Wer möchte meinen Strom?

Die Energiewende ist anscheinend etwas so riesig Großes, dass vielen deren Möglichkeiten nicht bewusst sind. Was sonst im täglichen Leben genutzt wird, kann auch auch die Energiewende verwandt werden wie zum Beispiel ein Sharing- Modell. Luckx – das magazin hat recherchiert.

Energiewende vor Ort

Ob Car-Sharing oder Job-Sharing. So etwas ist schon üblich. Das Energy Sharing ist weniger bekannt, funktioniert aber ähnlich. Es ist eine Möglichkeiten für die dezentrale Energiewende und eröffnet neue Wege, sich unkompliziert am Ausbau erneuerbarer Energien zu beteiligen und direkt davon zu profitieren. Mit Energy Sharing können Bürgerinnen und Bürger beispielsweise Solaranlagen in ihrer Umgebung mitfinanzieren, die Sonnenenergie selbst nutzen oder überschüssigen Strom verkaufen. Dieses innovative Konzept erhöht den Anreiz, mehr PV-Module zu installieren und erneuerbare Energien lokal zu nutzen. Aktuell beteiligen sich Bürgerenergiegesellschaften bereits an Wind- und Solarparks, jedoch können sie den erzeugten Strom nicht selbst verwenden. Zudem fehlt es vielerorts an unkomplizierten Modellen, um Verbraucher in der Nähe mit Strom aus PV-Anlagen zu versorgen. Die laufende Strommarktreform der EU, die im April 2024 vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde, stärkt das Konzept des Energy Sharing und fördert somit eine nachhaltige Energieversorgung.

Recht zum Energy Sharing

Energy Sharing soll die Lücke zwischen Eigenverbrauch und Bürgerenergiegesellschaften füllen. So wird die Vor-Ort-Versorgung weiter vereinfacht. Zudem sollen sich so Personen mit geringen finanziellen Ressourcen an der Energiewende einfacher beteiligen können. Die aktuelle EU-Reform ermöglicht damit eine leicht zugängliche Beteiligung an Energieerzeugung und -verbrauch. Zu diesem Zweck führt die Reform der EU-Strommarktrichtlinie die Rolle des “aktiven Verbrauchers” ein. Es ist nun möglich, mehrere Stromverträge abzuschließen, beispielsweise mit einem anderen aktiven Verbraucher und einem Reststromlieferanten. Der ebenfalls neu eingeführte „Organisator” übernimmt die Marktkommunikation für aktive Verbraucher, koordiniert Vereinbarungen zwischen Teilnehmern, Lieferanten und Netzbetreibern sowie die Abrechnung und Vertragsverwaltung. Beispielsweise könnte zum Sandra, die tagsüber im Büro ist, ihren Mittagsstrom aus der PV-Anlage in München einfach an ihren Bruder in Hamburg verkaufen. Wenn sie dann im Winter in den Skiurlaub fährt, könnte sie den ungenutzten Strom auch an ihre Tochter Ida für deren Wärmepumpe weitergeben. Da es dann doch schnell komplexer werden kann, wird sie einen „Organisator” mit der Koordinierung und Abrechnung beauftragen und muss sich um nichts kümmern. Denn Sandra wird im Energy Sharing zwar von den Lieferantenpflichten befreit, nicht aber von den Verbraucherschutzbestimmungen. Hier kommen neue Player ins Spiel, die diese Aufgabe übernehmen.

Technik erforderlich

Die Technologien, die Energy Sharing ermöglichen, sind bereits vorhanden, aber noch nicht in allen Ländern ausreichend verbaut: Smart Meter und eine funktionierende aktuelle Datenkommunikation zwischen Energy Sharing Akteuren, weiteren Energiemarktteilnehmern und Netzbetreibern sind dabei zentrale Bausteine. Bei der Digitalisierung der Energiewende hinkt gerade Deutschland im internationalen Vergleich allerdings hinterher. Auch gibt es bereits Konzepte für virtuelle Bilanzkreise, mit denen man die Strommengen in komplexen Energy Sharing Gruppen zuordnen und abrechnen kann. Energy Sharing kann helfen, das Betriebssystem der Energiewende für die Vor-Ort-Versorgung zu entwickeln und bestehende Ansätze zu integrieren. Die dezentrale Erzeugung macht es zu einer physikalischen Notwendigkeit, dass Erzeugung und Verbrauch besser aufeinander abgestimmt werden. Energy Sharing kann auch dafür ein wichtiger Hebel werden.

Darüber hinaus gibt es bereits einige Vorreiter, denn Portugal, Italien und Österreich zeigen schon heute Wege auf, wie die dezentrale Energiewende gestaltet werden kann. Ihre Herangehensweisen sind sehr unterschiedlich: Sie reichen von einer „Vor-Ort-Versorgung” in einem begrenzten Umfeld bis hin zu einer landesweiten Nutzung. Allen ist gemeinsam, dass sie über die gemeinsame Gebäudeversorgung hinaus gehen und dass sie Investitionen in die Erneuerbaren auslösen.

Alles noch viel zu kompliziert

Die Energiewende vor Ort wird nicht einfach, sondern bürokratisch und viel zu komplex.So muss es eher ein einfaches Konzept für das Energy Sharing geben. Ein Ansatz ist, das Sharing-Modell räumlich zu begrenzen auf die Nachbarschaft und die Netzebenen Niederspannung und Mittelspannung. Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen können sich so aktiv an der gemeinsamen Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen beteiligen und Strom über das Netz der öffentlichen Versorgung lokal teilen. Das kann ein Supermarkt mit einer großen Photovoltaik-Dachanlage sein, der Solarstrom an benachbarte Ladesäulen liefert oder auch Bewohner eines Quartiers, die gemeinsam eine Großwärmepumpe zur Wärmeversorgung aus dezentralem Photovoltaik-Strom betreiben. Ausgeschlossen sollen lediglich Unternehmen, deren primärer Zwecke die Energieversorgung ist. Doch ob diese dann nicht dagegen opponieren, weil sie in ihrem Geschäftsmodell gestört werden, bleibt abzuwarten.

Schwierig wird es dann mit den üblichen bürokratischen Vorschriften. Denn wenn Teilnehmer ihren Strom verkaufen, sind Mehrwertsteuer auszuweisen und Netzentgelte abzuführen. Und dann wird aus einer guten Idee etwas sehr steuerlich kompliziertes. Aber vielleicht gibt es irgendwann dann doch eine Lösung. Der Umwelt und unserem Geldbeutel würde es nützen.