Schon Schwein gehabt?

So mancher unserer Mitbürger kann oder will nicht auf Fleisch verzichten. Doch einige Ernährungsempfehlungen warnen uns vor dem Verzehr von Schwein, Rind, Huhn usw. Ist ein Ernährungswandel sinnvoll? Die deutsche Landwirtschaft sieht das anders, wie luckx – das magazin recherchierte.

Ressourcen schonen

Unbestritten ist, dass die Tierproduktion erheblich mehr Ressourcen verbraucht als für die Erzeugung von pflanzlichen Produkten erforderlich ist. Da ist zum einen die Tiernahrung, zu deren Herstellung erheblich viel Fläche und Wasser benötigt wird. Außerdem muss so manche Tiernahrung von weit her transportiert werden. Darüber hinaus müssen die tierischen Fäkalien entsorgt werden, was meist auf Feldern passiert. In Niedersachsen sind deshalb schon viele Regionen überdüngt und der Rest wandert ins Grundwasser.

Aufgrund dessen empfehlen Politiker und einige Ernährungswissenschaftler einen Ernährungswandel, um Ressourcen zu schonen, die Umwelt zu entlasten und die Gesundheit zu fördern. Die Ziele sind grundsätzlich gut, für die angestrebten Maßnahmen jedoch fehlt an vielen Stellen die wissenschaftliche Evidenz, wie das Agrar- und Ernährungsforum Nord-West e.V., der Bundesverband Rind und Schwein e.V., der Deutsche Raiffeisenverband e.V., der Deutsche Verband Tiernahrung e.V., der Milchindustrie-Verband e.V. sowie der Verband der Deutschen Fleischwirtschaft e.V. aufmerksam machen. Es hat sich also eine konzertierte Aktion für die Tierproduktion gebildet.

Lebenswirklichkeit verfehlt?

Diese Verbände bemängeln, dass hinsichtlich der geforderten Veränderungen im Ernährungssystem häufig auf die aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) und der sog. EAT-Lancet-Kommission sowie auf die daraus abgeleitete Planetary Health Diät verwiesen wird. Diese Ernährungsempfehlungen verfehlen nach Ansicht der Aktion durch die übermäßig starke Betonung einer pflanzlichen Ernährung jedoch die Lebenswirklichkeit. Ob es dabei ein Risiko einer Mangelernährung gibt, wird von Studie zu Studie unterschiedlich bewertet.

Nach Ansicht der Aktion gehört die deutsche Landwirtschaft zu den effizientesten Agrarregionen der Welt mit hohen nationalen Standards. Sie begründen das damit, weil Tierhaltung und Pflanzenbau einander bedingen in einem natürlichen landwirtschaftlichen Nährstoffkreislauf. Ihrer Meinung nach ist der tierische Wirtschaftsdünger die Basis für das Pflanzenwachstum. Nutztiere spielten außerdem eine wichtige Rolle in der Ressourcenverwertung. Pro Kilogramm pflanzlichem Lebensmittel entständen aus dem Anbau und der Verarbeitung pflanzlicher Rohprodukte rund 4 Kilogramm nicht essbare Pflanzenmasse. Nutztiere erzeugen daraus hochwertige Lebensmittel. Weiterhin ist die Tierhaltung essenziell für die Bewirtschaftung von Grenzstandorten und die Pflege von Kulturlandschaften. Tierhaltung ist also viel mehr als Lebensmittelerzeugung.

Ernährungsverhalten

Für die Verbände ist für eine ausgewogene Ernährung eine ausreichende und hochwertige Proteinversorgung erforderlich. Diese lässt sich In Deutschland durch pflanzliche und tierische Proteinquellen decken. Ob das so bleiben muss, ist wohl eher eine Frage der Weltanschauung – und der Gewohnheiten. Es gibt genug Argumente für beide Richtungen. Ob der Verbraucher künftig tierische Produkte verwenden soll, hängt von deren Qualität ab und ob auf das Tierwohl Rücksicht genommen wird. Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Auf der einen Seite behaupten die Landwirte, ihre Ställe sind zum Beispiel auf eine bestimmte Produktionsart für 40 Jahre ausgelegt. Eine Änderungen wäre in diesem Zeithorizont nicht möglich. Anderseits sind veränderte Ernährungsverhalten in der bundesrepublikanischen Bevölkerung schon seit Jahrzehnten zu beobachten. Außerdem lebt die bundesrepublikanische Bevölkerung immer noch nach dem „Geiz ist geil“ Prinzip. Die Jagd nach preisgünstigen Produkten ist auf der einen Seite Sport; auf der anderen Seite überlebenswichtig. Den Verbänden der traditionellen Landwirtschaft, insbesondere deren Repräsentanten, ist es nicht gelungen, diese Ernährungsveränderungen in ihre Verbandspolitik einfließen zu lassen. Sie verharren in ihren veralteten Produktionsverfahren und nutzen die reichlich fließende Förderung nicht für einen Veränderungsprozess. Wie formulierte es ein Repräsentant eines Lebensmittelproduzenten in einem persönlichem Gespräch: was in der Landwirtschaft mehr als 10 Jahre dauert, setzt die Automobilindustrie in weniger als einem Jahr um. Vielleicht hilft ein Blick über den Tellerrand, um sich neu zu orientieren.