Die Klimaziele sind schon sehr ambitioniert, wenn wir diese aus der heutigen Position betrachten. Schneller als erwartet entwickeln sich einige Energieziele. An vielen Tagen im Jahr werden mehr als 50 Prozent des Strombedarfs durch Windkraft produziert. Doch bei der Wärmeversorgung der Gebäude besteht Handlungsbedarf, wie luckx – das magazin recherchierte.
Emissionen
Was die Klimaziele angeht, fehlt es nicht an ambitionierten Verkündungen: Die EU will mit dem Green Deal bis 2050 klimaneutral werden, Deutschland bis 2045, die Landesverwaltung Baden-Württemberg und die meisten Firmen bis spätestens 2030. Den wesentlichen Anteil an den Klimaemissionen verursacht der Gebäudebestand – von der Industrieproduktionshalle über die Logistikimmobilie bis zum Rathaus oder den Hochschulen. So wird die Energiewende, deren Fokus in den vergangenen Jahren vor allem auf der Stromerzeugung lag, nun auch für den Gebäudesektor immer dringlicher: „Sektorübergreifend muss der Gebäudebestand schnellstmöglich klimaneutral werden, vor allem also bei der Wärmeerzeugung per saldo praktisch kein CO2 mehr ausstoßen. Hier spielt die grüne Wärmetransformation eine Schlüsselrolle auf dem Weg zur Klimaneutralität. Während wirtschaftliche Lösungen für die regenerative Stromerzeugung mit Photovoltaik und Windenergie zur Verfügung stehen, fehlen sie noch für die grüne Wärmetransformation in Bestandsliegenschaften“, so Prof. Dr. Michael Bauer, Partner der Drees & Sommer SE.
Erneuerbare Energie
Mehr als die Hälfte des gesamten Endenergieverbrauchs macht in Deutschland die Wärmebereitstellung aus. Dazu zählen Raumwärme, Warmwasser, Prozesswärme oder auch die Wärme zur Kälteerzeugung. Neben Energieeffizienzmaßnahmen muss der Anteil erneuerbarer Energieträger eine viel größere Rolle einnehmen. Denn seit 2013 wächst der Beitrag erneuerbarer Energieträger am deutschen Wärmeverbrauch nur wenig. Derzeit beträgt er mit rund 17,4 Prozent nicht einmal ein Fünftel. Was allein das Heizen angeht, kommt bei der Hälfte der Privathaushalte in Deutschland Gas und bei etwa weiteren 20 Prozent Heizöl zum Einsatz. Mit dem modifizierten Gebäudeenergiegesetz, auch als GEG oder Heizungsgesetz bezeichnet, erscheint es, dass das Aus für Öl- und Gasheizungen kommen könnte. Doch weiterhin wird Schiffsladung und Schiffsladung in Deutschland entladen und dem Gasnetz zugeführt. Wahrscheinlich auch noch in den nächsten 20 Jahren. Ein generelles Verbot wurde aufgehoben und eine direkte Verpflichtung zur Wärmepumpe besteht nicht mehr.
Fehlende kommunale Wärmeplanung
Im Rahmen des Gesetzes zur kommunalen Wärmeplanung müssen spätestens in fünf Jahren alle Kommunen in Deutschland Pläne vorgelegt haben, wie sie eine klimafreundliche Wärmeversorgung sicherstellen. Insbesondere geht es dabei um die Potenziale für den Anschluss von Gebäuden an Wärmenetze. Doch ob die Kommunen dazu in der Lage sein werden, ist weiterhin offen. Und wenn auch die Planung gelingen sollte, bleibt weiterhin ungeklärt, ob der Prozess dann aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels in die Tat umgesetzt werden kann.
Wenn der Anteil erneuerbarer Energieträger bei Fern- und Nahwärmenetze möglichst hoch ist, gelten sie nicht nur als umweltfreundlich, sondern lohnen sich oft auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Zum Beispiel könnten die Kosten für die Anschaffung und Wartung der Heizungstechnik in einzelnen Gebäuden entfallen und die Investition in die zentrale Heizanlage sich auf alle angeschlossene Haushalte verteilen. Durch die gemeinsame Nutzung werden zudem die Anlagen besser genutzt und Potenziale voll ausgeschöpft. „
Plan für landeseigene Gebäude in Baden-Württemberg
Den Einsatz von Wärmepumpen will auch die Landesregierung Baden-Württemberg deutlich ausbauen, wie Prof. Kai Fischer, Ministerialdirigent im Finanzministerium des Landes berichtet. Dort leitet er die Abteilung Vermögen und Hochbau. Zu den Liegenschaften des Landes gehören rund 8.000 Gebäude mit etwa 12 Millionen Quadratmetern Gebäudefläche. Die Bauwerke stammen aus unterschiedlichen Baujahren, ein Teil davon ist denkmalgeschützt. „Unsere Landesgebäude spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, den CO2-Ausstoß der Landesverwaltung zu senken. Denn bei der Landesverwaltung gehen 80 Prozent der CO2-Emissionen auf die Landesgebäude zurück, also Hochschulen, Polizeipräsidien oder Finanzämter. Die Landesverwaltung soll bis 2030 nettotreibhausgas-neutral werden. Wie die Landesliegenschaften dazu beitragen, haben wir in unserem Energie- und Klimaschutzkonzept zusammengefasst“, erklärt Fischer. So verzichtet die Landesregierung künftig auf Heizöl zur Wärmeerzeugung und ersetzt es in eigenen Heizzentralen bis 2028 durch Erneuerbare Energieträger. „Auch Erdgas setzen wir bei neuen oder zu modernisierenden Anlagen nur noch in Ausnahmen ein. Genauso setzen wir auch den Ausbau von Blockheizkraftwerken bzw. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die fossile Brennstoffe nutzen, nicht fort.“ Im Energie- und Klimaschutzkonzept des Landes sind zahlreiche weitere Maßnahmen aufgeführt: Für die 58 nicht-universitären Heizwerke mit einer Wärmeleistung über 1 MW werden aktuell Machbarkeitsstudien erarbeitet mit dem Ziel einer klimaneutralen Wärmeerzeugung. Photovoltaik auf den Landesdächern wird bis 2026 kräftig ausgebaut: So soll sich die PV-Fläche auf mindestens 250.000 m² verdoppeln und bis 2030 möglichst alle geeigneten Landesgebäude mit PV-Anlagen ausgestattet werden. Auch Solarparks an Hochschulstandorten sind angedacht genauso wie die Überlassung geeigneter Flächen für Freiflächen-Photovoltaik.
Industrie und Gewerbe gefordert
Doch nicht nur den privaten Haushalten und der Öffentlichen Hand stehen enorme Herausforderungen bevor: „Auch die Industrie steht bei der grünen Wärmetransformation ganz am Anfang. Großwärmepumpen, Nah- und Fernwärmenetze, die Tiefengeothermie oder Abwärme aus Industrieprozessen und Abwasserkanälen werden die Wärmeinfrastruktur der Zukunft prägen. Ein effektiver Schlüssel zum Erfolg von Zero Carbon besteht auch in der Sektorkopplung. Hier werden Industrie, Mobilität, Wärme und Strom werden nicht mehr isoliert betrachtet, sondern interagieren miteinander“, betont Michael Bauer.