Aktiv gegen Mikroplastik

Die Absicht ist gut. Doch bis es soweit ist, wird wohl noch viel Rheinwasser aus dem Bodensee Richtung Nordsee fließen. Bisher soll eine Absichtserklärung die Bodenseeanrainer zu einer Selbstverpflichtung animieren, wie luckx – das magazin erfuhr.

Freiwillig

Freiwillig ist immer gut, weil dann staatliche Vorgeben nicht unbedingt erforderlich sind. Doch bei der Freiwilligkeit muss auch ein deutliches Bekenntnis zu mehr Umweltschutz als nur „Greenwashing“ herauskommen. Doch anscheinend sind die Kommunen rund um den Bodensee im Kampf gegen (Mikro-)Plastik bereit, Vorreiter zu werden. Bodensee-Stiftung und Global Nature Fund, beide mit Sitz in Radolfzell, haben mit Vertreterinnen und Vertretern von Städten und Gemeinden an Bodensee und Chiemsee im Rahmen des Projekts „Blue Lakes“ ein „Seenpapier“ mit konkreten Handlungsvorschlägen ausgearbeitet. Kommunen sind dazu eingeladen, das Seenpapier als freiwillige Selbstverpflichtung zu unterzeichnen, um Bürgerinnen und Bürger für ihren alltäglichen Plastikverbrauch zu sensibilisieren und mit effektiven Maßnahmen das Engagement der Kommune für den Erhalt der Lebensqualität am Bodensee aufzuzeigen.

Selbstverpflichtung

Das Seenpapier setzt zum einen auf die Reduzierung von Plastikabfall und zum anderen auf den Einsatz technologischer Lösungen zur Verhinderung des Eintrags der Kunststoffteilchen in den Bodensee. „Die Unterzeichnung des Seenpapiers ist ein starkes Signal dafür, sich aktiv für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger und unserer Gewässer einzusetzen und darüber hinaus eine Chance, Gemeinden als nachhaltige Reiseziele zu positionieren“, sagt Dimitri Vedel, Projektleiter seitens der Bodensee-Stiftung. „Plastikmüll ist immer menschlichen Ursprungs“, stellt er heraus und fügt hinzu: „Ist es einmal im Ökosystem angelangt, ist es nahezu unmöglich, Mikroplastik wieder daraus zu entfernen.“ Die Bodensee-Kommunen können aus Sicht der Bodensee-Stiftung eine Vorreiter- und Schlüsselrolle im Kampf gegen Mikroplastik einnehmen. Das Seenpapier schlägt ihnen eine Reihe konkreter Handlungsmöglichkeiten vor. Im Rahmen der freiwilligen Selbstverpflichtung können die Kommunen festlegen, welche Mittel sie bis wann ergreifen wollen. Die Bodensee-Stiftung unterstützt die teilnehmenden Kommunen in enger Partnerschaft bei der Planung und Umsetzung von Maßnahmen.

Maßnahmen beziehen sich auf 15 Alltagsbereiche

In das Seenpapier sind umfassende Recherchen zu Mikroplastik, Befragungen von Expertinnen und Experten und Ergebnisse von Runden Tischen an den deutschen Projektseen Bodensee und Chiemsee eingeflossen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen beziehen sich auf 15 Bereiche des öffentlichen Lebens – von Angelsport bis Wochenmarkt. Zum Beispiel Sport: Kunstrasenplätze sind in der Regel mit Mikroplastikgranulat verfüllt. Eine unsachgemäße Wartung, verstopfte Auffangrillen bei Regenereignissen oder fehlende Abbürst-Stationen für Sportschuhe können das Granulat auf Abwege bringen. Als eine Lösung schlägt das Seenpapier alternatives Füllmaterial vor. Weitere Maßnahmen betreffen zum Beispiel Landwirtschaft und Gartenbau, Unternehmen, Gastronomie und Gebäudesanierungen.

Ist Wasser mit Mikroplastik belastet, können es herkömmliche Kläranlagen nicht vollständig herausfiltern. Perspektivisch werden Kläranlagen nach europäischer Verordnung auch Mikroplastik entfernen müssen. Die frühzeitige Ausstattung mit einer zusätzlichen Reinigungsstufe sei laut Seenpapier trotz der Investitionskosten zu überdenken. Auch hierzu kann die Bodensee-Stiftung beraten. Erst jüngst hat sich eine Expertengruppe aus Mitarbeitenden von Kommunalverwaltungen, Kläranlagen und Naturschutzzentren an der Universität Marken in Italien über im Rahmen des Blue-Lakes-Projekts entwickelte innovative Filtertechnologie informiert.

Kosten sparen

Die Bodensee-Stiftung ermuntert die Kommunen, bei der Umsetzung des Seenpapiers ihr eigenes Tempo zu finden und ermutigt sie zur Beteiligung mit dem Hinweis, dass die Maßnahmen auch positive finanzielle Effekte erreichen. „Beim Müll zum Beispiel: Jede Müllvermeidung schont den Haushalt, ob in der Beschaffung oder bei der Entsorgung“, sagt Dimitri Vedel. So auch im Tourismus: Mehrwegsysteme für den Gastronomiebereich und in Sanitärräumen und Badezimmern könnten mit Einsparungen verbunden sein.

Als Mikroplastik werden gemeinhin Kunststoffteilchen bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter sind. Die Fragmente können durch verschiedene chemische und physikalische Prozesse in noch kleinere Teile zerfallen, wie durch UV-Strahlung, Wind, Wellen, Mikroben oder höhere Temperaturen. Sie gehen zum Beispiel auf Verpackungsmüll, Granulat von Kunstrasenplätzen und zum großen Teil auf Reifenabrieb zurück.

Die Plastikfragmente schädigen Ökosysteme und die Artenvielfalt. Über die Nahrungskette gelangen die Kunststoffpartikel auch in den menschlichen Körper. Untersuchungen der Universität Newcastle zufolge konsumieren Menschen bis zu fünf Gramm Mikroplastik pro Woche.

Nachweis von Mikroplastik auch in Bodensee-Fischen

Noch hat die Verschmutzung des Bodensees durch Mikroplastik nicht das Ausmaß wie es von Weltmeeren bekannt ist. Doch ist bei Untersuchungen der Fischereiforschungsstelle in Langenargen auch in Fischen im Bodensee Mikroplastik nachgewiesen worden. Umweltbehörden verschiedener Bundesländer, darunter auch Baden-Württemberg, haben in einer Pilotstudie 25 Flüsse in Süd- und Westdeutschland untersucht. In jeder einzelnen Probe wurden Kunststoffe gefunden. Rund 99 Prozent der nachgewiesenen Partikel hatten einen Durchmesser von weniger als fünf Millimetern.