Was ist sozial, was ist nachhaltig?

In den nächsten Jahren sollen jährlich 400.000 Wohnungen gebaut werden. Davon sollen 100.000 Wohnungen sozialen Kriterien genügen. Also zu günstigen Konditionen zu mieten sein. Doch wie soll das gelingen, wenn zwar die Kaltmieten sozialen Ansprüchen genügen, doch die Nebenkosten – hier insbesondere Heizungs- und Strompreise – in den Himmel schießen. Luckx – das magazin hat recherchiert, welche Lösungen sich anbieten.

Städtisches Quartiersmanagement

Begonnen hat alles mit dem Quartiersmanagement in sozialen Brennpunkten. Vereinfacht darstellen lässt es sich so, dass die Ursachen wie wirtschaftliche Schwäche, hohe Zuwanderungen benachteiligter Bevölkerungsgruppen in vernachlässigtem, überalterten Gebäuden beseitigt werden sollten. Diese komplexe Problemlage lässt sich aber nicht ohne Weiteres in den Griff bekommen. Die mit der Situation überforderten Nachbarschaften und Vierteln, gekennzeichnet durch niedrige Einkommen, hohe Arbeitslosigkeit, schlechte Bausubstanz, einen Mangel an Nachbarschaftshilfe, lässt sich – so die Annahme – nur mit einem integrativen Ansatz lösen. Eine Lösungsstrategie bedarf des Zusammenwirkens von sozialer Arbeit, Wirtschaftsförderung, Stadtplanung, Bildungs- und Kulturarbeit.

Seit einigen Jahren haben institutioneller Investoren großes Interesse an großvolumige, gemischt genutzte Quartiersentwicklungen in ihr Portfolio aufgenommen. 2019 flossen etwa neun Milliarden Euro in Quartiere und Quartiersentwicklungen, acht Mal so viel wie noch 2013. Und selbst im Pandemiejahr 2020 war das Volumen für Quartiersinvestitionen mit mehr als fünf Milliarden Euro überdurchschnittlich. „Trotz eines Rückgangs des Transaktionsvolumens im Pandemiejahr ist damit zu rechnen, dass durch die multifunktionale Durchmischung von Quartieren und die steigenden Anforderungen an eine Risikodiversifikation Quartiere weiterhin stark nachgefragt werden“, sagt Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland.

Der vorgelegte Report verdeutlicht aber auch, dass der Quartiersbegriff von vielen Akteuren derzeit mehr als Vermarktungsbegriff verstanden wird. Eine allgemeingültige inhaltliche Abgrenzung fand bis dato nicht statt. „Quartiere sind grundsätzlich multidimensional zu verstehen. Sie sollten funktional in den umliegenden Stadtraum integriert sein und ihre einzelnen Bestandteile müssen miteinander verknüpft sein. Dabei trägt ein breiter und vielfältiger Nutzungsmix wesentlich zum Erfolg eines Quartiers bei“, so Jirka Stachen, Team Leader Research bei CBRE.

Funktionalität und den Nutzungsmix

Unterschiedliche Nutzungen in mehreren oder einzelnen Gebäuden, die eng miteinander verwoben sind und sich gegenseitig unterstützende Funktionen bieten, sind essenziell für den langfristigen Erfolg eines Quartiers“, sagt Stachen. Synergien zwischen den Nutzergruppen sorgen für Resilienz gegenüber ökonomischen und gesellschaftlichen Trends. Der Nutzungsmix ist auch als Funktionsergänzung im städtischen Raum zu sehen. Dabei müssen alle Nutzerbedürfnisse eines Quartiers berücksichtigt werden, kommerzielle ebenso wie soziale. Aufenthaltsqualität fungiert als Erfolgsindikator und wird durch begrünte Flächen, den Zugang für die Öffentlichkeit und vor allem durch den Nutzungsmix mit 24/7-Nutzung mit der damit einhergehenden Belebung des Quartiers gewährleistet. Das Sicherheitsgefühl der Nutzer sollte bei der Konzeption von Aufenthaltsorten innerhalb des Quartiers ebenfalls im Fokus stehen. Die Herausforderung besteht jedoch darin, den passenden Nutzungsmix für die spezifische Situation des Quartiers zu entwickeln, „One-size-fits-all“-Konzepte greifen hierbei regelmäßig zu kurz.

Kategorie Infrastruktur

Neben dem Nutzungsmix bestimmt die Erreichbarkeit die Akzeptanz im Stadtgefüge eines Quartiers. „Infrastrukturen dienen insbesondere zur Verbindung des Quartiers mit dem Stadtgefüge“, sagt Linsin. Ausgebaute Straßenverläufe, gut erreichbarer und ausgebauter ÖPNV, Parkmöglichkeiten für alle Fahrzeugtypen sowie das Angebot von Shared Mobility sind maßgebliche Erfolgskriterien. Kurze Wege innerhalb des Quartiers mit entsprechendem Fußgänger- und Radwegenetz mit Anbindung an die angrenzenden Stadträume sind essenziell. Dabei geht es nicht nur um die schnellstmögliche verkehrliche Vernetzung, beispielsweise im Rahmen einer 15-Minuten-Stadt, sondern vor allem auch um Verkehrsvermeidung. Lokale Angebote, zum Beispiel ein Lebensmittelgeschäft oder soziale Einrichtungen für Kinder und ältere Menschen, können dazu beitragen, dass zusätzliche Fahrten vermieden werden.

Kategorie Identität

Eine wahrnehmbare und vor allem positiv besetzte Identität eines Quartiers führt dazu, dass sich Nutzer mit ihrer Umgebung und dem Layout der gebauten Umwelt identifizieren, sich langfristig im Quartier einbringen, dieses beleben und es damit letztendlich auch annehmen. „Die Identifikation mit einem Quartier trägt maßgeblich dazu bei, dass sich Nutzer und Bewohner dort wohlfühlen“, sagt Stachen.

Neu errichtete Quartiere stehen vor der Herausforderung, innerhalb kürzester Zeit einen Charakter zu entwickeln. Sie müssen nach außen die Distanz zur Umgebung reduzieren, nach innen die Interaktion zwischen den Nutzern erhöhen und eine eigne Identität entwickeln. Eine offen gestaltete, die einzelnen Häuser eines Quartiers verbindende Architektursprache, der öffentliche Zugang unterschiedlicher Interessengruppen und eine individuelle, städtebauliche Gestaltung unterstützen bei der Identitätsbildung. Fortsetzung hier.

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