Verschwendungssucht

Eltern oder Großeltern sagten früher: Kind, du musst aufessen, damit es schönes Wetter gibt. Heute müsste das geändert werden in: Kind, du musst aufessen, damit die Welt gerettet wird. Warum das bald so sein könnte, hat luckx – das magazin recherchiert.

Lebensmittel verschwenden

Alles, was an Lebensmitteln produziert wird, kommt nicht auf den Teller. Schon bei der Produktion werden „misslungene“ Exemplare von Gurken, Tomaten und allem anderen entsorgt. Irgendwohin. Beim Transport in den Supermarkt entstehen Verluste. Und was am Abend nicht verkauft wurde, landet im Container. Denn am nächsten Tag kommt frische Ware und die muss auch wieder verkauft werden. So ist der Kreislauf. Dazu kommt noch verdorbene Ware im Kühlschrank oder die Reste vom Teller. Insgesamt sollen mehr als 50 Prozent der produzierten Lebensmittel so bildlich gesprochen in der Tonne landen. Zwar gibt es „Rettungsorganisationen“ wie die Tafeln. Doch auch dort gibt es meist personelle Grenzen.

Um noch in ein paar mehr Bildern zu sprechen, hier einige Zahlen: Rund 6,5 Millionen Tonnen Lebensmittel werden jährlich in Deutschland weggeworfen. Das sind 325.000 LKW Ladungen. Hintereinander stehend ergeben sie einen LKW-Stau von 5.850 Kilometer – Stoßstange an Stoßstange. Das entspricht der Landstrecke vom Nordkap in Norwegens Norden bis Gibraltar in der Südspitze der Iberischen Halbinsel. Und wenn jetzt auf ein Zeichen hin alle LKWs ihre Ladung abkippen – genug mit den Bildern.

Verändertes Einkaufsverhalten

Jeder Deutsche hat somit 78 Kilo Nahrungsabfälle produziert. Und damit sind keinesfalls verdorbene Produkte gemeint. Vielmehr geht es um Überflüssiges, zu große Mengen oder optisch Unansehnliches. Hoffnung machen Umfragen, die zeigen, dass fast siebzig Prozent aller Deutschen gezielt nur das einkaufen, was sie auch verbrauchen wollen und können. Allerdings herrscht auch in unseren Supermärkten Überfluss und vieles landet am Ende des Tages im Müll. Eigentlich ein Grund, sich aus den Reste-Containern zu bedienen. Doch darf man das nicht. Denn das ist Diebstahl.

Gern wird dabei von „Mundraub“ gesprochen. Doch dieser Begriff ist irreführend, denn aus strafrechtlicher Sicht liegt gar kein Raub vor. Um von Raub zu sprechen, ist zwingend eine Androhung oder Anwendung von Gewalt notwendig, ansonsten handelt es sich um Diebstahl. Und eben darum geht es beim sogenannten Mundraub; nämlich um Diebstahl oder Unterschlagung von Nahrungsmitteln zum baldigen Verzehr. Aber auch das ist ein Straftatbestand und nicht – wie allgemein weit verbreitet – die Rettung überflüssiger Lebensmittel oder womöglich sogar das Recht des Notleidenden. Egal, ob in einem Geschäft zugegriffen wird oder in dessen Hinterhof: Gibt es keine Erlaubnis hierfür, gilt der Gegenstand als gestohlen – da helfen weder Moral noch Notlage. Dasselbe gilt übrigens auch für Angestellte, die einen Rest mitnehmen, von dem sie wissen, dass er entsorgt wird. Erlaubt die Geschäftsleitung dieses nicht eindeutig, läuft der Arbeitnehmer Gefahr entlassen zu werden (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Az.: 7 Sa 182/07).

Containern“ ist illegal

Auch das sogenannte Containern, also die Entnahme aussortierter Lebensmittel aus Abfallcontainern von Supermärkten oder der Gastronomie, ist nicht legal. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob diese weggeworfenen Reste sogar schon das Haltbarkeitsdatum überschritten haben oder unansehnlich sind. Und es ist auch unwichtig, ob das Geschäft die Lebensmittel tatsächlich entsorgen möchte: Die Inhalte solcher Container sind Eigentum der Läden und damit kein Allgemeingut. Eine gute Alternative ist es, bei Organisationen wie Foodsharing mitzumachen und in Absprache mit den Supermärkten Lebensmittel vor Tonne und Container zu retten.

Diebstahl ist Straftat

Tatsächlich ist der Straftatbestand des Diebstahls nicht ohne und kann mit einer Geldstrafe oder einem Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Dennoch ist angesichts der Zahlen klar, dass es einen Wandel im Umgang mit Lebensmittelabfällen geben muss. Politische Versuche, die Mitnahme tatsächlich entsorgter Lebensmittel in bestimmten Fällen zu legalisieren, sind immer wieder gescheitert. Denn, da es sich um die Veränderung von Richtlinien des Straf- und Bußgeldverfahrens handelt, ist dies Ländersache. Ein weiteres Problem: Die Gewährleistung, dass die Lebensmittel noch zum Verzehr geeignet sind, liegt bei den Händlern bzw. Gastronomen. Sie könnten also haftbar gemacht werden, wenn es auf diesem Wege zu Lebensmittelvergiftungen käme. Unser Rechtssystem ist eben auf alles vorbereitet.

Diebstahl aus Nachbars Garten

Nicht nur innerhalb des Handels, auch in der Landwirtschaft stößt die Selbstbedienung nicht auf große Freude. Denn auch das Pflücken bzw. Sammeln von Obst am Wegesrand kann als Diebstahl gelten und damit tabu sein. Nur, wenn gesichert ist, dass die Bäume keinen Eigentümer haben, darf man sich daran bedienen. Doch das ist üblicherweise nicht der Fall. Selbst bei freistehenden Obstbäumen ist Vorsicht geboten, da ein Spaziergänger in der Regel nicht erkennen kann, ob die Wiese verpachtet ist oder nicht. Findet man hingegen im Wald Blaubeeren oder am Wanderpfad einen Brombeerstrauch, ist das Pflücken erlaubt.

Handstraußregel

Die sogenannte Handstraußregelung ist im Bundesnaturschutzgesetz verankert und erlaubt – wie der Name schon sagt – beispielsweise wildwachsende Blumen, aber auch Kräuter sowie Beeren in geringen Mengen zu pflücken und zu sammeln. Dabei darf das betreffende Gewächs nicht unter Naturschutz stehen und nur für den Eigenbedarf gesammelt werden. Wer ohne Genehmigung Naturalien für gewerbliche Zwecke mitgehen lässt, macht sich strafbar.