Sport und Bewegung im Kindesalter ist wichtig für die körperliche und persönliche Entwicklung unseres Nachwuchs. Wer nun denkt, dass sich alle Kinder dem Leistungsgedanken hingeben, täuscht sich. Doch gerade in jungen Jahren kann der Leistungssport prägend für die weitere Entwicklung sein. Wer nun denkt: Ach die armen Kinder, werden schon in jungen Jahren von den Eltern oder Trainern nur auf Leistung getrimmt und verlieren ihre Kindheit. Das ist völliger Quatsch und kann nur von den Menschen kommen, die so etwas nicht erlebt haben. Sicherlich, einige Eltern und Trainer überziehen ihre Kinder mit völlig überfordernden Leistungsansprüchen. Doch im Gegensatz zu Erwachsenen haben sie sozusagen eine „eingebaute Sperre“. Wenn´s nicht mehr geht, geht´s nicht mehr. Das bedeutet: Erwachsene können über ihre Grenze hinausgehen, Kinder bis zu einem gewissen Alter können sie das. Da hat die Natur vorgesorgt. Dieses Phänomen wurde in Studien bestätigt. Und Kinder sind auch keine kleinen Erwachsenen. Ihre Knochen, Muskeln, Sehnen, sowie der Stoffwechsel, funktionieren im Alter des Heranwachsens anders. Deshalb ist beim Sport explizit immer ein kind- und entwicklungsgerechtes Training anzubieten und kein reduziertes Training von Erwachsenen.
Leistungssport
Unsere Gesellschaft liebt den Leistungssport. Insbesondere dann, wenn er vom Sofa aus verfolgt werden kann. Doch werden Missstände aufgedeckt, wird schnell nach Schuldigen gesucht, um diese „ans Kreuz zu nageln“. Sicherlich, Doping, physischer und psychischer Terror, unlautere Mittel sind weder zu dulden noch ist Nachsicht zu walten, obwohl sie im Sport seit der Antike üblich sind.
Im Übrigen: Werden Kinder überfordert, „wehren“ sie sich dagegen, haben irgendwann keinen Spaß mehr dabei und hören mit dem Sport auf. Die „Leidtragenden“ sind dann in erster Linie die überengagierten Eltern und Trainer, die die Verwirklichung ihrer Träume nachtrauern. Werden Kinder in späteren Jahren nach ihren Erfahrungen mit dem Leistungssport befragt, so sind die positiven Erinnerung geblieben. Meistens fanden sie den Leistungssport als Bereicherung für ihr Leben und möchten die Erlebnisse und Erfahrungen nicht missen.
Doch zurück zu Sport und Bewegung im Kindesalter.
Mehr Bewegung
Die Bewegungsaktivität ist bei Kindern größer als bei Erwachsenen. Das liegt am Überschuss neuronaler Transmitter, an der Dominanz zerebraler Antriebe, der Neugier und daran, dass körperliche Anstrengung von Kindern subjektiv weniger stark empfunden wird. Kinder sollten frühzeitig in ihrem Bewegungsdrang und ihrer „Bewegungsneugier“ gefördert werden, um das Interesse am Sport im frühen Schulkindalter (6-10 Jahre), im späten Schulkindalter (ab 10 Jahre) und später in der Pubertät zu erhalten. Ein sportmotorisches Training im Kindes- und Jugendalter dient nicht nur der der Leistungsoptimierung, der Haltungs- und Verletzungsprophylaxe, sondern auch der gesamt-physischen und psychischen Entwicklung.
Während die Skelettmuskulatur morphologisch zwischen Kindern und Erwachsenen sehr ähnlich ist, gibt es bedeutende Unterschiede im Stoffwechsel und damit der Funktion der Muskeln, die es für das kindgerechte Training zu berücksichtigen gilt. Die Energiebereitstellung erfolgt zugunsten eines oxidativen Stoffwechsels. Deshalb ist zum Beispiel ein isoliertes und fokussiertes Krafttraining nicht zielführend. Ein alleiniges Training der anaeroben Kapazität ebenso wenig, wegen eingeschränkter Laktatbildung.
Dazu kommt, dass der Testosteronspiegel bei Kindern beider Geschlechter sehr niedrig ist. Daher unterscheidet sich die Muskelkraft nur geringfügig zwischen Jungen und Mädchen. In der Pubertät beginnt – bedingt durch Hormonschübe – die Divergenz zwischen physiologischen Leistungsfaktoren und anthropometrischen Größen bei Jungen und Mädchen. Kurz vor der puberalen Phase kommt es zur Verzehnfachung des Testosteronspiegels bei Jungen. Die Muskelmasse nimmt von 27 auf 40 Prozent zu.
Bewegungsmangel und Haltungsschwächen
Von der gesellschaftlichen Bewegungsarmut werden auch Kinder und Jugendliche nicht verschont. Ein chronischer Bewegungsmangel führt bei vielen zu Kraft- und Haltungsdefiziten. Ein kritisches Alter ist zwischen 6 und 8 Jahren: hier steigt die Haltungsschwäche bereits auf bis zu 70 Prozent, das Übergewicht auf 20 Prozent. Ein steigender Fettanteil führt zur Reduktion der sportmotorischen Leistungsfähigkeit. Hier wirkt ein kindgemäßes Muskel- und Krafttraining entgegen. Dieses hat positive Auswirkungen auch auf die gesamtmotorischen Fähigkeiten: die Bewegungen werden dynamischer, präziser, fließender.
Der Grat zwischen Mangelbelastung und Verletzungsfolgen durch Überlastung muss jedoch stets im Blick bleiben. Die Empfindlichkeit des Gewebes von Kindern verhält sich proportional zur Wachstumsgeschwindigkeit. Der kind- bzw. jugendliche Bewegungsapparat ist im Vergleich zum Erwachsenen in größerem Maß der Gefahr von Überlastungsschäden durch unphysiologische Trainingsreize ausgesetzt. Die Belastungsverträglichkeit kann bei kalendarisch und auch biologisch gleichaltrigen Kindern sehr unterschiedlich sein.
Der Knochen ist erhöht biegsam (relative Mehreinlagerung von weicherem fibrösem Gewebe), aber vermindert zug- und druckfest. Das Sehnen- und Bandgewebe ist aufgrund schwächerer struktureller Struktur (reduzierte micellare Anordnung) weniger zugfest. Das Knorpelgewebe, bzw. die Wachstumsfuge sind aufgrund wachstumsbedingter Teilungsrate und Differenzierung stärker gegenüber Druck- und Scherkräften gefährdet. Die Wiederherstellungszeit und Adaptation des passiven Bewegungsapparates verläuft langsamer als die subjektive „Erholung“.
Überlastungsbedingte Verletzungen sind daher v.a. Wachstumsstörungen der Sehnenansätze (Osteochondrosen und Ossifikationsstörungen der Apophysen). Akute traumatische Verletzungen sind v.a. Apophysenausrisse und Avulsionsverletzungen.
Präventiv sind eine muskuläre Beanspruchung und kindgerechtes Krafttraining zur umfassenden Ausbildung der körperlichen Leistungsfähigkeit unersetzlich. Wichtig dabei: eine optimale Ausbildung vielfältiger sportmotorischer Fähigkeiten für die Adaptation und Ausrichtung des Knochengewebes und die Zugfestigkeit des Bindegewebes.
Ärztliche Kontrolluntersuchungen
Aufgrund dieser Voraussetzungen sind zwingend auf jedem Leistungsniveau ärztliche Kontrolluntersuchungen erforderlich. Doch gerade in den Leistungsgruppen, die sich unterhalb der Nationalkader befinden, sind solche Kontrollen selten bis überhaupt nicht vorhanden. Gerade dort sind solche Untersuchungen hilfreich; nicht nur für die jungen Sportlerinnen und Sportler. Wenn dann noch die Eltern und Trainer mit eingebunden werden, lassen sich frühzeitig negative Entwicklungen sowohl beim einzelnen jungen Sportler als auch in der Gesellschaft reduzieren. Doch bis wir soweit sind, werden noch viele Jahre vergehen. Die Hoffnung bleibt, dass Kinder, Eltern, Trainer und Betreuer gut zusammenarbeiten zum Wohle der Kinder und auch des Sports.