Long COVID und die Folgen

Es ist noch nicht hinreichend bekannt, wie sich das Corona-Virus auf uns Menschen auswirkt. Doch schon jetzt ist bekannt, dass das Virus Langzeitfolgen verursachen kann. Deshalb sind weiterhin Hygienemaßnahmen unvermeidlich und Impfungen angesagt. So beschäftigt sich auch die Messe Medica am 17. und 18. November in Düsseldorf mit diesem Thema. Luckx – das magazin blickt voraus.

Langzeitfolgen

Aber nicht nur das Corona-Virus steht auf der Agenda der weltführenden Medizinmesse MEDICA. Nach einem Jahr Corona-bedingter Auszeit ist dieses Jahr wieder das Präsenzformat auf dem Düsseldorfer Messegelände möglich. Auf der im Rahmen der Messe stattfindenden MEDICA MEDICINE + SPORTS CONFERENCE berichten wieder international renommierte Sportmediziner, Sportwissenschaftler, Visionäre, Physiotherapeuten, Sport-Techies und Experten zum interdisziplinären Dialog über innovative Ansätze in Prävention, Regeneration und Rehabilitation im Spitzensport und Gesundheitssport. Zu den Topthemen in diesem Jahr zählen die Sportrückkehr nach einer SARS-CoV-2-Infektion, individualisierte Trainingsprogramme für „Active Ageing“ sowie auch digitale Innovationen für die Sportmedizin.

Return to Sports

Gestartet wird die Konferenz mit der Session zum Thema „Return to sports“ nach einer durchgemachten Corona-Infektion. Im Fokus steht das Thema Long COVID. Eine der Betroffenen ist Lena Mikulic. Sie ist deutsche U-21-Vizemeisterin in Karate und stand bereits im Zentrum einer Fernsehdokumentation. Nach einer Corona-Erkrankung mit mildem Verlauf im November 2020 stellte sie fest, dass das Training nicht mehr funktionierte. Bei den Untersuchungen durch Prof. Jürgen Steinacker, Ulm, im März 2021 wurde bei ihr Long COVID diagnostiziert – unter anderem mit einer Myokarditis und einem Herzbeutelerguss. Mikulic und Steinacker werden bei der MEDICA MEDICINE SPORTS CONFERENCE vortragen. Wer glaubt, bei Long COVID handele es sich um eine nicht so gravierende Phantom-Krankheit, liegt falsch. Das stellt Prof. Steinacker im Ausblick auf seinen Vortrag klar. Leistungssportler achteten sehr auf ihren Körper, so Steinacker: „Wir reden hier nicht nur über fünf Prozent Leistungsverlust, sondern das können dreißig bis fünfzig Prozent sein.“ Eine 32-Jährige könne so auf eine Sauerstoffaufnahme einer 50-Jährigen zurückfallen. SARS-CoV-2 ist dabei zwar nicht ganz einzigartig. Steinacker beobachtet „Fatigue“ auch bei anderen Virusinfektionen, allerdings sei diese meist abhängig von der Genetik des jeweiligen Menschen und damit seltener. SARS-CoV-2 ist dagegen in der Lage, breitere Bevölkerungsgruppen zu infizieren und zu schädigen. Experten gehen mittlerweile davon aus, dass 10 bis 20 Prozent der Infizierten an Long COVID erkranken.

Long COVID hat Züge einer Autoimmunkrankheit

Steinacker macht darauf aufmerksam, dass Long COVID Züge einer Autoimmunkrankheit aufweise: Das Immunsystem versucht das Virus zu bekämpfen, greift jedoch letztlich die körpereigenen Zellen an. Zudem wird das Virus bei einem Teil der Patienten auch über längere Zeit festgestellt. Als eine mögliche Ursache für den mitunter schlimmen Verlauf gilt, dass ein typisches Virus-Protein, das Spike-Protein, sehr allergen ist und unter anderem die Makrophagen des Immunsystems hyperaktiviert und die Funktion stört. Resultat ist, dass nicht nur das Herz, sondern auch die Muskeln und das Nervensystem geschädigt werden. Die Lunge ist dagegen bei Long COVID – im Gegensatz zur akuten Krankheit – nicht mehr so stark betroffen.

Die Behandlung gestaltet sich komplex. „Es gibt keine Standardtherapie“, führt Jürgen Steinacker aus, sondern es müsse multimodal vorgegangen werden. Die Therapie hat die Entzündung zu begrenzen, sollte antiviral wirksam sein, und umfasst den Einsatz von Immunmodulatoren wie Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren und pflanzlichen Präparaten wie Phytosterolen. Neurologische Komplikationen müssen behandelt werden. Pseudoallergien und Nahrungsunverträglichkeiten und Bauchschmerzen können auftreten: „Der individuelle Medikationsplan umfasst manchmal eine ganze Seite“, fasst Steinacker zusammen. Das Ulmer Institut beteiligt sich an der multizentrischen Kohortenstudie „CoSmo-S“, die die Empfehlungen zum sportlichen Wiedereinstieg nach durchgemachter Infektion mit SARS-CoV-2 präzisieren will. In Ulm allein wurden mehr als 180 Studienteilnehmer aufgenommen – deutschlandweit sind es bereits 1.500 bis 1.800 – und schon allein diese Zahl zeigt, wie sehr die Herausforderung wächst. In Baden-Württemberg wird unter Leitung von Prof. Wienfried Kern aus Freiburg mit Beteiligung von Tübingen, Heidelberg und Ulm die große EPILOC-Studie gestartet bei 50.000 Patienten nach der Infektion, um die Häufigkeit und die Schwere von Long COVID genauer zu erfassen.

Impfen hilft

Alles in allem steht für Prof. Jürgen Steinacker fest: „Jeder Leistungssportler muss geimpft sein!“ Das gelte besonders für alle Hallen- und Kontaktsportarten wie Fechten oder Boxen. Wie dramatisch die persönlichen Folgen von COVID-19 sein können, das macht Steinacker an Beispielen deutlich: „Ich betreue Profi-Fußballspieler, die konnten Wochen nach der überstandenen SARS-CoV-2-Infektion gerade mal einen Spaziergang machen.“ Nicht nur für Sportler ist die Erkrankung mit schweren Leistungseinbußen verbunden: „Wenn ein älterer Mensch plötzlich Probleme beim Treppensteigen bekommt, dann wird dies oft als normale Alterserscheinung angesehen.“ Es kann aber auch Long COVID sein – und fatale Folgen für die Lebensqualität des Einzelnen haben.