Einsamkeit als Risikofaktor

Unsere Gesellschaft ist ständigen Veränderungen unterworfen. War früher die Eckkneipe Treffpunkt für fast alle, so „treffen“ wir uns heute in Chatgruppen. Persönlicher, direkter Kontakt findet weniger statt. Was das bedeuten kann, hat luckx – das magazin recherchiert.

Einsamkeit

Was passiert eigentlich in unserem Körper, wenn wir uns anhaltend einsam fühlen? Warum können bereits kleine Alltagsaktivitäten ein Schlüssel zum Durchbrechen der Einsamkeit führen? Die gesundheitlichen Folgen von Einsamkeit haben einen ähnlichen Einfluss auf unser Sterberisiko wie Rauchen oder Alkoholkonsum. Darüber hinaus erhöht Langanhaltendes Erleben von Einsamkeit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depressionen, Angsterkrankungen und soziale Phobien. Wenn Personen sich dauerhaft ausgeschlossen oder unverbunden fühlen, zeigen sich Auswirkungen auf psychologischer und neurobiologischer Ebene: Zum einen verstärkt Einsamkeit unser Stresserleben und es werden Veränderungen in unserem Oxytocin-System vermutet. Oxytocin ist ein Botenstoff zwischen Nervenzellen, der Angstgefühle reduziert und ein positives Sozialverhalten unterstützt. Umgangssprachlich wird es auch als „Kuschelhormon“ bezeichnet, weil es bei Körperkontakt und zwischenmenschlicher Interaktion ausgeschüttet wird und uns ein angenehmes, geborgenes Gefühl gibt.

Bewegung wirkt – von Alltag bis Verein

Zum anderen zeigen Gehirnscans, dass das sogenannte Default Mode Network, also das Ruhenetzwerk, bei Menschen, die große Einsamkeit verspüren, stärker aktiv ist. Man spreche auch von einem „lonely brain“. Eine höhere Aktivierung dieses Netzwerks wird mit einer höheren Anfälligkeit für psychische Erkrankungen in Verbindung gebracht. Doch die Forschung über die genauen Wirkmechanismen von Einsamkeit auf unseren Organismus steht noch relativ am Anfang. Darauf macht Professor Markus Reichert gemeinsam mit Dr. Anastasia Benedyk aufmerksam Gemeinsam mit Forschern am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim konnte Reichert in einer Studie nachweisen, dass schon kleine Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen helfen können. Sie kompensieren negative Auswirkungen von Einsamkeit auf die Stimmung. Menschen mit einem erhöhten neuronalen Risiko für Depressionen und Einsamkeit profitieren besonders deutlich von diesem Effekt. Bewegung kurbelt den Blutfluss im Gehirn an, verbessert das Wohlbefinden und fördert die Neuroplastizität. Das heißt, neuronales Wachstum wird begünstigt und man kann besser Lernen. Es müsste also nicht direkt der Ausdauerlauf seien, um Effekte zu erzielen. Dennoch hebt Reichert insbesondere die Sportvereine in Deutschland in ihrer Bedeutung hervor.

Vereine und Gruppen als Einsamkeitslöser?

An Vereine richtet er die Botschaft, dass es nicht direkt eigene Gruppen für Betroffene sein müssen, sondern dass es vielmehr darum gehe, niedrige Einstiegsmöglichkeiten und Angebote zu schaffen, die weniger auf Leistung und mehr auf Gesundheit ausgerichtet sind: „Da machen die Vereine schon herausragende Arbeit. Ich denke an der ein oder anderen Stelle kann man das sogar noch besser bewerben und kann dadurch eine noch größere Reichweite generieren,“ so Professor Markus Reicherts Fazit.

Die Art und Weise wie gut unsere Beziehungen sind und wie wir uns miteinander verbunden fühlen, entscheidet mehr über unseren Gesundheitszustand als weithin bekannt. In unserer Vereins- und Bewegungslandschaft liegt ein großer Schlüssel, um Menschen ganzheitlich zu stärken, da sie körperliche Aktivität und soziale Teilhabe verbinden.