Das Heizungsgesetz und die Diskussion darüber hat wieder einmal deutlich gemacht, wie weit entfernt die Politik von den realen Zuständen ist. Auch die Änderungen zu den Balkonkraftwerken war kein Meisterwerk. Welche Hürden in Unternehmen zu überwinden sind, hat luckx – das magazin recherchiert.
Energiekosten
Nun ist es immer leicht, die politisch Verantwortlichen für ihr Fehlverhalten an den Pranger zu stellen. Das schafft Stimmung und bringt Zustimmung für (eigene) Interessen. Auch wenn einige das anders sehen: Politik muss immer durchsichtig sein. Auch wenn Gespräche im Hinterzimmer geführt werden. Es gibt immer Neider, die gern ihr Wissen verbreiten. Wenn dann ein Minister oder Staatssekretär Fehler machen, wird so etwas schnell aufgedeckt. Schnell ist dann der Makel des Mangelhaften verteilt.
So scheint es auch mit der aktuellen Bundesregierung zu sein. Aus der Fortschrittskoalition mit dem Ziel Bürokratieabbau ist ein Bürokratiemonster geworden. Die geplante Entbürokratisierung wird eher durch die sich ständig wechselnden Regularien als größte Hürde zum Beispiel bei der Umstellung auf Solar- und Windenergie in der deutschen Wirtschaft wahrgenommen.
Zwar wandern aktuell einige deutsche Unternehmen ins Ausland ab. Doch nicht alle Unternehmen verlagern ihre Produktionsstätten ins Ausland, viele versuchen die Energiewende in ihren deutschen Betrieben zu vollziehen. Doch die Anpassung der Fertigung an neue Energieformen ist äußerst aufwändig, sehr teuer und weitgehend ungewiss.
Verwaltung verhindert die Wende
Als größte Herausforderung wurde die Umstellung der Industrie auf elektrischen Strom als primären Energieträger ausgemacht. So läuft das Ansinnen der Politik die Wirtschaft zu motivieren, weite Teile der Produktion auf Strom umzustellen, meist ins Leere. Dagegen unternehmen die mittleren und unteren Verwaltungsebenen alles, um dies zu verhindern. Einer der häufigsten Gründe: Die notwendigen Stromkapazitäten reichen nicht aus oder sind schlichtweg gar nicht vorhanden, etwa, wenn Ladestationen für E-Autos fehlen bzw. deshalb nicht genehmigt werden. So ist es fast unmöglich, eine Lagerhalle mit einem Solardach zu versehen. Zwar ist die technisch Herausforderung keine große Sache, aber bürokratisch eine langwierige Angelegenheit. Das beginnt mit der Baugenehmigung, weiter mit den Absprachen mit den Netzbetreibern, die Anmeldung gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetzgebung, die Gewerbeanmeldung, falls der überschüssige Strom verkauft werden soll, bis zum Brandschutz, der im Grunde jede bauliche Maßnahme in Deutschland dominiert. Allein die Baugenehmigung kann sich unter Umständen über Monate hinziehen, die Abklärung der erforderlichen Brandschutzmaßnahmen dauert in der Regel sogar noch länger. Außerdem werden oft zusätzliche Brandschutzmaßnahmen verlangt. Zudem müsse der bauliche Zustand des Dachs vorab geklärt und dokumentiert werden. So machen kleine Hinweise schon viel aus. Deshalb ist zum Beispiel mit der beauftragten Unternehmen für Installation die PV-Anlage festzuhalten, dass diese gemäß VDI 6012-1-4-Norm montiert wird. Die 2016 verabschiedete Richtlinie regelt „regenerative und dezentrale Energiesysteme für Gebäude; Grundlagen; Befestigung von Solarmodulen und -kollektoren auf Gebäuden bei Konstruktion und Auswahl der verfügbaren Montagesysteme und Befestigungsmittel“. Je nach Situation, beispielsweise Flach- oder Schrägdach, kommen zudem die Vorschriften DIN EN 1991-1 mit „Anweisungen und Angaben zur Lastbemessung sowie zur Tragwerksplanung von Hochbauten und Ingenieurbauwerken“, DIN 1055-4:2005-03 („Einwirkungen auf Tragwerke: Windlasten“) und DIN 1055-5:2005-07 („Einwirkungen auf Tragwerke: Schnee- und Eislasten“) zum Tragen.
Viel Wind um nichts
Wer auf Windenergie setzt, ist nicht weniger bürokratisch dran. Denn neben Baugenehmigung, immissionsschutzrechtliche Genehmigung, Genehmigung nach dem Naturschutzgesetz, forstrechtliche und denkmalschutzrechtliche Genehmigungen kommen etliche landesrechtliche und häufig auch kommunale Vorschriften hinzu. Zudem gibt es nur wenige geeignete Orte, um Windräder überhaupt aufzustellen.
Als weitere Hürde kommt die volatile Energiepolitik Deutschlands, die dem Bedarf der Wirtschaft an Investitionssicherheit diametral entgegensteht, hinzu. Denn mit dem sogenannten Industriestrompreis hat die Regierung eine politische Krücke gebastelt, von der einige Hundert Unternehmen profitieren. Doch niemand weiß, wie lange diese Strompreiskompensation angesichts knapper öffentlicher Kassen aufrechterhalten wird. Schon ab 2026 gilt der Vorbehalt der Gegenfinanzierung. Für Fertigungsbetriebe, die auf Jahrzehnte hinweg verlässlich planen müssen, ist die deutsche Energiepolitik leider so ungewiss wie der Wetterbericht für die nächste Woche, und damit praktisch wertlos.
Kraft-Wärme-Kopplung
Wer nun meint, mit der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) mehr Unabhängigkeit von der Energieversorgung zu verschaffen, sollte besonders aufpassen. Dabei wird die Abwärme, die sonst ungenutzt verloren gehen würde, im Betrieb sinnvoll verwendet. Als die wichtigsten Vorteile zählen die Senkung der Energiekosten, Reduzierung der Umweltbelastung und hohe Versorgungssicherheit. Da die Anlagen dezentral betrieben werden können, seien sie weniger anfällig für Stromausfälle oder Netzstörungen. Doch die hohen Investitionskosten, die Komplexität der Technik, die mangelnde Verfügbarkeit von KWK-Fachpersonal auf dem Arbeitsmarkt, die häufigen Änderungen bei den staatlichen Förderprogrammen, die Auflagen beim Anschluss sowohl an das Strom- als auch an das Wärmenetz sowie die unzähligen Prüfungen, Gutachten und Nachweise lassen viele Firmen bei der Errichtung von KWK-Anlagen zögern. Hinzu kommt die ungewisse Zukunft bei der politischen Bewertung der Kraft-Wärme-Kopplung. Heutige brennstoffbetriebene KWK-Anlagen erzeugten letztlich weiterhin CO2-Emissionen und bei erneuerbaren Energieträgern wie Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen fehle die Versorgungssicherheit.
Anscheinend soll die Isolation von Gebäuden sehr effektiv und recht einfach zu bewerkstelligen, um Strom- und Heizungskosten zu senken. Allerdings stellen die Brandschutz-Auflagen auch in diesem Fall häufig im Wege.
Mit all diesen Auflagen und Unwägbarkeiten kommen viel Unternehmen nach Begutachtung aller Alternativen zu dem Schluss, dass die Produktionsverlagerung ins Ausland einfacher, kostengünstiger und langfristig zuverlässiger ist als die Energiewende in Deutschland zu versuchen. Doch irgendwer muss die im Ausland produzierten Waren kaufen. Dabei ist Deutschland der bevorzugte Binnenmarkt in der EU. Wie das funktionieren soll, haben bisher weder die Politik noch die Unternehmen gelöst. Ach ja, vielleicht hilft allen einmal ein Blick in die Geldbörse: wenn ein Euro daraus ausgegeben wurde, kommt er nur durch Arbeit zurück. Und soziale Leistungen werden durch die Unternehmen in Deutschland erst ermöglicht. Nur mal so zum Nachdenken.