Pusten Sie mal!

Heute schon gepustet? Nein, nicht das Wattebällen oder den Staub vom Tisch. Gefragt wird meist nach der Alkoholkontrolle. Doch aufgepasst. Was so harmlos klingt, kann mit schlimmen Folgen enden. Das muss nicht so, wie luckx – das magazin recherchierte.

Beamtenlaufbahn

Harmlos kommen sie daher. Eine Verkehrskontrolle. Der nette Beamte in Uniform fragt ganz unverfänglich: „Haben Sie heute Alkohol oder Drogen konsumiert?“ Viele Autofahrer antworten ehrlich – oder zumindest „freundlich offen“: „Nein, aber früher mal.“ Oder: „Ja, letzte Woche hatte ich etwas auf einer Party.“ Was harmlos klingt, ist juristisch der Einstieg in ein weitreichendes Verfahren. Denn ab diesem Moment bist du nicht mehr „unverdächtig“ – sondern zielgerichtet überprüfbar als verdächtige oder gar beschuldigte Person. Was die wenigsten wissen: Bereits solche Aussage können ausreichen, um Maßnahmen wie Urintests, körperliche Koordinationstests oder im schlimmsten Fall Blutentnahmen einzuleiten – auch gegen deinen Willen. Wer glaubt, Polizeikontrollen seien rein zufällig oder aus Sorge um die Sicherheit, kennt das System dahinter nicht. Beamte im mittleren oder gehobenen Dienst – also die, die bei Verkehrskontrollen im Einsatz sind – unterliegen einer Leistungsbeurteilung über vier Jahre. In dieser Zeit müssen sie nachweisen, dass sie ausreichend Ordnungswidrigkeiten (z. B. BtM-Verstöße),

Strafanzeigen, sowie Verfahren dokumentiert haben. Wer zu wenig Anzeigen liefert, wird nicht befördert. Und: Wird ein Beamter in ein Ermittlungsverfahren oder Disziplinarverfahren gegen sich selbst involviert, etwa wegen Fehlverhaltens (oder dem Begehen von Straftaten) im Dienst, beginnt der Vierjahreszeitraum erneut.

Druck auf Bundesbürger

Das erzeugt enormen Druck – und sorgt dafür, dass bei jeder Kontrolle „etwas gefunden“ werden muss, auch wenn der Autofahrer nichts gemacht hat. Es ist kein böser Wille – sondern ein kalkulierter Karrierefaktor. Der wichtigste Paragraf bei Verkehrskontrollen ist die Rechtsgrundlage nach § 36 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Hier steht: „Die Polizei darf Fahrzeuge anhalten und die Verkehrstüchtigkeit prüfen.“ Und genau das ist der springende Punkt: Die meisten Menschen verwechseln Verkehrstüchtigkeit mit Fahrtüchtigkeit – dabei ist beides juristisch strikt getrennt.

Verkehrstüchtigkeit: Betrifft das Fahrzeug – z. B. TÜV, Reifen, Lichtanlage, Papiere

Fahrtüchtigkeit: Betrifft den Fahrer – z. B. Alkohol, Drogen, Medikamente oder ob er körperlich und geistig in der Lage ist, ein Kfz zu führen

Nach einer kurzen Überprüfung der Verkehrstüchtigkeit (Papiere, Auto äußerlich i.O., TÜV etc.) ist die Maßnahme binnen Minuten abgeschlossen (außer du fährst einen Tuner). Doch dann folgen häufig freiwillige Maßnahmen, die viele Autofahrer aus Unwissenheit mitmachen – genau hier beginnt das Problem.

Ausnutzen von Vertrauen

Was passiert, wenn auf die scheinbar harmlose Frage „Haben Sie konsumiert?“ geantwortet wird – auch wenn die Befragten heute völlig nüchtern bist? Wird beispielsweise geantwortet, früher gekifft zu haben, heute aber nicht, genügt das für einen Anfangsverdacht nach § 81a StPO. Die Folge: Sofortiger Urintest (meist „freiwillig“ angeboten) oder positiver Schnelltest (wegen BtM oder Medikamente). Dann erfolgt meist die Mitnahme zur Blutentnahme. Was dann folgt? Monate später: Führerscheinentzug, MPU-Anordnung, Kosten in vierstelliger Höhe. Und das alles, obwohl der Befragte in diesem Moment gar nicht unter Einfluss gestanden hast und geringe Restwerte (z. B. vom Wochenende) gefunden wurden.

Ein oft übersehener Punkt bei Verkehrskontrollen ist die Durchsuchung von Taschen, Jacken oder sogar des gesamten Fahrzeugs. Viele Bürger wissen nicht: Solche Maßnahmen sind bei unverdächtigen Personen in aller Regel rechtswidrig. Trotzdem hört man oft den Satz: „Bitte leeren Sie mal Ihre Taschen.“ Oder: „Wir schauen kurz ins Handschuhfach, okay?“ Viele Autofahrer kommen der Bitte „freiwillig“ nach – nicht wissend, dass sie damit einer Maßnahme zustimmen, die rechtlich nicht gedeckt ist.

Juristisch ist klar geregelt: Die Durchsuchung einer Person ist ausschließlich nach § 102 StPO zulässig – und nur dann, wenn die Person als Beschuldigter gilt. Das bedeutet: Die Polizei darf die Sachen nur dann durchsuchen, wenn ein konkreter, begründeter Verdacht auf eine Straftat besteht – nicht bei einer bloßen allgemeinen Kontrolle.

So wird man „Beschuldigten“ – ohne es zu merken?

In folgenden Situationen kann schnell der Status der unverdächtigen Person verloren gehen – oft ohne böse Absicht: Zugeben, in der Vergangenheit Drogen konsumiert zu haben. Nach Alkohol oder Cannabis zu riechen. Außergewöhnliche Nervosität, fahrig oder Unruhe zeigen. All das kann von den Beamten als Verdachtsmoment gewertet und protokolliert werden – was dann wiederum Maßnahmen wie Durchsuchung, Urintest oder gar Blutentnahme „rechtfertigen“ soll. Die Grenze zwischen allgemeiner Kontrolle und strafprozessualer Maßnahme wird hier bewusst verwischt. Wird fortgesetzt.