Potentiale nutzen

Das größte Problem in unseren Stromnetzen ist die genaue Austarierung der zugeführten und abgenommenen Energie. Die Waage muss im absoluten Gleichgewicht sein. Doch das ist schwer zu erreichen, weil sich Strom nicht in der erforderlichen Größe kurzfristig speichern und wieder sofort zur Verfügung gestellt werden. Wie die Wasserstoffstrategie unterstützen kann, hat luckx – das magazin recherchiert.

Investitionen in Wasserstoff sind nicht optimal verteilt

Die vorhandenen Systeme haben eine viel zu lange Reaktionszeit. So benötigt zwar ein Gaskraftwerk nur wenige Minuten bis zur Spitzenlast und ein Kohlekraftwerk zwischen 8 und 48 Stunden. Doch für eine sofortige Reaktion auf vorhandene Ungleichgewichte in der Stromversorgung sind sie ungeeignet. Wie Versuche vom Microsoft zeigten, kann eine Brennstoffzelle innerhalb weniger Sekunden die erforderliche Energie liefern; aber auch in der gleichen Zeit wieder abgeschaltet werden. Sie funktioniert ähnlich schnell wie ein Dieselgenerator. Doch noch gibt es nicht genug Wasserstoff, wie luckx – das magazin schon im ersten Teil berichtete.

Die Europäische Union schöpft das schon im ersten Teil genannten Studie und dort aufgezeigte Potenzial nicht voll aus, um die Ziele für die Produktion von grünem Wasserstoff zu erreichen. Die Investitionen in Wasserstoffproduktion und -anwendungen lassen einige der vielversprechendsten Regionen außen vor, so die Forschenden. Deutschland, Frankreich und Großbritannien investieren aktuell am stärksten in den Aufbau einer Wasserstoffindustrie. Zwar sind auch in Spanien aktuell einige Projekte geplant, beim Investitionsvolumen auf nationaler Ebene fällt das sonnenreiche Land hier aber weit hinter seinem Potenzial zurück. Die Studie bemängelt außerdem, dass die aktuellen Förderprogramme der EU wie z.B. der EU-Innovationsfonds dieses Ungleichgewicht noch verstärken würden.

Vorschläge

Die Studie zeigt eine Reihe an Vorschlägen auf, die helfen könnten, die Investitionen in Europa besser zu verteilen und den Markthochlauf der Wasserstoffindustrie in den Ländern mit hohem Potenzial gezielter zu fördern:

Höhere EU-Subventionen für Wasserstoffprojekte etablieren, sowohl bezogen auf Produktion als auch auf Anwendungen (beispielsweise grüne Produktionsmethoden für Chemieprodukte auf Wasserstoff-Basis statt fossiler Energieträger). Dabei sollte eine Kumulierung mit nationalstaatlichen Fördermitteln vermieden werden, wie es bei der bald startenden EU-Wasserstoffausschreibung bereits umgesetzt wurde.

Grenzüberschreitende Auktionen für grünen Wasserstoff ermöglichen. Das Auktionsmodell »Auctions-as-a-Service« (AaaS), welches die EU als zusätzliche Option im Rahmen ihrer Wasserstoffausschreibungen propagiert, sollte um bilaterale, grenzüberschreitende Auktionen der Mitgliedstaaten erweitert werden, um so gezielt die wettbewerbsfähigsten Projekte und den innereuropäischen Wasserstoffhandel zu unterstützen.

Nationale Ausbauzielpfade für Elektrizität aus erneuerbaren Energien in allen EU-Staaten etablieren. Darüber kann die EU sicherstellen, dass der Ausbau von erneuerbaren Energien für die Wasserstoffproduktion nicht die Dekarbonisierung der nationalen Energiesysteme verlangsamt und gleichzeitig besonders ambitionierte Regionen zusätzlich unterstützen, beispielsweise durch vereinfachte Nachweispflichten bei der Vermarktung von erneuerbarem Wasserstoff.

Entwicklung von bilateralen oder regionalen Wasserstoffpartnerschaften zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern. Die EU-Regulierung erlaubt bei der Zielanrechnung von Wasserstoff und Wasserstoff-Derivaten eine flexible Aufteilung zwischen Produktions- und Nutzungsland. Bilaterale oder regionale Partnerschaften können hier die Grundlage für eine Kooperation zwischen Überschuss- und Defizit-Ländern schaffen.

Fokus der Wasserstoffnutzung in Defizitländern auf die Sektoren, die am schwierigsten zu elektrifizieren sind (»hard-to-electrify«). In gewissen Bereichen der energieintensiven Industrie, des Flugverkehrs und der Schifffahrt gilt die zukünftige Wasserstoffnutzung als no-regret-Option. Um die Versorgungslücken der Defizitländer und damit die Gesamtnachfrage nach Wasserstoff möglichst klein zu halten, können sowohl nationale als auch EU-weite Förderungen des Markthochlaufs auf diese Sektoren beschränkt werden.

Komplexe Regulierung und Förderung

Ein großes Problem ist die hohe Komplexität der aktuellen EU-Regulierungen und Unterstützungsprogramme, kritisieren die Forschenden. Im Vergleich dazu seien die steuerbasierten Förderprogramme der US-Regierung durch den US Inflation Reduction Act viel attraktiver für Investoren. Studienautor Prof. Dr. Rainer Quitzow vom RIFS Potsdam sagt dazu: „Die EU kann nicht die Steuervergünstigungen der US-Regierung replizieren. Mit dem neuen Auktionskonzept für die Fördermittelvergabe hat die EU ein zugängliches Instrument geschaffen. Dies muss nun aber auch mit einer umfangreichen Finanzierung ausgestattet werden. Bilaterale Kooperation zwischen Mitgliedstaaten könnte weitere Impulse geben, damit die Potenziale in weniger finanzstarken Mitgliedsländern gehoben werden können.“

Studienautor Dr. Jakob Wachsmuth vom Fraunhofer ISI zieht ein Fazit: „Wasserstoff wird in den kommenden Jahren ein knappes Gut sein. Um den Bedarf der europäischen Wirtschaft nach Wasserstoff zu decken, wird mehr Kooperation zwischen den Ländern nötig sein. Besonders in den großen Industrieländern wie Deutschland könnte dies ein Problem werden, wenn nicht frühzeitig die politischen und finanziellen Weichen für innereuropäischen Handel gestellt werden. Bei der Nutzung von Wasserstoff kann eine klare Prioritätensetzung auf bestimmte Anwendungsbereiche helfen, die vorhandenen, begrenzten Potenziale effizient einzusetzen.“

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