Wo ist der Winter?

Es scheint gerade so, dass der alpine Skisport gerade gegen die Wand gefahren wird. Da plant der internationale Skiverband für diese Tage ein alpines Abfahrtsrennen am Matterhorn – und das muss nun abgesagt werden, wie luckx – das magazin recherchierte.

Wintersport ade?

Was war der Wintersport schön ohne Umweltschutz und Klimawandel. Zwar gab es immer schon Winter mit viel und wenig Schnee. Doch das war und ist einfach der Natur geschuldet. Doch seit einigen Jahren zieht dieses Argument nicht mehr. Der Klimawandel lässt den Wintersport im wahrsten Sinne des Wortes dahinschmelzen. Die Wintersportdestinationen versuchen durch immer mehr künstlicher Schneeproduktion der Verfall aufzuhalten. Ob der Wettlauf mit dem Klimawandel gelingt, bleibt offen.

Der Klimawandel verändert den Wintersporttourismus nachhaltig: Darüber waren sich alle Experten einig, die im Rahmen des vierten Jahresdialogs des Bayerischen Zentrums für Tourismus (BZT) zum Thema „Klimawandel & Winter(sport)tourismus“ diskutierten. Die aktuellen Herausforderungen erfordern ein Umdenken der Branche – und individuelle Maßnahmen von den einzelnen Destinationen. „Der Klimawandel hat starke Auswirkungen auf den Tourismus im Allgemeinen, der Wintersporttourismus ist davon in besonderer Weise betroffen“, erklärte zu Beginn Dr. Maximilian Witting, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Mensch-Umwelt-Beziehungen an der LMU in München. Im Zuge seines einleitenden Vortrags betonte er, dass der Wintersporttourismus für viele Regionen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor sei, der vielerorts durch das sich verändernde Klima bedroht sei. „In Bayrischzell beispielsweise prognostizieren wir für die 2030er Jahre – je nach Szenario – einen klimawandelbedingten Umsatzeinbruch zwischen 6,1 und 20,5 Prozent. Um dem entgegenzuwirken, müssen die Destinationen individuelle Strategien entwickeln, um das eigene Geschäftsmodell zu diversifizieren und neue Zielgruppen zu erschließen.“ Dass dies keine einfache Aufgabe ist und dies Auswirkungen auf die zukünftige Gästestruktur hat, zeigen die folgenden Modellrechnungen: Um die Umsatzeinbrüche aus dem Wintergeschäft zu kompensieren, müssten in Bayrischzell bereits bis in die 2030er Jahre zwischen 54.000 und 216.000 Wanderer respektive zwischen 11.000 und 45.000 Wellnesstouristen für einen Aufenthalt gewonnen werden.

Weniger Wintersportorte

In dem vom wissenschaftlichen Leiter des BZT, Prof. Dr. Jürgen Schmude, moderierten, digitalen Dialog erörterte Witting des Weiteren, dass die Anzahl der Wintersportgebiete, insbesondere in den Mittelgebirgen sowie im vorderen Alpenvorland, mittelfristig zurückgehen werde. Zudem forderte er ein Umdenken beim sozialen Diskurs zum Thema Klimawandel und Wintersporttourismus in Bezug auf die Planung von Maßnahmen. Nicht zuletzt sei es erwiesen, „dass rund 70 bis 80 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines Wintersporttouristen auf die An- und Abreise entfällt.“

Ralph Lambert, Geschäftsführer im Outdoorzentrum Bullhead House in Warmensteinach in Oberfranken, führte aus, wie sich sein Betrieb hinsichtlich des Klimawandels in der jüngeren Vergangenheit neu definiert hat. „In den Mittelgebirgen trifft der Klimawandel uns als Erstes. Daher haben wir in den letzten Jahren einiges investiert, um den Fokus weg von überwiegend Wintersporttourismus hin zu einer ganzjährigen Outdoordestination zu schärfen und so unabhängiger von den Winterumsätzen zu werden.“ Generell seien dabei zwischen Sommer- und Wintertouristen deutliche Unterschiede festzustellen: „Sommertouristen sind ohne Frage nachhaltiger, geduldiger und gelassener.“

Auch im professionellen Wintersport ist der Klimawandel ein großes Thema, wie die erfolgreiche Biathletin Vanessa Hinz eindrucksvoll darlegte: „Wir sind immer öfter auf der Suche nach dem Winter und müssen kontinuierlich in höhere Lagen und kältere Regionen ausweichen.“ Den Wettkampfbetrieb sieht sie dennoch nicht in Gefahr, da das öffentliche Interesse an Wintersportwettbewerben nach wie vor sehr hoch sei und deswegen von Seiten der Veranstalter sehr viel investiert werde, um alle Veranstaltungen planmäßig durchführen zu können. „Im Nachwuchsbereich sind die Auswirkungen allerdings deutlich zu spüren, hier fallen immer häufiger Trainingsmöglichkeiten und Wettkämpfe weg.“ Für die Zukunft des Biathlons kann sich die Weltmeisterin von 2017 eine zumindest temporäre Abkehr vom Winter vorstellen: „Immer mehr Wettkämpfe werden auf Rollski ausgetragen, zuletzt die Sommer WM vor ein paar Monaten. Wenn das Interesse der Öffentlichkeit entsprechend gegeben ist, ist eine solche Entwicklung also durchaus denkbar.“

Ob das Verständnis in der Bevölkerung für den Wintersport weiterhin vorhanden sein wird, müssen die Skiverbände durch ihre Verhaltensänderung beweisen. Jedenfalls hat niemand in der sehr auf den Umweltschutz konzentrierten Gesellschaft für solche Eskapaden wie am Matterhorn Verständnis. Kurzfristig werden zwar Veranstaltungen abgesagt, mittelfristig schadet es den Wintersportdestinationen und langfristig verschwindet der Wintersport aus der Gedankenwelt. Die Skiverbände werden unbedeutend und lösen sich auf. Schade für schöne Sportarten.