Energiekonzept

Wohin treibt Europa mit seinem Energiekonzept? Oder gibt es gar keins? Denn sich nur auf ein Verbrennerverbot bei der Mobilität zu stützen ist kein Konzept, sondern eher ein Verarmungsplan. Welche Möglichkeiten es gibt, versucht luckx – das magazin zu klären.

Mobilität

Die Elektromobilität scheint für einige der Weisheit letzter Schluss zu sein. Doch das Konzept ist völlig unausgegoren. Das Aufladen der Batterien dauert zu lange. Bei den Autofahrern herrscht Unsicherheit über die Reichweite. Die Versorgung mit E-Tankstellen ist völlig unterdimensioniert. Die Rufe nach dem Staat sind beim Kauf und der Versorgung mit Strom für E-Fahrzeuge unüberhörbar. Doch warum? Warum soll eine Mobilitätstechnik eingeführt werden, die eine völlig neue Infrastruktur erfordert oder die bisherige umfangreich ertüchtigt werden muss und mit Steuergelder zu finanzieren? Oder warum soll nur die E-Mobilität gefördert werden, wenn andere Techniken viel zukunftsweisender sein können? Klar sollte auch jedem sein, dass eine neue Mobilitätstechnik mindestens zwanzig Jahre bis zur Marktdurchdringung benötigt. Wer dann auf die „Falsche“ setzt, hat wieder einen langen Zeitraum vor sich oder ist in einer veralteten Technik gefangen. Deshalb ist es heute und in den nächsten fünf Jahren von besonderer Bedeutung, eine systemoffene Mobilitätstechnik voranzutreiben. Deshalb ist es auch richtig, weiterhin eine Wasserstoffstrategie zu verfolgen. Diese ist um Methanol dringen zu ergänzen, weil Methanol einfach zu handhaben ist wie Benzin. So ist im Zuge der Neu­orientierung eine stärkere europäische Autarkie, Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität im Weltmaßstab zu arbeiten. Es ist also höchste Zeit, auch die Energieversorgung auf ein eigenständiges globales Fundament zu stellen, sagt der Marketingchef der deutsch-österreichischen Industriegruppe, Thorsten Rixmann. In der Umstellung der europäischen Energieversorgung auf eine global organisierte Methanol­wirtschaft sieht er eine „riesige Chance“ für Europa.

Energiewende

Thorsten Rixmann analysiert: „Sonne und Wind alleine bringen keine grundlastfähige Energieversorgung hervor. Kernkraft ist umstritten und teuer. Bei Öl, Kohle und Gas ist Europa auf Importe angewiesen, ganz abgesehen davon, dass die Abkehr von fossilen Brennstoffen im Sinne des Klimaschutzes geboten ist. Eine globale Methanolwirtschaft, die von Europa aufgebaut und betrieben wird, ist daher der beste Weg, Europa mit grundlastfähiger, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger Energie zu versorgen.“ Er spricht von einer „Kombination des Besten aus allen Welten“: Methanol kann aus Sonnen­energie hergestellt werden, ist aber etwa im Gegensatz zu Wasserstoff im Normal­zustand flüssig wie Öl und kann daher über die weltweit existierenden Infra­strukturen wie Pipelines, Tankschiffe und Tanklaster transportiert werden. Der Nachteil: Die Strahlungsintensität der Sonne innerhalb Europas reicht nicht aus, um die Methanol­herstellung wirtschaftlich zu betreiben; diese muss im Sonnengürtel der Erde näher am Äquator stattfinden.

Als Abhilfe aus diesem „Dilemma“ zieht Thorsten Rixmann das Gigaplant-Konzept der Obrist Group heran, das zur industriellen Serienreife entwickelt und für den Einsatz bereit sei. Der Vorschlag: Unter EU-Führung werden Methanolproduktionsstätten in Ländern Afrikas und im Nahen Osten, wo die Sonnenintensität ausreichend hoch ist, kooperativ im großen Stil errichtet und betrieben. Das dort hergestellte Methanol dient nicht nur der zuverlässigen Energieversorgung Europas, sondern kann auch anderen Staaten verfügbar gemacht werden.

Nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung

Von einem solchen Vorstoß würden über Europa hinaus auch die ko­operierenden Länder profitieren, betont der Rixmann. Er malt das Bild einer aufblühenden Wirtschaft in afrikanischen Ländern, die sich dank Gigaplants zu einem Zentrum der globalen Energieversorgung entwickeln können. Den Ländern im Nahen Osten würde die Methanolproduktion die sukzessive Abkehr von der Erdölförderung ermöglichen. „Das Öl ist irgendwann zu Ende, die Sonne scheint ewig“, zeichnet Thorsten Rixmann die langfristige Perspektive für die Nahost-Staaten vor. Seiner Meinung nach besteht eine historische Chance, eine Schlüsselrolle bei der weltweiten Energieversorgung zu spielen. Dazu ist es notwendig, zügig entsprechende Vereinbarungen mit Partnerländern zu schließen und in eine globale Methanol-Produktionsinfrastruktur zu investieren. Das wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Autarkie, Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität für Europa. Darüber hinaus wird die Wirtschaftskraft in diesen Ländern gestärkt. Das kann zu einer unerwarteten wirtschaftlichen Entwicklung führen.

Solarparks

Unter dem Begriff Gigaplants werden seitens der Obrist Group riesige Solarparks bezeichnet, die jedoch keinen Strom liefern, sondern nachhaltig produziertes Methanol. Bei der Produktion wird der Atmosphäre mehr klima-schädliches Kohlendioxid (CO2) entzogen als bei der späteren Nutzung abgegeben wird. In einer Gigaplant sollen dem Vorschlag zufolge knapp vier Millionen Tonnen Methanol im Jahr hergestellt werden.

Aufgrund der hohen Sonnenintensität ist in den anvisierten Regionen Solarstrom für nur 0,88 Cent pro Kilowattstunde verfügbar. Diese sog. Stromgestehungs­kosten für die Umwandlung von einer anderen Energieform in elektrischen Strom liegen bei herkömmlichen Solarparks zwischen drei und über fünf Cent, bei Windkraftanlagen zwischen knapp vier (Onshore) und etwa zwölf Cent (Offshore), bei Biomasse zwischen sieben und 17 Cent, bei Erdgas zwischen knapp acht und 13 Cent, bei Stein- und Braunkohle zwischen zehn und 20 Cent und bei Kernkraft zwischen 3,5 und acht Cent pro Kilowattstunde. Mit diesem Methanol-Konzept wird Strom also zu weniger als einem Drittel der Kosten des billigsten alternativen Verfahrens erzeugt.

Stromspeicher

Da Elektrizität jedoch schwer im großen Stil zu speichern und noch schwerer zu transportieren ist, wird diese in der Gigaplant „nur“ zur Elektrolyse genutzt, um aus Wasser im ersten Schritt Wasserstoff und aus diesem im zweiten Schritt Methanol zu erzeugen. Das für die Methanol­produktion benötigte Wasser wird der Umgebungsluft entnommen; dabei genügt schon eine Luftfeuchtigkeit von zehn Prozent, wie sie selbst in der Wüste vorhanden ist. Die Gigaplants lassen sich also in Wüsten oder auf sonstigem Ödland errichten, das ohnehin nicht anderweitig genutzt werden könnte. Dadurch bleiben die Kosten niedrig und es gibt keine Konflikte mit Besiedlungsprojekten oder der Landwirtschaft. Die Kosten für das durch Solarenergie und „Wüstenwasser“ hergestellte flüssige Methanol beziffert die Obrist Group auf unter sechs Cent pro Kilowattstunde, also weit weniger als jeder andere bekannte Energieträger.