Über Geld spricht man nicht, man hat es, soll Jean Paul Getty gesagt haben. Er musste es wissen. Denn zu seiner Zeit war er der reichste Mann der Welt. Auch wenn sich die Zeiten seitdem geändert haben, ist Geld immer noch eines der größten Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Vor allem über Schulden und Geldanlage wird geschwiegen. Trotzdem ging luckx – das magazin dieser Frage nach.
Undenkbar
Auf einer Party über die letzte Gehaltserhöhung plaudern oder mit dem Nachbarn am Gartenzaun die Sondertilgungskonditionen des Immobilienkredits diskutieren – für viele sind Gespräche über Finanzen in der Öffentlichkeit undenkbar. Laut einer aktuellen Umfrage halten 70 Prozent der Deutschen Geld für ein Tabuthema. Besonders zurückhaltend sind die Bundesbürger, wenn es um ihre Schulden und die Geldanlage geht – rund 60 Prozent sprechen nur innerhalb ihres Haushalts über ihre Verbindlichkeiten und Anlagestrategien. „Geld ist noch immer das entscheidende Tabuthema in unserer Gesellschaft, stärker als Sexualität“, erklärt Psychologe und Buchautor Dr. Wolfgang Krüger. „Während inzwischen über persönliche Erfahrungen mit Sexualität in jeder zweiten Frauenfreundschaft geredet wird, ist man beim Geld deutlich zugeknöpfter. Vor allem Männer tauschen sich höchstens darüber aus, wie man an der Börse am besten Geld verdient.“
Wissen fehlt
Das Fehlen einer offenen Gesprächskultur trage maßgeblich dazu bei, dass viele Menschen zu wenig über Finanzen wissen, meint Karsten Rusch, Anlageexperte der Postbank: „Die Tabuisierung von Geld begünstigt das Verdrängen oder Ausblenden von Finanzthemen. So verpassen Menschen wertvolle Informationen und Impulse, die sich durch Gespräche über Finanzthemen ergeben könnten.“ Laut Umfrage schätzt knapp jeder dritte Deutsche (32 Prozent) seinen Wissensstand zum Thema Finanzen lediglich als mangelhaft oder unzureichend ein; acht Prozent geben zu, dass ihnen jegliches Finanzwissen fehlt. Immerhin knapp jeder zweite Befragte (47 Prozent) wertet sein Wissen in diesem Bereich als ausreichend. Nur knapp jeder Achte (13 Prozent) bezeichnet es als gut oder sehr gut. Solide Grundkenntnisse seien aber die Voraussetzung dafür, dass man das eigene Geld sinnvoll verwalten und anlegen kann, so Karsten Rusch. „Fehlt dieses Wissen, trifft man leicht die falschen Entscheidungen, legt das Geld unrentabel oder zu riskant an. Das kann fatale Konsequenzen haben, zum Beispiel bei der privaten Altersvorsorge. Das Niveau der gesetzlichen Rente sinkt immer weiter. Gleichzeitig wächst die individuelle Verantwortung für die finanzielle Vorsorge. Wem das nötige Finanzwissen fehlt, der ist dieser Herausforderung nicht gewachsen.“
In einer repräsentativen Online-Befragung interviewte Kantar im Auftrag der Postbank zwischen dem 11. und 21. Juni 2021 insgesamt 1.000 Befragte ab 18 Jahren.