Krank sein ist nicht schön

Ein paar Tage krank sein hilft vielen Menschen, sich von der anstrengenden Arbeit zu erholen. Denn vielfach sind Erkrankungen auf zu viel Arbeit zurückzuführen. Doch bei einigen kribbelt es schon bald wieder und sie müssen zurück in den Job. Wer zu lang krank ist, braucht dabei Hilfe, wie luckx – das magazin recherchierte.

Langzeiterkrankung

Nach einem Unfall oder einer längeren Erkrankung wollen die meisten Betroffenen vor allem eins: ihr altes Leben zurück, was meist auch bedeutet, zurück in den Beruf. „Es ist gesetzlich geregelt, dass Arbeitgeber dies ermöglichen müssen“, bestätigt Marian Waßmann, Ergotherapeut im DVE (Deutscher Verband Ergotherapie e.V.) und erwähnt, dass die meisten Unternehmen ohnehin „ihre Leute“ weiter beschäftigen wollen. Dank der zielgerichteten Interventionen von Ergotherapeuten werden Betroffene ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt in jeder Hinsicht auf die berufliche Wiedereingliederung vorbereitet und für genau ihre Tätigkeit fitgemacht. Sobald die Leistungsfähigkeit der Patienten es erlaubt und davon auszugehen ist, dass sie den Anforderungen an ihrem Arbeitsplatz wieder gewachsen sind, begleiten hierfür geschulte Ergotherapeuten das Wiedereingliederungsverfahren in Betrieben.

Unterschiedliche Krankheitsverläufe

Die Erkrankungen und Verletzungen, die eine längere Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, sind vielfältig – so, wie die Menschen und ihre jeweiligen Tätigkeiten. Der Ergotherapeut Marian Waßmann bringt viele zurück in den Beruf. Sein Klientel ist bunt gewürfelt, vom Berufskraftfahrer über Mitarbeitende in Büros bis hin zu Menschen, die offshore auf Ölplattformen arbeiten – alles ist dabei und unterschiedlicher geht es nicht. „Je gezielter und gründlicher Menschen auf exakt die Gegebenheiten und Rahmenbedingungen in ihrem persönlichen Tätigkeitsbereich vorbereitet sind, desto leichter fällt ihnen die Rückkehr in Beruf und Arbeit“, erklärt Waßmann und das leuchtet ein. Ob die Phase der Wiedereingliederung möglichst gut und möglichst schnell gelingen kann, beruht auch darauf, dass seine Berufskollegen zunächst in den Reha-Kliniken und danach in den niedergelassenen Praxen optimale Vorarbeit geleistet haben. Darauf können Waßmann und Seinesgleichen sich in aller Regel verlassen, denn berufliche Wiedereingliederung gehörte schon in den Anfängen der Ergotherapie zum Kerngeschäft, auch wenn sie erst später so bezeichnet wurde: Ergotherapeuten, zunächst Beschäftigungs- und Arbeitstherapeuten genannt, haben in Deutschland heimgekehrte Soldaten in das Arbeits- und Berufsleben integriert.

Anforderungen an den Arbeitsplatz

Was steckt hinter ihrem Erfolg? Ergotherapeuten fokussieren sich auf das Individuum und seine ganz besonderen, persönlichen Fähigkeiten, Bedürfnisse und Anliegen und ebenso auf die Betätigung – in diesem Fall die Arbeit. „Es ist im Bereich der beruflichen Wiedereingliederung von elementarer Bedeutung, Menschen gezielt vorzubereiten; jeden nach „Schema F“ ein bestimmtes Gewicht heben, über Kopf arbeiten oder alle denselben Parcours absolvieren zu lassen, passt höchstens stellenweise und hat nichts mit zeitgemäßem Vorgehen zu tun“, verdeutlicht der Ergotherapeut die zentralen Aspekte seiner Arbeit. Bei Ergotherapeuten geht es darum, den Arbeitsplatz und die einzelnen Tätigkeiten bis in alle Einzelheiten zu erfassen. In einem ersten Gespräch bitten sie ihre Patienten daher, ihren Arbeitsplatz zu beschreiben. In vertiefenden Fragen klären Ergotherapeuten, wie ein typischer Arbeitstag aussieht, welche Aufgaben im Einzelnen zu erfüllen sind und in welchen Körperhaltungen dies geschieht. Auch wollen sie wissen, ob mit Maschinen und Werkzeugen gearbeitet wird, wenn ja, mit welchen, ob der- oder diejenige tragen muss, wenn ja, wieviel, wie weit, wie oft und so weiter und so weiter. Ein entsprechender, speziell hierfür entwickelter Fragenkatalog bildet die Grundlage, um wirklich jeden auch noch so ungewöhnlichen Arbeitsplatz mitsamt seinen Rahmenbedingungen transparent zu machen.

Überprüfung der Leistungsfähigkeit

Ein weiterer Parameter, der bei der beruflichen Wiedereingliederung eine Rolle spielt, ist die Leistungsfähigkeit der Patienten. Ist geklärt, welche Anforderungen am Arbeitsplatz bestehen, führen Ergotherapeuten die ersten Testungen und Evaluationen, also Bewertungen, durch. „Ergotherapeuten testen anfangs und dann immer wieder, wo steht der Patient beziehungsweise die Patientin und wie weit sind die derzeitigen Fähigkeiten von dem entfernt, was er oder sie für ihre beruflichen Aufgaben benötigt“, sagt Waßmann und veranschaulicht dies exemplarisch: „Der Bäckereifachverkäufer muss vor Beginn der beruflichen Wiedereingliederung unter anderem in der Lage sein, Backbleche auf einer bestimmten Höhe in den Ofen zu schieben, Fliesenleger und andere Handwerker müssen sich hinknien, auf den Boden kommen, auf Leitern steigen oder Gewichte tragen können, Mitarbeiter in Büros und Verwaltungen müssen imstande sein, längere Zeit zu sitzen, sich gegebenenfalls auf komplexe Sachverhalte zu konzentrieren und mehr“. Um das Training so realitätsnah als möglich zu gestalten, nutzen Ergotherapeuten vorzugsweise Therapiegerätesysteme, an denen nahezu jeder Arbeitsplatz mit seinen typischen Arbeits- und Bewegungsabläufen, Arbeitsmaterialien und Werkzeugen nachgestellt werden kann.

Berufliche Wiedereingliederung individuell gestalten

Oft sind Hilfsmittel nötig, um nach überstandener Erkrankung oder Verletzung wieder am Arbeitsplatz bestehen zu können. Werkzeuge, die aus superleichtem Material sind, Griffverdickungen, um einen Hammer oder ein anderes Tool besser fassen zu können, dass benötigte Hilfsmittel besorgt oder organisiert und wenn möglich vom Kostenträger finanziert werden. Waßmann berichtet von einem Fall, bei dem eine Frau eine Hand wegen einer zu schweren Verletzung nicht mehr zum Schreiben nutzen konnte. Die Abhilfe: eine besondere Tastatur, bei der die Tasten kleiner und enger beieinander liegen, sodass betroffene Personen auch mit nur einer Hand noch schnell tippen können. So finden sich für jede und jeden individuelle Lösungen, damit es gut gewappnet mit der beruflichen Wiedereingliederung losgehen kann. „Die ersten Tage im Betrieb sind zum „Warming-up“ da: Aufgelaufene E-Mails checken, Übergaben und andere aktuelle Dinge mit Kollegen besprechen und erledigen – da können die Berufsrückkehrer schon ein erstes Urteil fällen und herausfinden, ob sie klarkommen“, beschreibt Waßmann sein Vorgehen. Der Ergotherapeut kommt frühestens ab dem dritten oder vierten Tag in den Betrieb, um zu schauen, wie es läuft, sofern der Kostenträger das unterstützt. Gemeinsam mit seinen Patienten begeht der Ergotherapeut den Arbeitsplatzes, begutachtet ergonomische Gegebenheiten und – wenn nötig und hilfreich – adaptiert und passt noch mehr an, um das Arbeiten weiter zu erleichtern oder Abweichungen oder vielleicht auch Kompromisse mit dem Arbeitgeber herbeizuführen.