Bildungslücken

Wir haben alle schon davon gehört oder gelesen, dass unsere Schulen nicht den erforderlichen Unterricht leisten können. Es fehlen Computer – obwohl die Finanzmittel vorhanden sind, es fehlen Online-Bildungspläne – obwohl genug Zeit seit dem Frühjahr 2020 war, um solche zu entwickeln. Und nun wird lamentiert, unsere Jugend wird abgehängt. Auch wird diskutiert, Schulen und Kindergärten so schnell wie möglich wieder zu öffnen. Was haben die Kultus- und Bildungsminister in den vergangenen 12 Monaten getan, um diese Misere zu verhindern? Soll durch eine schnelle Öffnung von Schulen und Kindergärten das marode deutsche Bildungssystem vertuscht werden? Wann wird endlich gehandelt?

Pandemiefolgen

Klar ist, dass Kinder mit der gleichen Viruslast belastet sind wie Erwachsende. Und gerade beim engen Kontakt zwischen Erzieherin und Kindergartenkindern, zwischen Grundschulkindern und Grundschullehrern sowie allen weiteren Schulformen ist eine Übertragung unvermeidbar. Da hilft es auch nicht, wenn alle 20 Minuten Fenster geöffnet werden und unsere Kinder mit einer Erkältung wieder zuhause ankommen – und es dann noch anstrengender für Eltern und Wirtschaft wird. Vielleicht ist der Bildungsministerrunde noch nicht bekannt, dass sich Deutschland nicht mehr im Mittelalter befindet. Auch findet der „Virus-Krieg“ nicht wie der 30-jährige Krieg nur im Sommer statt.

Durch die Folgen der Pandemie entstehen gegenwärtig bei Millionen von Schülerinnen und Schülern enorme Bildungsrückstände. Die Schere zwischen Kindern und Jugendlichen, die zu Hause und in der Schule bessere oder schlechtere Lernbedingungen vorfinden, wird immer größer. Es ist absehbar, dass die öffentlichen Schulen das nicht allein auffangen können. Deshalb fordern Politikerinnen und Politiker jetzt schulbegleitende Förderangebote. Nun sollen private Nachhilfe-Institute diese Aufgabe übernehmen. Und die freuen sich schon darauf, die Lücken zu schließen.

Bildungsschutzschirm gefordert

Bundesbildungsministerin Karliczek hat an die Länder appelliert, zusätzliche Lernangebote für Schülerinnen und Schüler zu schaffen, damit Kinder und Jugendliche den versäumten Unterricht aufholen könnten. Und Grünen-Chefin Annalena Baerbock fordert einen Bildungsschutzschirm, zu dem ein bundesweiter Anspruch auf Corona-Förderung bei Lernrückständen gehören soll.

Wir helfen den Schülerinnen und Schülern derzeit online in kleinen Gruppen oder einzeln“, erklärt Andreas Durth, Mitglied der Geschäftsführung des Studienkreises. „Das heißt, sie erhalten regelmäßigen Unterricht von ihrer Nachhilfelehrkraft. Außerdem bekommen sie auch zwischen den Lerneinheiten kurzfristigen Support durch unsere Homeschooling-Hilfe per Videochat. In speziellen Kursen vermitteln wir zudem kompakt Stoffinhalte, den die Kinder und Jugendlichen während der Homeschooling-Phasen versäumt haben. Sobald Präsenzunterricht wieder möglich ist, haben die Schülerinnen die Wahl zwischen Unterricht vor Ort und online.“

Lernrückstände und Dauerfolgen

Fast 80 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland sehen laut einer Umfrage im Auftrag der Robert Bosch Stiftung coronabedingte Lernrückstände bei ihren Schülerinnen und Schülern. Eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag des Studienkreises ergab: Etwa ein Drittel der befragten Eltern nimmt in der Pandemie einen verschärften Druck auf ihre Kinder wahr. Viele Väter und Mütter sorgen sich laut der Umfrage zudem um die Zeugnisnoten. Auch langfristige Auswirkungen der Coronakrise drohen: So hat das ifo-Institut berechnet, dass Schülerinnen und Schüler 4,5 Prozent an Lebenseinkommen verlieren, wenn die Schulen bis Ende Februar geschlossen bleiben.

Forderungen nach mehr staatlich finanzierter Nachhilfe werden daher auch außerhalb der Parteien lauter. So forderte die stellvertretende Vorsitzende des Bundeselternrates, Sabrina Wetzel, im Deutschlandfunk ein „breit angelegtes und kostenloses Nachhilfeprogramm für Schülerinnen und Schüler“. Die Sozialwissenschaftlerin Alexandra Langmeyer sagte dem SPIEGEL: „“enn man Milliarden für Not leidende Unternehmen bereitstellt, warum dann nicht auch ein angemessenes Budget etwa für öffentlich finanzierte Nachhilfelehrer?“

Dabei stellt sich die Frage, warum Schule in einer Zeit, wo alle gefordert sind, diese umfassende Schülerbetreuung nicht leisten kann – oder will und sie auf private Organisationen verlagert werden muss. Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher sind meist in staatlicher (oder kommunaler) Anstellung und haben, im Gegensatz zu vielen Eltern, die ums tägliche Überleben kämpfen, keine Einkommensverluste. Neben diesen Überlebenskampf sollen sie auch noch umfangreich Homeschooling leisten. Sicher, Eltern wollten Kinder. Und wollen das beste für sie. Wer die Finanzmittel hat, kann auch zuhause bleiben oder Privatunterricht bezahlen. Doch unser Staat eine eine Fürsorgepflicht für seine Bürgerinnen und Bürger. Daran sollte sich nun endlich die Kultusministerkonferenz orientieren.