Taktgeber

Ein einziger Muskel ist der Taktgeber für unser Leben: Der Herzmuskel. Unaufhörlich schlägt das Herz Tag ein und tagaus. In der Nacht, wenn wir schlafen genauso wie beim Sport. Doch was ist los, wenn es den Takt verliert? Luckx – das magazin hat recherchiert.

Unregelmäßigkeiten

Wenn das Herz unregelmäßig schlägt, fühlen sich Menschen am Anfang nicht sonderlich beeindruckt. Mal wurde es auf eine psychische Belastung wie Aufregung, dann auf eine physische Belastung wir Sport geschoben. Doch diese Unregelmäßigkeiten können Herzrhythmusstörungen sein, die unbedingt geklärt werden müssen. Für Betroffene sind sie irgendwann mit Ängsten, hohem Leidensdruck und Leistungseinbußen verbunden. Rund 1,5 bis 2 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Vorhofflimmern, der häufigsten anhaltenden Herzrhythmusstörung. Das Risiko, dass das Herz unregelmäßig schlägt, steigt mit zunehmendem Alter an. Ab 55 Jahren beträgt es fast 40 %. Beschwerden, die durch Vorhofflimmern verursacht werden, sind zum Beispiel Herzrasen, Luftnot, Brustschmerzen, Schwindel oder auch eine eingeschränkte Belastbarkeit. Es gibt aber auch Menschen, bei denen verursacht das Vorhofflimmern gar keine Symptome. Bei ihnen wird die Diagnose meist zufällig gestellt.

Risiko Schlaganfall

Die Folgen eines unerkannten und unbehandelten Vorhofflimmerns können gravierend sein. So erhöht sich das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden um das Fünffache. „Schätzungsweise 20 bis 30 Prozent aller Schlaganfälle gehen auf Vorhofflimmern zurück“, betont Prof. Dr. med. Stephan Willems, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung und Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin in der Asklepios-Klinik St. Georg in Hamburg. Bei manchen Menschen kann Vorhofflimmern, vor allem bei hoher Herzfrequenz (Puls), zu einer Herzschwäche führen. „Es ist daher wichtig, Vorhofflimmern frühzeitig zu erkennen und zu behandeln“, so der Herzspezialist.

Der unregelmäßige Herzschlag tritt zunächst nur kurz, anfallsartig und selten auf. Die Mediziner sprechen vom „paroxysmalen Vorhofflimmern“. Unbehandelt schreitet die Erkrankung fort. Es folgen andauernde und häufig auftretende Episoden, bis das Vorhofflimmern schließlich dauerhaft vorhanden ist. Es handelt sich dann um ein „persistierendes Vorhofflimmern“.

Katheterablation als Heilmittel

Ursache des Vorhofflimmerns sind Herzmuskelfasern, die vom linken Vorhof in die Lungenvenen ragen. Die Lungenvenen sind dafür verantwortlich das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge in das linke Herz zu transportieren. Diese Muskelbrücken senden störende elektrische Signale aus und bringen den Herzschlag durcheinander. Um ihn wieder zu normalisieren, gibt es die Möglichkeiten, den Herzschlag mit Medikamenten zu verlangsamen oder auch wieder in den richtigen Takt zu bringen. Dies war viele Jahre der Therapiestandard. Die andere Option, mit einem minimalinvasiven Eingriff, einer sogenannten Katheterablation, die Störung direkt am Herzen zu beseitigen, hält mehr und mehr Einzug in die Kardiologie. Der Katheter ist ein feiner Kunststoffschlauch, der – unter vorheriger Gabe eines leichten Beruhigungsmittels und örtlicher Betäubung – über die Leistenvene zum Herzen vorgeschoben wird.

Am Ende des Katheters können Hitze, Kälte oder Mini-Stromstöße gezielt die für die „Störfeuer“ verantwortlichen Herzmuskelfasern veröden. Ziel ist es, sie dauerhaft auszuschalten. „Studien haben gezeigt, dass die Katheterablation der medikamentösen Therapie hinsichtlich des langfristigen Erhalts des normalen Herzrhythmus‘ überlegen ist“, erklärt Prof. Willems. „Mithilfe der Katheterablation kann das Vorhofflimmern sogar mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 bis 90 Prozent geheilt werden, je nachdem wie lange es schon besteht.“

Neue Technik lässt Störfeuer versiegen

Hier einige der wesentlichen Verfahren im Überblick, die die Herzspezialisten bei einer Katheterablation anwenden:

Bei der „Hochfrequenzstrom-Ablation“, lange Zeit der Goldstandard in der Katheterablation, vernarben sie die Herzmuskelfasern, die in die Lungenvenen ragen und das Wirrwarr der elektrischen Signale verursachen, punktgenau mit einer Energie von 25 bis 40 Watt für zirka 30 bis 60 Sekunden.

Die ersten Katheterablationen erfolgten lediglich unter Röntgenkontrolle. Bei der Hochfrequenzstrom-Ablation kommen zusätzlich dreidimensionale Mappingsysteme zum Einsatz. Sie erstellen computergestützt eine geometrische Karte des Herzinneren, zeigen sehr präzise die Störungen der elektrischen Erregung des Herzens und ermöglichen, diese treffsicher mit dem Katheter zu behandeln. Durch Verwendung des dreidimensionalen Mappingsystems kann der Untersucher die notwendige Röntgenstrahlung reduzieren.

Neu und eine Optimierung der „Hochfrequenzstrom-Ablation“ ist das „High Power Short Duration (HPSD)“-Verfahren (hohe Energie, kurze Dauer), bei der die Ärzte für 4 bis 7 Sekunden eine Energie von 70 bis 90 Watt verwenden. Die kurze und starke Hitzeeinwirkung erlaubt es, die Störzellen noch fokussierter zu veröden und umliegendes Gewebe zu schonen. Die Behandlungsdauer ist kürzer, sicherer und wirkt langfristig besser. Das lassen klinische Studien vermuten.

Bei der „Kryo- oder Kälteablation“ bringen die Fachärzte mit dem Katheter einen „Kryoballon“ vor jede Lungenvene und kühlen diese für 2 bis 4 Minuten auf minus 40 bis minus 60 Grad Celsius herunter. „Kryos“ ist altgriechisch und bedeutet „Eis“. Dieses Verfahren wird wie auch die anderen Techniken stetig weiterentwickelt.

Die „Pulsed Field Ablation“ (PFA) ist eine völlig neuartige Technologie für die Katheterablation, die erst seit Kurzem verfügbar ist. Sie wird auch als „Elektroporation“ bezeichnet. Mithilfe des Katheters werden zielgenau ultraschnelle elektrische Felder erzeugt. Diese führen zu mikroskopisch kleinen Poren in den Membranen der Herzmuskelzellen, die mit ihren Signalen das Herz aus dem Takt bringen. Die Zellen sterben ab, die Störfeuer versiegen, das angrenzende Gewebe wird nicht beschädigt. Wie bei der „Kryo- oder Kälteablation“ wird jede Lungenvene einzeln behandelt.

Die Hochfrequenzstrom- und die Kälteablation sind, was Sicherheit und Erfolg insbesondere bei der Behandlung von Patienten mit „paroxysmalem Vorhofflimmern“ angeht, gleichwertig und gut geeignet. Die Kryoablation bietet ein schnelles und schonendes Verfahren zur Behandlung von Vorhofflimmern.

Die PFA ist eine sehr effektive und schonende Methode mit nur wenig Komplikationen“, erklärt der Hamburger Herzspezialist Willems. „Es stehen allerdings noch umfangreiche Studien aus, aber der berichtete Erfolg erster Untersuchungen scheint vielversprechend.“