Zerstörte Wälder

Der Borkenkäfer, verfehlte Waldbaupolitik und der Klimawandeln setzen den Harzer Wäldern zu. Dabei gilt der Harz eigentlich ein Muster an nachhaltiger Forstwirtschaft seit über 300 Jahren. Luckx – das magazin hat recherchiert.

Holzproduktion

Als der Bergbau den natürlich Holzbestand der Harzer Wälder aufgebraucht hatte, war das Geschrei groß. Mehr Holz musste her. Und zwar schnell. Also wurden schnellwachsende Holzsorten angebaut. Natürlich in Monokultur mit allen Nachteilen, die es so gibt. Doch kann das den damaligen Verantwortlichen angelastet werden? Könige, Herzöge und Fürsten wollten soviel Geld wie möglich aus dem Erzbergbau gewinnen. Damit entstanden solche Prunkbauten wie die Herrenhäuser Gärten – zum Wohle einiger weniger. Die Harzer Bevölkerung, die das alles erarbeitet hat, konnte so einen Garten nicht nutzen. Denn sechs Tage Arbeit von morgens bis in die Nacht machte einen sonntäglichen Fußweg von über 100 Kilometer (eine Richtung) unmöglich.

Aktuell scheint soviel Holz wie nie vorher in den Harzer Wäldern zu stehen. Auch wenn der Borkenkäfer, massiver Holzeinschlag, der dann auch Windwurf und Windbruch begünstigte, am Bestand nagt. Der Klimawandel wirkt gleichsam als Katalysator und diktiert mit rasantem Tempo den Neubeginn. Die Niedersächsischen Landesforsten reagieren auf das Fichtensterben mit einer forcierten Wiederbewaldung. Innovationen aus der Weltraumforschung und der Einsatz von Drohnen helfen den Harzer Forstleute ebenso wie neue Ressourcen an Pflanztechnik, hochwertiges Saatgut und Baumarten mit besseren Überlebenschancen.

Waldumbau

Der Harzwald mit Fichten bis zum Horizont ist ein Auslaufmodel“, sagt Ralf Krüger. „Wir ersetzen laufend die vielerorts abgängigen Nadelwälder. Sie sind Relikte aus der Holznot im 19. und 20. Jahrhundert und haben den 1985 begonnenen ökologischen Waldumbau überdauert. Die Zukunft gehört alten bekannten Baumarten wie Ahorn, Buche, Birke, Eiche, Erle, Elsbeere, Linde, Ulme und Lärche, Douglasie, Kiefer“, zählt der Forstamtsleiter vom Forstamt Clausthal auf. „Als Newcomer liegen seit vier Jahren verstärkt Roteichen und Weißtannen in unserem Baukasten der Baumarten für Übermorgen“, ergänzt Krüger das Sortiment an Waldbäumen, mit denen die Harzer Forstleute die Fichten von Vorgestern kompensieren und den Klimawandel bekämpfen wollen.

Der chronische Mangel an Pflanzen, eine kurze Pflanzsaison und permanente Störungen durch Stürme und Borkenkäfer sind nur einige Hindernisse bei der Wiederbewaldung. Dagegen verwenden Forstleute immer häufiger innovative Technik und nutzen neue Ressourcen, um die rasch absterbenden Fichtenwälder aufzuforsten. Jüngst erprobten sie gemeinsam mit Wissenschaftlern erstmalig den Einsatz einer Drohne zur Aussaat von Erlen-, Birken- und Hochlagen-Fichtensamen. Im steilen Gelände oberhalb von Sieber starten sie einen Versuch, um sieben Hektar neuen Wald zu begründen, der am Höhenzug Auf dem Acker von Borkenkäfern zerstört war. Zum Forst-Alltag gehören weiterhin Fotos aus dem Weltall. Satellitenkameras liefern Bilder von gesunden und abgestorbenen Bäumen, erfassen Freiflächen und nachwachsenden Wald – wichtiges Datenmaterial und Hilfestellung, um Waldverluste zu berechnen, Aufforstungsflächen zu ermitteln und den Bedarf an neuen Pflanzen zu bestellen.

Neuer Harzwald

Ein Baustein bei unserer Strategie, den künftigen „Harzwald 2.1.“ bis Ende des 21. Jahrhunderts zu transformieren, ist zum Beispiel die Weißtanne“, beschreibt Hans-Martin Hauskeller eine von verschiedenen Möglichkeiten. „Wir setzen verstärkt Weißtannen als Containerpflanze mit Mutterboden und kompakter Wurzel bereits im Spätsommer. Konventionelle, wurzelnackte Baumschul-Setzlinge würden dann vertrocknen und können nur von Herbst bis Frühjahr gepflanzt werden“, so der Leiter der Abteilung Wald und Umwelt in der Betriebsleitung der Landesforsten. Außerdem werden Weißtannensamen mit einem Bagger und neuerdings sogar mit einem Harvester in den Waldboden verteilt. „Die Nadelbäume gelten als weniger trockenanfällig, wurzeln tiefer als Fichten und vertragen sich gut in einem Mischwald, den wir spätestens im Jahr 2100 flächig anstreben“, so Forstwissenschaftler Hauskeller und ergänzt: “Bei den bisherigen Aussaaten hat sich gezeigt, dass Weißtannen aus den Karparten bei uns besser gedeihen als aus dem Bayrischen Wald oder Schwarzwald.“

Eine andere Innovation ermöglicht es, übergroße Bäume zu pflanzen. Da kleine, handliche und wenige Jahre alte Pflanzen am Markt begehrt und schwerer zu bekommen sind, weichen Forstbetriebe auf mannshohe Baumschulpflanzen aus. Diese sogenannten Heister benötigen ein großes Pflanzloch, das nur ein Kleinbagger herstellen kann. Sind die abgestorbenen Fichten von der Fläche geräumt, können Eichen-Heister nahtlos die nächste Waldgeneration bilden. Ob Winterfrost, Sommertrockenheit oder feuchte Füße – Eichen gelten als Zukunftsbäume, denen im Szenario der Erderwärmung höhere Überlebenschancen zugesprochen werden. „Letztlich weiß keiner wohin die Reise mit dem Klimawandel geht. Wir haben in diesem Jahr wieder einen Rekord in den vier Harz-Forstämtern aufgestellt und 2,3 Millionen neue Bäume im Landeswald gepflanzt. Mit einer größtmöglichen Vielzahl an unterschiedlichen Baumarten streuen wir das Risiko, falls bestimmte Arten das Rennen nicht schaffen“, zieht Ralf Krüger seine Bilanz am Ende der Pflanzsaison. „Unsere Kinder und Enkel werden hoffentlich von der mutigen Entscheidung profitieren, dass wir nicht alles auf die eine Karte setzen, die lautet: Die Natur hilft sich selbst!“

Doch bis es soweit ist, wird der Harzer Wandersmann und die Wandersfrau durch einen sterbenden Harz seine Wege gehen. Da kommt nicht unbedingt Freude auf – wohl eher Frust. Insbesondere dann, wenn guter Waldbestand großflächig entnommen wird und für die immer heftig werdenden Stürme für den Restwald eine gute Angriffsfläche bieten. Das hat der März 2022 gezeigt, wo tausende Bäumen umstürzten. Zwar entstanden nun viele Freiflächen, die bepflanzt werden können. Doch sicherlich war so der Waldumbau nicht gedacht.