Unbewohnte Immobilien aktivieren

Je nach Statistik fehlen rund eine Million Wohnungen in Deutschland. Doch Vermieter werden eher behindert als unterstützt bei der Beseitigung des Wohnraummangel. Mietnomaden, Gesetzgebung und Öffentliches Diskreditieren von Vermietern behindert die Mangelbeseitigung, wie luckx – das magazin recherchierte.

Vermieten lohnt sich nicht mehr

Immer mehr Kleinvermieter kehren dem Wohnungsmarkt den Rücken. In der öffentlichen Debatte kommen sie oft schlecht weg. Dabei lässt der Wohnungsmarkt schon mit Blick auf seine Fragmentierung keine pauschale Einordnung zu. Neben Wohnungskonzernen wie Vonovia oder LEG, Genossenschaften und sonstigen professionell-gewerblichen Vermietern, die etwa ein Drittel des Marktes ausmachen, wird er von privaten Vermietern dominiert. Sie stellen dem Markt rund 64 Prozent der vermieteten Wohnungen zur Verfügung, das sind rund 16,1 Millionen Einheiten. Viele sehen als Selbstständige in den Investments ihre Altersvorsorge, zu der sie der Staat auch gedrängt hat. Um der Krise Herr zu werden, greift die Politik seit Jahren in den Markt ein – und gerät damit in eine klassische Interventionsspirale, die jeder Maßnahme weitere unerwünschte Nebenwirkungen folgen lässt. Mieter und Vermieter stehen sich inzwischen oft feindselig gegenüber, Politik und Interessenverbände befeuern die Polarisierung noch. Sie haben sich auf einen Schuldigen für die Krise eingeschossen und das sind die Vermieter.

Dabei ist absehbar, dass sich der Engpass nicht schnell auflöst lässt. Bauen und Sanieren ist teuer, Handwerker fehlen, Überregulierung und energetische Auflagen erschweren den zügigen Neubau. Gerade die letztgenannten Hindernisse sind es, die Vermieter – neben dem Sündenbock-Image – zum Aufgeben bewegen, weil sie das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag minimieren, das Vermieten zuweilen sogar zum Zuschussgeschäft machen.

Wohnraummangel beseitigen

Hunderttausende Wohnungen und Häuser stehen in Deutschland leer. Besonders in ländlichen Regionen verfallen ganze Straßenzüge, weil Sanierungen teuer und Genehmigungen langwierig sind. Doch genau hier liegt eine riesige Chance: Mit gezielten Förderprogrammen, steuerlichen Anreizen und moderner Sanierungstechnik könnten diese Immobilien wieder nutzbar gemacht werden. Doch bisher sind leerstehende Gebäude ein Symbol des Verfalls. Um diese Ressource nutzbar zu machen, muss sich Vermieten wieder lohnen. In vielen Städten und Gemeinden gibt es Häuser, die über Jahrzehnte leer standen, deren Substanz aber nach wie vor solide ist. Alte Bauernhöfe, aufgegebene Gasthöfe, Bürogebäude oder Kasernen: Oft reicht eine durchdachte Sanierung, um sie wieder nutzbar zu machen. Dadurch entstehen neue Wohnungen, ohne zusätzlichen Boden zu versiegeln oder neue Infrastrukturen aufzubauen. Diese Strategie hat nicht nur ökonomische Vorteile, sondern auch ökologische: Jeder erhaltene Altbau spart erhebliche Mengen CO2, da die im Bestand gebundene „graue Energie“ erhalten bleibt. Der Erhalt vorhandener Bausubstanz reduziert somit den Ressourcenverbrauch und trägt dazu bei, die Klimaziele im Gebäudesektor realistischer zu gestalten.

Wirtschaftlichkeit und Bürokratie

Trotz des offensichtlichen Potenzials bleibt die Reaktivierung von Leerstand in Deutschland eine Herausforderung. Wer sanieren oder umnutzen will, stößt schnell auf Hürden – von komplizierten Genehmigungen bis zu fehlenden Förderanreizen. Viele Regelwerke orientieren sich am Neubau und berücksichtigen die Besonderheiten älterer Gebäude kaum. Hinzu kommen wirtschaftliche Unsicherheiten: Steigende Zinsen erschweren Investitionen, und Banken verlangen umfangreiche Nachweise zur Rentabilität. Besonders kleinere Eigentümer scheitern häufig an den administrativen Hürden. So bleibt eine große Zahl potenzieller Projekte in der Planungsphase stecken, obwohl die Nachfrage nach Wohnraum weiter wächst.

Um Leerstände zu aktivieren, braucht es einen pragmatischen Ansatz. Kommunen und Eigentümer sollten frühzeitig zusammenarbeiten, um Genehmigungsverfahren zu verkürzen und Konflikte zu vermeiden. Klare Absprachen, transparente Kommunikation und eine koordinierte Planung schaffen Vertrauen und Akzeptanz. Gleichzeitig müssen politische Rahmenbedingungen flexibler werden. Der diskutierte Gebäudetyp E könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten, indem er Sanierungen von bestimmten Auflagen befreit und Umnutzungen erleichtert. Auch gezielte Förderprogramme – etwa für energetische Modernisierungen oder barrierefreie Umbauten – könnten Investoren ermutigen, leerstehende Gebäude wieder nutzbar zu machen. Darüber hinaus ist eine bessere Verzahnung von Förderstellen, Banken und Bauämtern entscheidend. Wenn Prozesse digitaler, transparenter und planbarer werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Projekte tatsächlich umgesetzt werden.

Lebensraum schaffen

Der Umbau bestehender Gebäude bietet die Chance, zwei zentrale Probleme gleichzeitig zu lösen: den Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die zunehmende Flächenknappheit. Durch die Nutzung vorhandener Strukturen entsteht ein Mehrwert auf vielen Ebenen – ökologisch, sozial und ökonomisch. Vor allem ländliche Regionen können profitieren. Wenn leerstehende Gebäude dort modernisiert und an neue Lebensformen angepasst werden, entsteht ein attraktives Wohnangebot abseits der Städte. Das wiederum kann Fachkräfte und Familien anziehen und die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort stärken. Langfristig ist die Reaktivierung von Leerstand kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zum Neubau – allerdings eine, die deutlich schneller, ressourcenschonender und gesellschaftlich verträglicher wirkt. Denn sie nutzt, was bereits vorhanden ist, und verwandelt Stillstand in Perspektive.

Damit Leerstand künftig nicht länger Stillstand bedeutet, braucht es entschlossene politische Unterstützung und eine Neubewertung des Bestands. Wenn Fördermittel gezielt eingesetzt, Genehmigungen vereinfacht und Prozesse koordiniert werden, kann aus dem Problem ein Impuls entstehen: für lebendige Ortskerne, stabile Wohnungsmärkte und eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung. Leerstand ist keine Schwäche; es ist eine Chance, die genutzt werden muss. Und besonders wichtig ist: Vermieten muss sich lohnen. Diskreditieren und drohende Enteignung bringt Verdruss und keinen Lebensraum. Und der wirtschaftliche Aufschwung rückt ohne Wohn- und Lebensraum in weite Ferne.