Wärmewende, Mobilitätswende, Verkehrswende: Alle reden darüber. Aber genau weiß keiner, was das alles bedeuten soll. Oder, jeder hat eine eigene Vorstellung, wie in Zukunft die „Energiewende“ erfolgen soll. Luckx – das magazin versucht eine Erklärung.
Mobilität
Es wurde protestiert und demonstriert. Gegen den Kohleabbau, gegen die Mobilität, für unserer aller Zukunft. Doch wenn es dann um die eigene Person ging, war es dann schnell mit dem Protest vorbei. Zwar protestierten junge Menschen mit Fridays for Future für eine ökologische Verkehrswende und sogenannte Klimakleber blockierten Kreuzungen. Aber wenn der eigene Flug nach Asien abging, war die Demo schnell vorbei. So ist es nicht verwunderlich, wenn in einer Mobilitätsstudie nun von der Gen Z ein ganz anderes Bild zum Vorschein kommt: Ihr Blick richtet sich weg von der globalen Klimakrise hin zur persönlichen Komfortzone. Doch die Autoren warnen vor voreiligen Schlüssen: Wer den moralischen Zeigefinger hebt, versteht diese Generation nicht und hat kaum Aussicht, sie zu erreichen. Denn viele Wünsche mit wenig Hoffnung scheint der Blick der Gen Z auf Mobilität zu sein. Laut einer Studie der ADAC Stiftung ist keine Generation so unzufrieden mit den derzeitigen Mobilitätsangeboten und schaut so desillusioniert in die Zukunft der Mobilität wie die 16- bis 27-Jährigen. Diese Haltung mündet in ein Mobilitätsverhalten, das sich höchst pragmatisch daran orientiert, schnell, verlässlich und günstig von A nach B zu kommen.
Wahl der Verkehrsmittel
Der Gen Z ist bei der Wahl ihrer Verkehrsmittel am wichtigsten, dass sie schnell (52 Prozent), verlässlich (48), günstig (44) und flexibel (43) sind. Die Befragten konnten aus 15 Eigenschaften maximal fünf benennen, die für sie den Ausschlag geben, welches Verkehrsmittel sie nutzen. Umweltfreundlichkeit wurde nur von 12 Prozent der jungen Menschen genannt. Dieser Anteil ist geringer als in der Gesamtbevölkerung (15 Prozent). Welches Verkehrsmittel diese Kriterien jeweils am ehesten erfüllt, entscheiden die 16- bis 27-Jährigen von Fall zu Fall unterschiedlich. 59 Prozent nutzen mindestens einmal pro Woche den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV). In der Gesamtbevölkerung sind das nur 35 Prozent. Auch E-Scooter, Leihräder und Car-Sharing sind bei der Gen Z überdurchschnittlich beliebt. 48 Prozent der Gen Z greifen mindestens einmal pro Woche aufs Auto zurück (Gesamtbevölkerung 61 Prozent). Auch für Urlaubsreisen nutzt die Gen Z (24 Prozent) das Auto seltener als die Gesamtbevölkerung (37 Prozent). Dafür verreisen 37 Prozent der Gen Z mit dem Flugzeug, mehr als jede andere Altersgruppe. Dieses Nutzerverhalten spiegelt sich in dem Wunsch, mehrere Verkehrsmittel zur Auswahl zu haben. 61 Prozent der Gen Z ist das wichtig. Auch deshalb büßt das Auto bei den jungen Menschen nichts von seiner Attraktivität ein – als Teil des Mobilitätsmix ebenso wie als Verkehrsmittel, zu dem eine besonders hohe emotionale Bindung besteht. Der Führerschein gilt den meisten als Muss. 58 Prozent der Gen Z sind bereits im Besitz des Führerscheins. 27 Prozent planen, ihn in Kürze zu machen. Darin unterscheidet sich die Gen Z so gut wie gar nicht von ihren Vorgängergenerationen.
Ade Ideologie?
„Alles deutet darauf hin, dass wir eine Entideologisierung der Haltung zu Mobilität erleben – weniger Fixierung aufs Auto, aber auch weniger Glaube, durch individuelles Verhalten Dinge zum Guten beeinflussen zu können“, sagt Christina Tillmann, Vorständin der ADAC Stiftung. Zwar fühlten sich laut Studie 53 Prozent der Gen Z moralisch verpflichtet, umweltfreundliche Verkehrsmittel zu nutzen. Im Alltag ist das allerdings kaum handlungsleitend, wie die Kriterien zur Wahl eines Verkehrsmittels und Reiseverhalten zeigen. Stattdessen bestimmt die Funktionalität das Mobilitätsverhalten. Die Entideologisierung geht nicht einher mit einem Desinteresse an Politik, insbesondere an Verkehrspolitik. Das Politikfeld Verkehr und Mobilität besitzt für die Jüngeren erheblich höhere Bedeutung als für die Gesamtbevölkerung (28 vs. 19 Prozent).
Die Studie zeigt, dass die Gen Z von Politik und Anbietern in erster Linie eine funktionierende Mobilität erwartet, dass bestehende Defizite behoben und technologische Möglichkeiten schneller und nutzerfreundlicher umgesetzt werden. Zufrieden mit den bestehenden Mobilitätsangeboten ist in der Gen Z nur jeder Zehnte. Das sind erheblich weniger als etwa bei den über 60-Jährigen, von denen mehr als jeder Vierte sagt, die Mobilitätsangebote seien gut und ausreichend.
Auto, Bahn, Bus, Flugzeug?
Dementsprechend offen sind die 16- bis 27-Jährigen gegenüber neuen Mobilitätsformen: 44 Prozent befürworten den breiten Einsatz autonomer Fahrzeuge und digital vernetzter Mobilitätsangebote im Alltag. Für E-Mobilität sprechen sich 43 Prozent aus, für Flugtaxis 36 Prozent. 25 Prozent wünschen sich mehr Haltestellen mit unterschiedlichen Mobilitätsangeboten, sogenannte multimodale Verkehrsknotenpunkte. Diese Werte liegen allesamt oberhalb der Zustimmung in der Gesamtbevölkerung. Vor allem im Vergleich zu den Babyboomern ist die Gen Z deutlich affiner gegenüber neuen Technologien. Auf eine praktische Umsetzung neuer Mobilitätsformen blickt die Gen Z allerdings skeptisch. Eine auf Nachhaltigkeit ausgelegte Verkehrswende halten in der Gen Z 53 Prozent für wünschenswert, aber nur 43 Prozent für machbar. Eine Fortschreibung des Status Quo mit Fokus auf private Automobilität betrachten 52 Prozent als wahrscheinlich, obwohl sich das lediglich 34 Prozent wünschen.
Erwartet werden Lösungen
„Die Ergebnisse der Studie offenbaren ein hohes Maß an Enttäuschung und Resignation. Viel stärker als andere Altersgruppen denkt die Gen Z offensichtlich: Wandel wäre gut, aber er kommt ja doch nicht“, sagt Christina Tillmann. „Aus dieser Frustration entspringt in der Gen Z kein Protest, sondern eher Rückzug ins unmittelbare Umfeld und auf persönliche Bedürfnisse.“ Gegenüber Appellen an die Verantwortung des Einzelnen zeigen sich die jungen Menschen vergleichsweise unempfänglich. Die Gen Z erwarte im Verkehrssektor vielmehr konkrete, alltagstaugliche Lösungen. Wenn funktionale Lösungen faire Teilhabe und Klimaschutz befördern, seien sie bei der Gen Z sehr willkommen. „Erziehungsversuche und visionäre Überhöhungen kommen bei der Gen Z nicht an. Aber wenn Politik verlässlich und realitätsnah kommuniziert und Mobilität alltagstauglich gestaltet, wird sich die Gen Z einer Mobilitätswende nicht verschließen“, so Christina Tillmann.
Die ADAC Stiftung hat gemeinsam mit dem SINUS-Institut und der Universität Duisburg-Essen erforscht, wie junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren über Mobilität denken, wie sie heute unterwegs sind und was sie sich von der Zukunft erwarten. Der aus der repräsentativen Befragung mit Milieuanalysen und den qualitativen Studienmodulen entstandene Datensatz ist der bislang umfangreichste in Deutschland zum Mobilitätsverhalten und zu den Mobilitätseinstellungen der Gen Z.