Schon 1972 ging´s am Büfett hoch her, wie Reinhard Mey in seinem Lied über „die heiße Schlacht am kalten Buffet“ sang. Doch hat sich seit dem etwas am Verhalten der Menschen verändert? Luckx – das magazin ging dieser Frage nach.
Verhalten im Urlaub
So sang der Sängerbarde: „Bei der heißen Schlacht am kalten Buffet, da zählt der Mann noch als Mann, und Auge um Auge, Aspik um Gelee, hier zeigt sich, wer kämpfen kann“. Das wollte es länderübergreifendes Forschungsteam herausfinden, wie Appelle für ressourcenschonendes Verhalten bei Urlaubsgästen Wirkung zeigen. In Hotels der gehobenen Mittelklasse wurden an der Küste Sloweniens unterschiedliche Ansätze im Buffetbetrieb getestet, damit weniger Essen weggeworfen werden muss. Doch helfen solche Verhaltensappelle wirklich etwas, um zum Beispiel die Verschwendung von Lebensmittel zu verringern? Dazu ein Beispiel, welches schon eine gewisse Historie hat: Der Handtuchsticker in Hotels zum mehrmaligen verwenden. Weltweit ist es wohl die bekanntes Botschaft, um für ressourcenschonendes Verhalten im Urlaub zu werben. Seine einfache Botschaft lautet: Verwenden Sie das Handtuch ein weiteres Mal und helfen Sie uns so, Wasser und Waschmittel sparen – der Umwelt zuliebe. In einem bilateralen Kooperationsprojekt der Universität Ljubljana in Slowenien mit der Wirtschaftsuniversität Wien, wurde erstmals die Wirksamkeit von solchen Verhaltensappellen im Urlaub im Hinblick auf effektive Einsparungen untersucht und verglichen. Das Team aus Tourismus- und Statistikfachleuten nahm mit verschiedenen Experimenten vor Ort das Problem der Lebensmittelverschwendung unter die Lupe. Schließlich machen Lebensmittel fast die Hälfte aller Abfälle in diesem Sektor aus und tragen damit zu den 20 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen bei, die auf Esswaren zurückzuführen sind.
Verzicht üben?
Es gibt bereits einige Studien darüber, welche psychologischen Faktoren Menschen zu umweltverträglichem Verhalten im Alltag motivieren, sagt Statistikerin Bettina Grün von der Wirtschaftsuniversität Wien: „Ein gutes Argument sind immer Einsparungen, die einem selbst zugutekommen – etwa bei Müllgebühren, Strom- oder Wasserverbrauch. Das motiviert in unserem Fall eher die Kooperationspartner, also die Tourismusbetriebe. Für diese Feldstudien arbeiten wir aktuell mit 3- und 4-Sterne-Hotels an der slowenischen Küste und in der Hauptstadt Ljubljana zusammen, um direkt an die Hotelgäste heranzukommen. Wir untersuchen dabei verschiedene Gruppen von Reisenden, etwa Familien im Badeurlaub oder Geschäftsreisende“, erläutert die Projektleiterin. Dabei wurden bisher Erhebungen für Gästeverhalten als Touristen fern von zu Hause aufgrund von Onlinebefragungen gemacht. Es besteht das Risiko, dass die Probanden „sozial erwünschte Antworten“ geben, also solche, von denen sie denken, dass sie gut ankommen, die eventuell aber gar nicht ihren Einstellungen entsprechen. Oder Antworten, die dem gewünschten Selbstbild entsprechen. „Hier sehen wir dann statistisch Effekte, die sich in der Realität einfach nicht manifestieren“, so Grün. Wichtig für dieses Forschungsprojekt war es daher, die experimentellen Designs und ihre Effekte anhand konkreter physischer Parameter, wie z. B. des Gewichts verschwendeter Lebensmittel, zu erfassen.
Umweltfaktor Tourismus
Die meisten Menschen sind in ihren Ferien mehr auf Hedonismus und Loslassen eingestellt als auf Vernunft und Verzicht. Erholung, Sightseeing und Abwechslung vom Alltag bewegen rund sechs Milliarden Menschen im Jahr. Der Tourismus ist somit die viertgrößte Wirtschaftsaktivität weltweit mit einem Wachstum von rund fünf Prozent pro Jahr. Viele touristisch attraktive Gebiete liegen in sensiblen Ökosystemen wie z. B. Küstenregionen, die für den hohen Verbrauch an Frischwasser oder die Mülllogistik schlecht aufgestellt sind. Das macht den Tourismus zur fünftgrößten umweltverschmutzenden Industrie weltweit.
Wie sieht nun ein wirksamer Appell für umweltschützendes Verhalten in der „Ausnahmesituation“ Urlaub aus? Die Forscher erdachten verschiedene Designs. Bettina Grün gibt je ein Beispiel für einen wirksamen und für einen nicht so wirksamen Appell. Gut funktioniert hat ein spielerischer Zugang mit Belohnungssystem bei Familien im Sommerurlaub, die sich ihre Mahlzeiten am Buffet selbst zusammenstellen: „Wir haben in der Küche eine spezielle Mülltonne für Essensreste von den Tellern installiert und vor bzw. während der Versuchslaufzeit gewogen. Es gab ein Anreizsystem als Gesamtfamilie mit Stempeln für aufgegessene Portionen. Für die Stempel gab es am Ende des Aufenthalts ein kleines Geschenk.“ Das Ergebnis: Tellerabfälle reduzierten sich um 34 Prozent.
Ein weiteres Testdesign mit dem Namen „Fat cat“ verglich den Effekt von Tischkarten mit verschiedenen Botschaften. Eine Gruppe bekam eine nüchtern-informativ gehaltene Botschaft über die Bedeutung von Lebensmittelverschwendung für die Umwelt. Eine andere wurde mit einer humorvollen Botschaft angesprochen, welche die immer dicker werdende Hotelkatze Marko mit ins Spiel brachte. Hier zeigte sich in einer Befragung der Gäste nach dem Aufenthalt, dass die fette Katze in Erinnerung geblieben war und gut ankam. Bei den gesammelten Essensresten gab es jedoch keine messbare Reduktion. „Bei den Befragungen sind wir limitiert, weil die Betriebe nicht wollen, dass wir ihre Gäste nerven. Wir müssen uns also mit den Fragen kurz halten und der Rücklauf ist nicht sehr hoch“, erläutert Bettina Grün Einschränkungen in der Feldarbeit.
Gästeansprache
Die Versuche bestätigen die Theorie, dass spielerische Zugänge in vergnügungsorientierten Kontexten erfolgreich Verhaltensänderungen bewirken können. Diese Ergebnisse würden laut Grün auch etablierte Verhaltenstheorien infrage stellen, die davon ausgehen, dass Überzeugungen der Menschen die wichtigsten Triebkräfte für umweltfreundliches Verhalten sind. Eine weitere wichtige Lektion aus den Versuchsanordnungen ist, dass es keine „One size fits all“-Lösungen gibt, sondern Appelle für verschiedene Zielgruppen erdacht werden müssen. Familien mit kleinen Kindern sind im „Verschwendungsmuster“ anders als Pensionisten oder Geschäftsreisende. Auch der Schulungsbedarf ist nicht zu unterschätzen, wenn die Maßnahmen an das Verhalten des Personals (z. B. in der Reinigung und im Service) gebunden sind.
Mit den Erfahrungen aus dem Projekt sollen die Forschungsdesigns noch besser angepasst werden. „Den Sticker für alle haben wir noch nicht gefunden, aber in einem beantragten Nachfolgeprojekt wollen wir uns die Nutzung der Klimaanlage auf Zimmerebene ansehen, die automatisch ausgewertet werden kann.“ Die Weiterführung dieser Forschungsarbeiten hält Grün jedenfalls für sehr wichtig, weil auch kleine Einsparungen im Einzelnen durch das Massenphänomen Tourismus in Summe einen großen Beitrag zum Umweltschutz leisten können.