In Deutschland herrscht Wohnungsnot. Nicht erst seit wir von luckx – das magazin diese Zeilen schreiben. Gestiegene Immobilienpreise, steigende Zinsen, hohe Baukosten, Fachkräftemangel waren und sind nicht förderlich, um die Bautätigkeit zu steigern. Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie unsere Lebenskonzepte verändert. Was bedeutet das für unsere Wohnwünsche?
Globale Trends
Nun hilft es niemanden in seiner aktuellen Situation, globale Trends zu beschreiben. Denn auf der einen Seite werden Großstädte aufgrund ihrer besseren Versorgungsleistungen als Wohnort bevorzugt. Anderseits hat die von China verursachte Corona-Pandemie auch zur gegenteiligen Veränderung geführt: Viele Menschen zieht es aus den Großstädten ins Umland. Ein umfassender Forschungsbericht der International Workplace Group (IWG) in Zusammenarbeit mit der Nachhaltigkeitsberatung Arup bestätigt das am Beispiel der USA und des Vereinigten Königreichs. In beiden Ländern nimmt die Abwanderung zu, wobei 59 Prozent mehr die US-Städte verlassen als vor 2020. Auch in Deutschland ziehen so viele Menschen aus den Metropolen weg wie zuletzt vor 30 Jahren, teilt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) mit. Gleichzeitig werden hybride Arbeitsformen immer beliebter: Mehr als die Hälfte der britischen Arbeitnehmer (53 Prozent) und 40 Prozent der Arbeitnehmer weltweit arbeiten heute in einem hybriden Modell; also teilweise im Büro und teilweise im Homeoffice oder Remote.
Eine neue Studie zeigt, dass Vororte, Kleinstädte und ländliche Gebiete in den USA und im Vereinigten Königreich durch die Abwanderung von Arbeitskräften aus den Städten höhere Aktivität verzeichnen. Die Studie ergab, dass die Abwanderung aus den Großstädten (insbesondere aus Städten wie San Francisco, London und New York) seit der Zeit vor der Pandemie zugenommen hat, während weniger Menschen in diese Städte ziehen.
Der Bericht kommt zu dem Schluss: „Es gibt Anzeichen dafür, dass die Abwanderung in kleinere US-Städte und ländliche Gebiete auf höherem Niveau anhält. Es gibt auch einige Anzeichen dafür, dass Familien und Erwachsene mittleren Alters schneller aus London wegziehen als vor der Pandemie.“ Aus der Studie geht hervor, dass die Städte „weiterhin eine Schlüsselrolle in unserer Gesellschaft und Wirtschaft spielen werden. Unsere Regierungssysteme, Verkehrsnetze und die gesamte gebaute Umwelt stellen große, dichte Ballungsräume in den Mittelpunkt unserer Gesellschaftssysteme.“
Wanderungsbewegungen
Aber der Übergang zum hybriden Arbeiten bedeutet, dass die Menschen weniger Zeit in den Stadtzentren verbringen werden, was auch heißt, dass sich deren Rolle verändern wird und es „erhebliche Vorteile für die wohnortnahen Haupteinkaufsstraßen“ geben wird. Der Bericht zitiert eine US-amerikanische Studie von Stephan D. Whitaker von der Federal Reserve Bank of Cleveland, die feststellt, dass die Nettoabwanderung aus US-Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern in der Anfangsphase der Pandemie 75.000 pro Monat betrug. Bis 2022 stabilisierte sich diese Zahl bei 39.000 pro Monat – das sind 59 Prozent mehr als vor der Pandemie (28.000). Eine Analyse der angeführten Abwanderungszahlen durch die IWG zeigt, dass innerhalb eines Jahres fast 500.000 Menschen (468.000) diese städtischen Gebiete verlassen könnten.
Auch im Vereinigten Königreich setzt sich die Abwanderung schneller fort als vor der Pandemie und es gibt deutliche Anzeichen dafür, dass Vorstädte und Kleinstädte ein höheres Maß an wirtschaftlicher Aktivität aufweisen als vor 2020. Der häufigste Umzug während der Pandemie fand vom Stadtzentrum in die Vororte statt. Ungeachtet dieser Mehrheit verließ ein erheblicher Teil die Großstädte und zog in günstigere oder kleinere Städte oder aufs Land. Da die Hauspreise und Mieten weiter steigen, zitiert der Bericht außerdem Forschungen, nach denen die Menschen aus den zwölf teuersten US-Städten, darunter New York, San Francisco, Los Angeles, Washington DC und Chicago, fortziehen. Die Abwanderung nahm um über zehn Prozent zu – wobei New York die höchste Abwanderungsrate von allen verzeichnet. Die auf die Verarbeitung, Analyse und Bereitstellung von Regionaldaten für die Immobilienwirtschaft spezialisierte empirica regio GmbH gab im Oktober 2022 bekannt, dass auch die sieben Top-Städte in Deutschland Berlin, München, Stuttgart, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und Hamburg Schrumpfungstendenzen zeigen. Besonders deutlich sind diese in Berlin und Hamburg zu beobachten: „2021 verließen im Saldo deutlich mehr als 10.000 Menschen die Stadtstaaten in das Umland.“
Neues Leben für Satellitenstädte
Eine von IWG und Arup erstellte Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen für das Jahr 2021 ergab, dass die Wirtschaft in ländlichen und vorstädtischen Gebieten bis zu 1,3 Milliarden Dollar in den USA und 327 Millionen Pfund pro Jahr im Vereinigten Königreich zusätzlich generieren könnte. Möglich wird dies aufgrund der prognostizierten Ausweitung flexibler Büro- und Co-Working-Spaces in Städten und Dörfern, um die wachsende Nachfrage nach hybrider Arbeit zu befriedigen. Der Bericht bestätigt, dass sich dieser Trend auf beiden Seiten des Atlantiks durchsetzt. Nachdem während der Pandemie viele Menschen aus Großstädten wie London und New York abgewandert sind, zeigt sich, dass die meisten von ihnen sich für Kleinstädte und Vororte entschieden haben, wo die Arbeitnehmer nun für einen finanziellen Aufschwung sorgen.
Das BiB bestätigt diesen Trend für Deutschland: „Die Zahl der Fortzüge aus den kreisfreien Großstädten in kleinere Städte und ländliche Regionen ist im Vergleich zu 2019 um 1,8 Prozent angestiegen, gleichzeitig sanken die Zuzüge in die Großstädte um 5,4 Prozent. Damit ist das Binnenwanderungssaldo der Großstädte auf einem so niedrigen Niveau wie seit 30 Jahren nicht mehr, als es eine deutliche Abwanderung in das Umland (Suburbanisierung) gab. (…) Vor allem das städtische Umland, aber auch kleinere Städte und sogar ländliche Gebiete scheinen von dieser Entwicklung zu profitieren: Sie alle gewinnen an Bevölkerung durch Zuzug. Auch der Wegzug jüngerer Menschen aus diesen Regionen in die Großstädte war geringer als in den Jahren vor der Pandemie.“ Wird fortgesetzt.