Um die Energiewende zu schaffen, ist die Versorgung von nachhaltig erzeugter Energie zwingend erforderlich. So ist jede Maßnahme willkommen, die Energieversorgung sicherzustellen. Wie das in Zukunft erfolgen soll, hat luckx – das magazin recherchiert.
Woher kommt unsere Energie?
Der Strom kommt aus der Steckdose. Doch wie kommt er da hinein? So mancher hat sich ein paar Solarkollektoren am Balkon befestigt und kann diese Frage schnell beantworten. Das reicht dann für die Beleuchtung und für kleinere Elektrogeräte. Doch um es im Winter warm zu haben und mit dem Auto Einkäufe zu erledigen (oder mit dem Bus oder der Bahn), ist mehr Energie erforderlich. Dazu hat die vorherigen Bundesregierung beim Beginn der Energiekrise schon Vorsorge getroffen mit Gasterminals und Abkommen mit den Nordafrikanischen Staaten. Auch Spanien und Frankreich konnten ihren Streit über die Fortführung einer Pipeline beilegen, um Wasserstoff den in Tunesien, Marokko und Algerien zu erzeugten Wasserstoff nach Europa zu transportieren. So soll daneben eine 3.300 Kilometer lange Pipeline ab 2030 jährlich bis zu 163 Terawattstunden grünen Wasserstoff von Nordafrika über Italien und Österreich nach Süddeutschland transportieren. Der sogenannte SoutH₂ Corridor entwickelt sich zu Europas Vorzeigeprojekt für Europas Wasserstoffstrategie. Damit könnte das Projekt bis zu 40 Prozent der EU-Wasserstoffziele abdecken und das Rückgrat eines wettbewerbsfähigen und stabilen Wasserstoffmarktes werden. Auf der ees Europe 2025 diskutierten fünf Experten aus Infrastruktur und Industrie – darunter auch Projektbetreiber des SoutH₂ Corridors – über die entscheidenden Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung. Im Fokus standen politische Rahmenbedingungen, Finanzierungsmodelle und die Bedeutung multinationaler Zusammenarbeit.
Viele Wege führen nach Europa
Natürlich sehen dabei die Arabischen Staaten „ihre Felle wegschwimmen“, was die europäische Energieversorgung anbetrifft. So stören den Scheichs also nicht nur die europäischen Windmühlen und Solaranlagen, was ihren Ölabsatz schrumpfen lässt. Das Vorzeigeprojekte „The Line“ wurde aktuell beerdigt. Dort sollte mit den Öl-Milliarden ein riesiges Infrastrukturprojekt finanziert werden.
Mit dem SoutH₂ Corridor wird ein Weg beschritten, um grünen Wasserstoff nach Mitteleuropa zu bringen. Nach Ansicht der Organisatoren sind Pipelines der effizienteste und wettbewerbsfähigste Weg, Wasserstoff zu transportieren. Genutzt werden dabei die niedrigen Produktionskosten aus Regionen wie Nordafrika. Um große Mengen kostengünstigen und verlässlichen Wasserstoff für unsere Industriezentren bereitzustellen, sollen die bestehenden Pipeline-Abschnitte in Nordafrika und Italien genutzt werden. So könnte grüner Wasserstoff in fünf bis sieben Jahren auch in Deutschland genutzt werden. Das wäre ein realistischer Zeitrahmen, wenn wir jetzt handeln. Das stärkt nicht nur die Energielogistik, sondern sichert auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Denn sie braucht eine stabile, bezahlbare Wasserstoffversorgung. Pipelines bieten dabei Kontinuität, Skalierbarkeit und langfristig geringere Transportkosten als der Schiffstransport. Kurz gesagt: Damit die grüne Wasserstoffwirtschaft funktioniert, muss die Infrastruktur zuerst kommen.
Eigene Wasserstoffproduktion
Dabei ist klar, dass Europa kann und sollte mehr in der heimischen Produktion investieren. Aber die Realität ist: Dieser Kontinent wird immer Energie importieren müssen. In Italien liegt beispielsweise der Strombedarf bei rund 300 Terawattstunden, der Gasbedarf jedoch bei 600 Terawattstunden. Diese Differenz lässt sich auch mit Effizienzgewinnen kaum allein durch erneuerbare Energien decken – der zusätzliche Ölbedarf ist hier noch nicht eingerechnet. Frühere Erfahrungen zeigen, wie wichtig ein diversifiziertes Importportfolio ist, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Deshalb ist neben der heimischen Produktion auch eine solide Importstrategie erforderlich. Langfristige, komplementäre Partnerschaften, besonders mit Nachbarländern, sind essenziell und können Jahrzehnte halten, wenn sie richtig gestaltet sind. Der beste Weg ist eine Diversifizierung von Importeuren, Partnern und Technologien. Denn die Realität ist, dass derzeit Millionen Tonnen grüner Wasserstoff in Europa fehlen, sowohl aus heimischer als auch aus außereuropäischer Produktion. Wasserstoff eröffnet die Chance, neue, diversifizierte Partnerschaften aufzubauen, etwa mit Kanada, Australien oder Indien. Diese internationale Diversifizierung ist zentral für die europäische und deutsche Energiesicherheit.
Mehr Optionen erforderlich
Angebots- und Nachfrageseitig unterstützen Instrumente wie die Initiative H2Global die Schaffung eines Marktes. Die Initiative handelt dabei über einen temporären Intermediär, die Hydrogen Intermediary Trading Company von Hintco, mittels einer Doppelauktion mit Wasserstoff und seinen Derivaten. Anbieter erhalten dadurch beispielsweise eine langfristige Cash-Flow Sicherheit zu einem garantierten Preis – die Grundlage, um Investitionsentscheidungen heute treffen zu können. Käufer hingegen können über die Nachfrageauktionen der Hintco Zugang zu bezahlbaren, grünen Molekülen gelangen. Die, vermutlich negativen, Differenzkosten zwischen Angebots- und Nachfrageauktionen der Hintco wird über eine Zuwendung von öffentlicher Seite ausgeglichen. Solche pragmatischen Instrumente treiben den Markt voran. Wir müssen an allen Fronten gleichzeitig arbeiten, nicht nacheinander.
Für einen funktionierenden Wasserstoffmarkt brauchen wir alle Optionen – von der Produktion in Europa, über eine Pipeline-Import-Infrastruktur bis hin zu Ammoniaklösungen. Der SoutH₂ Corridor ist ein Teil der Lösung, aber nicht die einzige stabile Wasserstoffinfrastruktur in Europa. Denn für schwer zu dekarbonisierende Sektoren müssen wir uns bildlich gesprochen auf der Überholspur befinden. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Zielgruppen Industrien sind, die schnell große Wasserstoffmengen zu niedrigen Preisen brauchen. Richtig umgesetzt, kann Wasserstoff Europas industrielle Basis sichern und sogar stärken. So lässt sich das Projekt mit der deutschen Autobahn vergleichen. Der SoutH₂ Corridor ist die Lkw-Spur: langsamer, aber für die großen Lasten ausgelegt. Andere Energieträger wie Ammoniak oder Methanol repräsentieren dagegen die Überholspuren.