Es hört und liest sich gut: Keine Rechnung für Strom und Heizung. Nun wurde dieses Energiekonzept auch in Deutschland eingeführt. Wie es funktionieren solll, hat luckx – das magazin recherchiert.
Energiewende zum Nulltarif?
Zwar gilt Deutschland als die Hochburg der nachhaltigen Energiewende. Doch in vielen Ländern wird nach einer passenden Energielösung gesucht. Das ist nicht unbedingt hilfreich für andere europäische Länder. Denn Europa ist vielfältig, geografisch wie kulturell. Was in einem südlichen Land funktioniert, muss nicht unbedingt für Deutschland gelten. Doch die Lösungsansätze für die Energiewende lassen sich auch anpassen. Wichtig ist, diese Vielfalt als Chance zu begreifen, um voneinander zu lernen und die Energiewende im jeweils eigenen Land noch schneller und effizienter umzusetzen. Beispiele können Impulse und Inspiration sein, um aus „geht nicht“ „gibt es schon“ wird.
Beispiel Großbritannien
Seit 2023 bietet ein Unternehmen in Großbritannien einen Stromtarif an, der sich „Zero Bills Home“ nennt – ein Stromtarif, der den Kunden nichts kostet und sogar ohne Grundgebühren auskommt. Nutzen kann diesen Tarif jeder, der über eine ausreichend große Photovoltaikanlage, einen Batteriespeicher und eine Wärmepumpe verfügt. Das Projekt startete in England, weil dort entsprechende Stromzähler schon weiter verbreitet sind als in Deutschland. Doch auch hierzulande gibt es inzwischen erste Projekte.
Ob ein Haushalt diesen Tarif bekommen kann, entscheidet das Unternehmen im Einzelfall. Ist das Haus als „Zero Bills Home“ akkreditiert, garantiert der Versorger für mindestens fünf Jahre eine Energierechnung für Strom und Heizung von Null Euro. Um diesen Tarif zu bekommen, braucht man ein Haus mit einem gewissen Mindeststandard der energetischen Effizienz. In Deutschland ist das die Effizienzklasse KfW-55 oder besser. Damit bietet sich das Konzept speziell für Neubauten an, weshalb auch schon ganze Neubausiedlungen akkreditiert wurden.
Gute Wärmedämmung erforderlich
Neben einer guten Wärmedämmung muss eine Photovoltaikanlage vorhanden sein, die über das Jahr etwa so viel Strom liefert, wie der Haushalt einschließlich seiner Wärmepumpe verbraucht. Der Batteriespeicher sollte zugleich so dimensioniert sein, dass seine Kapazität einer Stunde Volllast der PV-Anlage entspricht – für eine 10 kW-Anlage also 10 kWh. Außerdem muss ein intelligentes Messsystem im Haus vorhanden sein. Ist das alles gegeben, kann man künftig ohne Stromrechnung wohnen. Das Geschäftsmodell funktioniert so, dass das Unternehmen die Vergütung für den Überschussstrom der PV-Anlage erhält. Sie stellt im Gegenzug keine Rechnung für den Stromverbrauch, sofern dessen Menge die Eigenerzeugung nicht um mehr als 2.500 kWh im Jahr überschreitet. Der Kunde muss einen Vertrag über mindestens zwölf Monate abschließen, kann dann aber auch wieder zu einem anderen Anbieter wechseln.
Flexibilität
Der Erlös ergibt sich dadurch, dass die Firma die Lastflüsse nach den Vorgaben der Spotmärkte optimiert. Sie speichert zum Beispiel Strom in der Batterie ein, wenn der Marktpreis gerade günstig ist. Die Kilowattstunden stehen dann später im Haus zur Verfügung oder werden in Einzelfällen, wenn die kurzfristigen Preise am Markt sehr hoch sind, sogar wieder zurückgespeist. Indem das Unternehmen auf die Einspeisung nach EEG verzichtet und abseits der Förderung die Direktvermarktung des Stroms praktiziert, lässt sich der Speicher auch in Zeiten mit niedrigen Börsenpreisen mit Strom aus dem Netz („Graustrom“) beladen. Der Anbieter macht somit Arbitragegeschäfte, nutzt also Preisschwankungen am Markt. Zugleich optimiert das Unternehmen auch die Betriebszeiten der Wärmepumpe, damit diese nicht unbedingt dann Netzstrom beziehen muss, wenn die Preise im Großhandel sehr hoch sind.
Zero Bills Homes können der Netzstabilität und der Versorgungssicherheit dienen, weil sie einerseits auf Marktsignale hin ihre Lasten verändern können und weil sie andererseits auch im Dienst der Verteilnetzbetreiber agieren können. So lassen sich Netzengpässe vermeiden.
Nach eigenen Angaben hat das Unternehmen schon mehr als 1.000 Häuser akkreditiert. Bis 2030 sollen 100.000 Zero Bills Häuser weltweit am Netz sein. Da das Konzept von hohen Preisschwankungen am kurzfristigen Strommarkt profitiert, könnte es durch den weiteren Ausbau von Photovoltaik und Windkraft noch attraktiver werden.