehrsaufwand im motorisierten Individualverkehr um 31 Prozent. Das betrifft die Fahrten sowohl mit dem Auto als auch mit Motorrädern. Sein Anteil am gesamten Personenverkehr reduzierte sich im betrachteten Zeitraum vom 81,6 Prozent auf 79,1 Prozent. In dieser Zeit erzielt der Luftverkehr mit 211 Prozent die höchste Zuwachsrate. Überraschender Weise nahmen im gleichen Zeitraum die weniger umweltbelastenden Verkehrsarten um 1 Prozent ab. So stellt sich die Frage, wo der Hebel zur Verkehrsreduzierung angesetzt werden kann?
Hin zur Klimaneutralität
Um Klimaneutralität im Verkehrssektor zu erreichen, ist ein Umdenken erforderlich. Sicherlich, neben der Elektrifizierung des Verkehrs kann die Vermeidung und Verlagerung von Fahrten zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Hierbei kann die Veränderung in der Arbeitswelt einen entscheidenden Beitrag liefern. Ein mehr an Homeoffice als auch weniger Geschäftsreisen reduziert sehr deutlich den Personenverkehr. Doch berücksichtigt werden muss, dass im Arbeitsleben der Kontakt zwischen Menschen weiterhin wichtig sein wird; sei es in der Abstimmung von Arbeitsschritten als auch in der Geschäftsanbahnung. Dass Homeoffice zur deutlichen Reduzierung des Individualverkehrs führt, wurde durch die „Großversuche“ im der Corona-Virus-Pandemie bewiesen. Das trifft auch für Geschäftsreisen zu. Hier befinden wir uns erst am Anfang eines Prozesses. Doch schon jetzt ist absehbar, dass eine Konzentration im Geschäftsreiseverhalten erfolgen wird. So könnte es sein, dass gerade Messen und ähnliche Großveranstaltungen einen erhöhten Zulauf erfahren werden, da dadurch das Reiseverhalten konzentriert und reduziert werden kann.
Verkehrsvermeidung
Trotzdem: Der Weg zu einem Nachhaltigen Verkehr ist ebenso notwendig wie schwierig zu gestalten. Eine Sonderauswertung des KfW-Energiewendebarometer zeigt das hierbei entstehende Spannungsfeld: Während sich eine deutliche Mehrheit der deutschen Haushalte (66,4 %) allgemein für eine stärkere Ausrichtung auf Verkehrsvermeidung ausspricht, finden konkrete Instrumente wie eine City-Maut oder höhere Parkgebühren deutlich weniger Zustimmung. Nur 22,9 % (City Maut) bzw. 26,4 % (Parkgebühren) der deutschen Haushalte würden die Einführung dieser beiden Instrumente befürworten. Das zeit: Individualität ist weiterhin Trumpf.
Allerdings zeigt sich in den Ergebnissen auch, dass die Zustimmung zu konkreten Maßnahmen mit der empfundenen Belastung durch den Verkehr spürbar ansteigt. So ist die Zustimmung zur City-Maut in Haushalten, die sich durch Schadstoffe stark betroffen fühlen mit 42,4% fast dreimal so hoch wie in Haushalten, die sich nicht betroffen fühlen (14,9 %). In dieses Muster passt auch, dass die Zustimmung zu den Maßnahmen in Städten, die im Mittel stärker durch Verkehr belastet sind, höher als auf dem Land ausfällt. Bei Haushalten, die von Schadstoffemissionen betroffen sind und in einer Großstadt wohnen, spricht sich sogar fast jeder zweite Haushalt für die Einführung einer City Maut aus (48,5 %). Auch bei anderen verkehrspolitischen Instrumenten wie höheren Parkgebühren (34,6 % betroffen; 17,1 % nicht betroffen) und einer Ausweitung von Tempo 30-Zonen (64,9 % betroffen; 47,9 % nicht betroffen) liegt die Zustimmung bei von Schadstoffen betroffenen Haushalten deutlich über dem Durchschnitt.
Spannend wird die Frage sein, wie es die Bundesbürger mit ihrer Urlaubsreise halten. Zwar wird auch in „nächster Zeit“ die Urlaubsreise ins Sauerland, in den Bayrischen Wald als auch an die Nord- und Ostsee gehen. Doch spätestens dann, wenn die „Virus-Grenzen“ wieder fallen, werden die Reiseträume nachgeholt, die aktuell unterbleiben müssen. Da geht’s dann auch wieder nach Ischgl, nach Portugal und in die DomRep.
Dilemma der Verkehrspolitik
Die Befunde offenbaren somit ein zentrales Dilemma der Verkehrspolitik. Die Belastungen, die von den Nebeneffekten des Verkehrs ausgehen, werden nicht von den Verursachern, sondern von den Anwohnern getragen. Die politischen Möglichkeiten zur Einführung von mildernden Maßnahmen sind zudem beschränkt. Selbst auf kommunaler Ebene konzentrieren sich die resultierenden Belastungen auf einen Teil der Bevölkerung, während die Instrumente und Maßnahmen der Legitimation einer demokratischen Mehrheit innerhalb der Kommune bzw. Gesellschaft bedürfen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht führt dies führt dazu, dass das Schadensniveau ineffizient hoch ist.
Für das KfW-Energiewendebarometer werden jährlich etwa 4.000 Haushalten in Deutschland zum Thema Energiewende befragt. Die Studie gibt Aufschluss über die Einstellung der Haushalte zum Thema Energiewende, aber auch über ihre Ausstattung, geplante Anschaffungen von sowie über die Motivation der Nutzung und Hemmnisse bei der Anschaffung von Energiewendetechnologien. Die Umfrage wird durch infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH im Auftrag von KfW Research durchgeführt.