Zu Beginn der Corona-Pandemie herrscht große Aufregung unter den Immobilienmakler. Deren große Sorge war, dass der Immobilienmarkt völlig zusammenbrechen würde. Doch das Gegenteil scheint zu sein. Die Nachfrage ist weiterhin hoch, die Preise steigen, doch viele können sich deshalb den Traum vom eigenen Heim nicht erfüllen. Trotzdem wagt luckx – das magazin einen Blick in eine unübersichtlichen Markt.
Keine Preiseinbrüche
Durch die Corona-Pandemie ist die Situation von potenziellen Immobilienkäuferinnen und -käufern in Deutschland noch schwieriger geworden. Auch Mieterinnen und Mieter bleiben stark belastet. Das ergibt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte neue Studie. Anders als Anfang vergangenen Jahres durchaus für möglich gehalten, gab es 2020 keine Preiseinbrüche bei Wohnimmobilien, sondern im Gegenteil in vielen Regionen einen zusätzlichen Pandemie-Effekt, der den Preisauftrieb weiter verstärkt hat. Im bundesweiten Durchschnitt zogen die Angebotspreise für Eigentumswohnungen um zusätzliche 0,7 Prozentpunkte an, die für Ein- und Zweifamilienhäuser sogar um 1,1, Prozentpunkte. Auch die Angebotsmieten für Neuverträge haben 2020 schneller als die Einkommen zugelegt. Der zusätzliche Corona-Effekt ist hier bundesweit klein und regional unterschiedlich: Während die Pandemie das Neu-Mietenwachstum in Groß- und Mittelstädten leicht gedämpft hat, trieb sie in ländlicheren Regionen die Angebotsmieten für Neuverträge zusätzlich nach oben. Da gleichzeitig die Einkommen vieler Menschen trotz der weitgehend erfolgreichen staatlichen Stabilisierungspolitik weniger stark zulegten als die Mieten, dürfte der Anteil der Mietausgaben am durchschnittlichen Verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte im Jahr 2020 gestiegen sein. Bei Haushalten, die einen neuen Mietvertrag abschlossen, erhöhte sich die Belastungsquote durch die Nettokaltmiete spürbar um 0,6 Prozentpunkte, wovon 0,3 Prozentpunkte auf Auswirkungen der Pandemie zurückzuführen sind. Das ist für ein einzelnes Jahr erheblich, und es ist noch unklar, ob und wie schnell sich der Effekt zurückbildet.
Relevante Marktdaten
Forscher der International Real Estate Business School (IREBS) an der Universität Regensburg haben im Auftrag der Stiftung für 2020 die relevanten Daten auf dem deutschen Wohnungsmarkt analysiert und die Entwicklungen einem Szenario ohne Pandemie gegenübergestellt). Dafür nutzten sie zahlreiche Prognosen, die 2019 für 2020 abgegeben worden waren. Fazit der Immobilienexperten um Prof. Dr. Tobias Just nach dem ersten Corona-Jahr: „Starke Verwerfungen auf den Wohnungsmärkten wurden durch die Pandemie (bislang) nicht ausgelöst“. Insbesondere wurde die aufsteigende Tendenz bei der Neubautätigkeit nicht unterbrochen, weil die Baustellen trotz der Erschwernisse offenblieben. Doch die weitgehende Kontinuität bedeutet auch, dass Mieten und vor allem Kaufpreise wie in den Vorjahren stärker stiegen als die Einkommen. Das vergrößert die Ungleichheit auf den Wohnungsmärkten: Wohneigentum werde vielerorts vor allem für Haushalte mit durchschnittlichen oder kleineren Einkommen „zunehmend unerschwinglich“, schreiben die Immobilienökonomen. Und vor allem für Mieter mit geringen Einkommen, die schon vor der Krise einen relativ hohen Anteil ihres Geldes fürs Wohnen aufwenden mussten, „dürfte sich die Belastung durch hohe Wohnkosten verschärft haben“, so Just und sein Ko-Autor Rupert K. Eisfeld.
Nachfrage nach Wohnraum wächst langsamer
Insgesamt nahm die Nachfrage nach Wohnraum laut der Analyse 2020 im Vergleich zu den Vorjahren weiter zu, der Zuwachs hat sich aber verlangsamt. Erstens blieb durch niedrigere Zuwanderung und erhöhte Sterblichkeit das erwartete Bevölkerungswachstum aus. Die Einwohnerzahl in Deutschland stagnierte und lag damit um etwa 190.000 Personen niedriger als im Vorjahr von Demographen vorausberechnet. Das entspricht rund 97.000 Haushalten weniger als erwartet. Zweitens litten die Einkommen durch die Pandemie, was Wohnungssuchen ebenfalls bremste. Insbesondere das Bevölkerungswachstum in den großen Kernstädten wurde reduziert, teilweise sanken die Einwohnerzahlen sogar, vermutlich, weil weniger Menschen aus dem Ausland zuzogen, und weil angesichts von Digitalbetrieb an Hochschulen und von geschlossenen Läden und Kulturangeboten die Binnenwanderung jüngerer Menschen Richtung Großstädte mutmaßlich abnahm.
Dass das Interesse an den Großstädten zumindest temporär gesunken ist, legt auch eine Analyse des Internetsuchverhaltens nahe, die die Forscher vorgenommen haben. Vor dem Hintergrund von Lockdown und Homeoffice suchten Haushalte zusätzlichen Platz. Die Suchanfragen nach „Balkon“, „Garten“ oder „Arbeitszimmer“ schossen während der Pandemie deutlich nach oben, ebenso wie „Haus kaufen“, eine Suchanfrage, die seit dem Frühjahr 2020 um knapp 27 Prozent häufiger gestellt wurde als vor der Pandemie. Solche Wohnangebote lassen sich häufig leichter und preisgünstiger außerhalb der Kernstädte finden.
Wird fortgesetzt.