Es ist schon völlig unverständlich, wenn Elektromobilität als nachhaltig deklariert wird. Sowohl bei der Produktion als auch beim Betrieb entstehen eine Vielzahl von Schadstoffen, deren Auswirkungen zwar bekannt, aber ignoriert werden. Wie es unter Einsatz der bisherigen Produktionsmöglichkeiten zu einer nachhaltigen Mobilität kommen kann, hat luckx – das magazin recherchiert.
Klimaneutral
Wir haben sie bisher nicht oder nur in geringem Umfang genutzt: Dabei sind Sonne und Wind unerschöpfliche Ressourcen. Das gilt global. Lokal betrachtet sieht das anders aus. Wind- oder sonnenarme Regionen können ihren Energiebedarf nicht oder höchstens teilweise aus diesen Quellen decken. In Deutschland beispielsweise laufen Windräder durchschnittlich nur etwa 66 Tage im Jahr unter Volllast, weil sie unter anderem teilweise zwangsweise abgeschaltet werden. Sie lieferten 2022 laut Bundesnetzagentur 25,9 Prozent des verbrauchten Stroms. Weltweit gibt es derzeit rund 1,3 Milliarden Bestandsfahrzeuge, die noch viele Jahre mit einem Verbrennungsmotor unterwegs sein werden. Und um diese umweltfreundlicher zu betreiben, braucht es andere Lösungen als die Elektromobilität. Beispielsweise nahezu CO₂-neutral hergestellte synthetische Kraftstoffe, die sogenannten eFuels.
Die Produktion von Batterien für die Elektromobilität ist weder klimaneutral noch umweltfreundlich. Und wenn dann mindestens 700 Kilogramm Batteriepacks in einem Auto montiert sind, wird erheblich mehr Energie zum Fortkommen benötigt. Dass es weiterhin aus ausreichender Energieversorgung – sprich Stromversorgung und der notwendige Ladeinfrastruktur mangelt – ist kein gehütetes Geheimnis. Das erfahren E-Fahrer täglich. Das sie darüber hinaus noch an den Ladestationen mit hohen Preisen abgezockt werden, fördert nicht den Umstieg auf diese Fahrzeuge.
Automobilindustrie ist ideenreich
Die deutsche Automobilindustrie ist bekannt für ihren Ideenreichtum. Schon heute sind Diesel- und Benzinmotoren ohne oder mit nur geringen Schadstoffausstoß im Markt vorhanden. Darüber hinaus können Verbrennungsmotoren potenziell nahezu CO₂-neutral betrieben werden. Die Lösung sind synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff. Notwendig ist dabei deren Herstellung aus erneuerbarer Energie.
Warum erscheint dies so einfach zu sein? Die aktuellen Motorengenerationen werden in einem extrem ökonomischen und ökologischen Prozess auf den vorhandenen Anlagen hergestellt. Bei Fahrzeugen mit Efuels erfolgt die Kraftstofflagerung im Fahrzeug in dem vorhandenen Tank. Bei Wasserstoff ist es etwas aufwändiger. Es müssen neue Tanks verbaut werden. Nach bisherigen Erkenntnissen reicht ein Kilogramm Wasserstoff für ein Mittelklasseauto für etwa 100 Kilometer. Mit 10 Kilogramm können also rund 1.000 Kilometer Fahrtstrecke absolviert werden. Doch diese Tanks sind deutlich größer als die in bisherigen Fahrzeugen und müssen druckfest sein. Doch auf dafür gibt es schon Lösungen.
Porsche Pilotprojekt in Patagonien
Punta Arenas liegt im äußersten Süden Chiles in der Region Patagonien. Die südlichste Großstadt der Welt mit ihren rund 130.000 Einwohnern gilt als wichtigstes Handelszentrum an der Westküste der Magellanstraße – und ist eine windige Angelegenheit. Unablässig wehen hier Starkwinde aus fast immer derselben Richtung über eine karge Landschaft. Ihre Kraft verformt Bäume zu bizarren Skulpturen. Flagtrees – Flaggenbäume – werden sie genannt. Doch genutzt wird die Energie des Windes bisher nicht. Dabei könnte sie an 270 Tagen im Jahr Windräder mit maximaler Auslastung antreiben. Diesen Schatz will Porsche zusammen mit internationalen Partnern heben und hat sich zu 11,6 Prozent am chilenischen Unternehmen Highly Innovative Fuels (HIF) beteiligt. Ziel ist, die dort vorhandene Windenergie zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe einzusetzen. Die im Dezember 2022 eingeweihte Produktionsanlage bei Punta Arenas heißt Haru Oni, was im lokalen Dialekt für „Land der Winde“ steht. Bereits für die aktuelle Pilotphase stehen jährlich 130.000 Liter an eFuels auf dem Produktionsplan.
Kraftstoff aus Luft und Wasser
Die immerwährende Verfügbarkeit von grünem Strom ist deshalb so wichtig, weil der erste Schritt zur Herstellung von eFuels viel davon benötigt: die Elektrolyse zur Wasserstoffgewinnung. Wasser (H₂O) ist eine sehr stabile chemische Verbindung. Zwei Wasserstoffatome (H) bilden mit einem Sauerstoffatom (O) ein Wassermolekül. Den Wasserstoff aus dieser Liaison herauszulösen, erfordert viel Energie. Da der patagonische Wind diese unerschöpflich bereitstellt, lässt sich Wasserstoff dort nachhaltiger und preiswert erzeugen – in energiearmen Regionen hingegen muss erzeugter Strom direkt zum größten Nutzen eingesetzt werden. Der fertige Kraftstoff besteht letztlich nur aus CO₂ und Wasser und kann wie gewohnt an einer Zapfsäule getankt werden. Für die Herstellung wird soviel CO₂ eingesetzt, wie bei der Nutzung des Kraftstoffs wieder freigesetzt wird.
Neben Wasserstoff wird eine zweite Komponente zur eFuel-Produktion benötigt: Kohlendioxid (CO₂). Jenes Treibhausgas, das bei zu hoher Konzentration in der Atmosphäre die Erderwärmung fördert. Dieses CO₂ lässt sich beispielsweise mittels Direct Air Capture (deutsch etwa: Gewinnung direkt aus der Umgebungsluft) herausfiltern. Dabei strömt die Luft durch einen Keramikfilter, der dem Abgaskatalysator eines Autos ähnelt. Allerdings sind die Strömungskanäle nicht mit Edelmetallen, sondern mit einer chemischen Substanz beladen, die CO₂-Moleküle bindet. Sind alle Plätze besetzt, an denen CO₂ andocken kann, wird der Filter verschlossen, vakuumiert und erwärmt. In der Wärme löst sich das CO₂ und kann in einen Tank abgesaugt werden. Konkret wird für einen Liter eFuel der Wasserstoff aus drei Litern entsalztem Meerwasser sowie das CO₂ aus 6.000 Kubikmetern Luft extrahiert.
Produktion von eFuels
Anschließend sorgt eine Syntheseanlage dafür, dass sich Wasserstoff und CO₂ verbinden. So entsteht Methanol. Es ist gut lagerfähig, transportierbar und alterungsbeständig. Schiffsmotoren werden derzeit für den Betrieb mit Methanol umgerüstet. Für den Einsatz in Pkw muss es allerdings weiterverarbeitet werden und erhält in der finalen Synthese – Methanol to Gasoline – noch zusätzliche Kohlenstoffverbindungen. Die Endprodukte sind gleichwertiger Benzin- und Dieselersatz sowie eFuels zur Beimischung in herkömmlichen, mineralölbasierten Kraftstoffen, um diese mit steigendem Anteil zunehmend umweltfreundlicher zu gestalten.
Der in Chile hergestellte Kraftstoff besteht also aus nichts anderem als Kohlenwasserstoffen. Er kann am weltweiten Tankstellennetz vertrieben werden. Ebenfalls sehr wichtig: Alle Verbrennungsmotoren können mit eFuels betankt werden, vom Oldtimer bis zum Hochleistungsrennwagen. Wenn die Verfügbarkeit einmal groß genug ist, wird bei der Verbrennung nicht mehr CO₂ ausgestoßen, als der Umgebungsluft im Produktionsprozess entnommen wird. Dann wäre der Kreislauf geschlossen. Bis Mitte des Jahrzehnts soll in der Region Magellanes die jährliche Produktion auf 55 Millionen Liter eFuels wachsen. Zwei Jahre darauf soll die Kapazität bereits 550 Millionen Liter betragen – und noch weiter ausgebaut werden. Das entspricht immerhin 1,2 Prozent des deutschen Kraftstoffbedarfs für Pkw. Ein Anfang mit großem Potenzial.