Bevor es zu Strafanzeigen wegen Tierquälerei oder Diskriminierung kommen sollte: Weder wir von luckx – das magazin, noch von Messeverantwortlichen oder Ausstellern ist es zum Schweinetreiben über die Biofach gekommen. Denn ganz im Vordergrund stand die vegetarische Ernährung und artgerechte Tierhaltung.
Viele Termine, viele Gespräche, wenig Zeit
Eine Messe ist für die Redaktion von luckx – das magazin immer mit viel Arbeit verbunden. Ein Termin jagt den nächsten. Da bleibt nicht viel Zeit zu tiefgründigeren Gesprächen. Jedenfalls verlaufen die meisten Gespräche eher kurz und knapp. Wenn das Thema für die Leserinnen und Leser von luckx.de – das magazin interessant sein sollte, wird vertieft nachgefragt oder zu einem späteren Termin notwendige Infos angefordert. Auch wenn das oberflächlich klingt, ist es das nicht. Denn wir besuchen seit vielen Jahren regelmäßig die gleichen Messen. So bauen sich intensive Kontakte auf und jeder weiß, was er vom anderen zu halten hat. Auch wenn zwischendurch „neue Gesichter“ auftauchen.
Bei der BIOFACH in Nürnberg ist es nicht anders. Auch mit den Kolleginnen und Kollegen von anderen Medien ist der Kontakt wichtig und wird gepflegt. Das vereinfacht und verbessert die Qualität der Arbeit. Doch manchmal kommt es dann zu Stilblüten, von denen wir selten berichten. Doch in diesem Fall sei der Kollegin herzlichen gedankt, die sich während eines Medienrundganges wegen des Zeitdrucks damit entschuldigte, dass sie im „Schweinsgalopp“ durch die Themen lief. Danke, liebe Frau Johne für die Anregungen zu dieser Überschrift.
Nachhaltigkeit in der Bioproduktion
Um bei der Tierhaltung zu bleiben: Obwohl Bundesagrarminister Özdemir bekennender Vegetarier ist, schlägt sein Herz auch für die artgerechte Tierhaltung. So jedenfalls bekannte er in seinem Statement vor der versammelter Bio- und Ökowelt. Doch damit nicht genug: Weiterhin hält er am 30 Prozent Ziel im ökologischen Landbau bis zum Jahr 2030 fest. Will heißen: 30 Prozent der gesamten Anbaufläche soll durch ökologischen Landbau gekennzeichnet werden. Wie er das erreichen möchte, bleibt offen. Denn der Umbau von konventionellen zum Ökobetrieb benötigt einen mehrjährigen Umstellungsprozess. Und wenn wie bisher, der konventionelle Landbau weiterhin höhere Unterstützung erfährt und sich die Produkte zu günstigeren Produktionskosten zu einem nur wenig geringeren Betrag vermarkten lassen, wird das nicht gelingen. Da muss der Minister ordentlich in den Etat greifen und in Brüssel für Finanzmittel kämpfen, dass das gelingt.
Darüber hinaus wird er mit dem Bauernverband und insbesondere mit seinem Präsidenten Joachim Rukwied intensive Gespräche führen, dass er das Landvolk von der Idee überzeugt. Denn Rudwied sieht keine zwingende Notwendigkeit zur Umstellung.
Zahlen überzeugen nicht
Und die Zahlen stehen eher auf Seiten des Bauernpräsidenten. Denn Bioprodukte werden aufgrund der gestiegenen Kosten seit dem Ukraine-Krieg, der Energiekrise und der hohen Inflation weniger nachgefragt. Das belegen auch die aktuellen Zahlen der Betriebsauswertung des Biofachhandels. Gestiegene Einstandspreise, höhere Energiekosten, gestiegene Löhne zum Beispiel durch Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro. Sicherlich ist letzteres absolut gerechtfertigt. Doch im Gesamtzusammenhang ist jede Kostensteigerung nachteilig für den Produktabsatz.
An mehreren Beispiel zeigte der Berater Klaus Braun den anwesenden Bio-Händlern und der gesamten Branche auf, wie die Schnelldreher im Biofachhandel zu Verlusten führten und weiterhin führen. Das ist umso erstaunlicher, weil gerade solche Produkte dem Handel zum gesicherten Einkommen helfen soll. Braun wies deutlich daraufhin, dass es sich bei einer Verstetigung dieser Situation zu erheblichen Schieflagen im Handel kommen wird. Sicherlich, so stellte er fest, kann der eine oder andere Händler mit einem geringeren Ertrag ein Jahr überbrücken. Doch danach wird er den Betrieb schließen müssen.
Nachhaltigkeitskosten
Intensiv wurde darüber diskutiert, wie in Zukunft die wahren Produktionskosten auf die erzeugten Produkte verteilt werden können. Denn ein Großteil der landwirtschaftlichen Produktion erfolgt mit Umweltverschmutzung und Umweltbelastung. Ein Beispiel ist sicherlich der Nitrateintrag ins Grundwasser durch die konventionelle Tierhaltung insbesondere in Niedersachsen. Wer bezahlt dafür? Sind das Kosten, die dem Staat und damit allen Bürger aufgelastet werden/dürfen? Scheint es nicht gerechter zu sein, es den Produkten anzulasten, die durch diese Umweltbelastung produziert werden? Diskutiert und gefordert wurde, darauf soziale Steuern, Klima-Steuern oder Nachhaltigkeitskosten zu erheben. Im Gegenzug sollten Bioprodukte davon entlastet werden. Insbesondere steht die Forderung im Raum, Bio-Produkte sofort von der Mehrwertsteuer zu befreien. Doch letzteres wird sicherlich nicht zum gewünschten Erfolg führen. Denn die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel beträgt 7 Prozent. Und wie mit einer Mehrwertsteuerreduktion umgegangen wird, haben wir aufgrund der Corona-Krise erlebt. Der Erfolg war gleich Null, Null.
Was sind die Konsequenzen?
Die Bio-Branche als auch die Landwirtschaft an sich sticht nicht unbedingt durch eine Dynamik hervor, die einen schnellen Veränderungsprozess einleiten könnte. Doch der ist gefordert. Und zwar besser gestern als heute. Nun ist gestern schon vorbei. Wenn die Branche gerettet werden soll, muss sie schneller werden. Das bedeutet, die Akteure müssen schnell zu Gesprächen kommen und schnell Entscheidungen treffen und noch schneller handeln. Es bleibt keine Zeit für langwierige, ideologische Diskussionen und Prozesse. Die Zielrichtung ist vom Bundesagrarminister vorgegeben. Doch diese Ziele lassen sich nur dann erreichen, wenn die Existenz der Biobranche gesichert wird. Mehr Bioprodukte können nur an den Mann und an die Frau zu akzeptablen Preisen gebracht werden, wenn die Vertriebswege offen sind.
Über allem steht ein Ziel, dass für Sie, liebe Leserinnen und Leser, von besonderer Bedeutung ist, und deshalb hier so ausführlich diskutiert wurde: Die Versorgungssicherheit mit gesunden, schmackhaften Lebensmitteln, die unsere Natur und Umwelt liefern kann. Doch die Versorgungssicherheit scheint in Gefahr zu sein. Es werden aktuell weniger Bioprodukte produziert. Es werden weniger Bioprodukte im Biofachhandel verkauft, obwohl dort die Preissteigerungen unterdurchschnittlich ist. Und wenn im Biofachhandel Türen geschlossen werden, fehlt der Branche ein wichtiger Vertriebsweg.
Vielleicht hilft dann doch der schon oben beschriebene Schweinsgalopp aller Akteure im Interesse aller Verbraucherinnen und Verbraucher. Und Galopp meint Galopp und nicht Problemsuche.