Wer das Brettspiel „Mühle“ kennt und spielt, weiß wie gefährlich eine Zwickmühle des Mitspielers sich auswirken kann. Egal, was wir unternehmen, der „Zwickmühlenkönig“ gewinnt – meist – das Spiel. In einer ähnlichen Situation befindet sich der Outdoor-Tourismus. Wie dieser daraus kommen kann, versucht luckx – das magazin zu recherchieren.
Schmaler Grat
Der Outdoor-Lifestyle wandelt auf einem schmalen Grat. Einerseits: Gesunde Erholung, faszinierende Naturerlebnisse, sozial orientierte Wertschöpfung. Andererseits: Klimawandel, Landschaftszerstörung, Overtourism. In diesem Zwiespalt versuchen sich Sportler, Verbände, Destinationen, Reiseanbieter und Ausrüster zu positionieren. Sie kommen um Nachhaltigkeit, Klimawandel, Natur- und Umweltschutz nicht herum.
70 Jahre nach der Erstbesteigung erwartet der Mount Everest 2023 ein neues Rekordjahr. Geschätzt bis zu 500 Permits für den Aufstieg stellt die nepalesische Regierung aus. Viele Alpinisten verfolgen mit Grausen die Prozession der Bergsteiger, die sich eine All-Inclusive-Expedition zum höchsten Gipfel der Erde ab rund 50.000 Dollar aufwärts erkaufen. Auch in Europa zeigt sich der Outdoor-Tourismus manchmal wenig individuell und im Einklang mit der Natur. Etwa, wenn im nordischen Mittsommer der Stau der Camper und Wohnmobile auf der Straße zum Nordkap an die Rushhour einer Großstadt erinnert. Oder wenn selbst ernannte Influencer die als Natural-Infinity-Pools gehypten und nun gesperrten Gumpen über dem Königssee belagern. Oder wenn sogenannte Wikinger-Touristen sich mit komfortabler Vollpension auf Kreuzfahrtschiffen ins gefährdete ewige Eis der Polregionen oder zu einsamen Inseln schippern lassen – und damit erheblich zum Klimawandel beitragen.
Der Sporttourismus boomt und beflügelt die Sportbranche. Zugegeben, das sind Extreme, für die viele der Outdoor-Community keinerlei Sympathie hegen und sich eher davon abwenden. Doch auch jeder unspektakuläre Ausflug, Wochenendtrip oder Urlaub in der Natur hinterlässt einen Fußabdruck. Diesem Dilemma stellen sich viele Outdoorer. Wer also sagt, er möchte die Natur komplett so lassen, wie sie ist, dann darf er sie nicht betreten. Aber ist es das, was wir alle wollen? Die Antworten geben sich alle selbst. Denn wir leben mit und in der Natur. Denn sie gibt uns schließlich so viel. Wir wollen doch mit der Natur leben. Die entscheidende Frage ist dabei: Wie viel Nutzung ist okay? Das wir um eine Steuerung, eine Nutzerleitung nicht herumkommen, leuchtet vielen ein. Doch sie soll nicht für einen selbst gelten.
Glück liegt in der Natur
Eine traditionell enge Beziehung zur Natur haben Bewohner der Länder im Norden. Die Philosophie vom glücklich machenden Leben mit und in der Natur ist tief in der Seele der Menschen aus Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark verankert. Ihre Traditionen von „Friluftliv“ (Freiluftleben) und „Allemänsrätt“ (Jedermannsrecht) prägen eine Naturkultur, die Basis für die regelmäßigen Spitzenplätze im globalen Glücksindex ist. Es muss schon einiges passieren, dass die ziemlich entspannten Schwedinnen und Schweden die Zukunft ihres sogar im Grundgesetz verankerten Allemänsrätt kritisch diskutieren. Warum das so ist, weiß Katrin Steverding nur zu gut. Sie leitet als Betriebschefin das Naturreservat Glaskogen. Das paradiesische Fleckchen Erde kommt der Idealvorstellung von nordischer Natur ziemlich nahe: Hügel, Felsen und Seen, wildreiche Wälder und eine vielfältige Fauna über drei Klimazonen. Doch der Erholungsdruck wächst im Übermaß. Gemeinsam mit der Regionalregierung von Värmland geht die Glaskogen-Stiftung das Problem wissenschaftlich an. Besucherströme und -verhalten oder Müll der Gäste und deren Auswirkungen auf die Natur werden gemessen, um dann Maßnahmen für eine dauerhafte Nachhaltigkeit zu ergreifen.
Rücksicht auf die Natur nehmen
Die aus Deutschland stammende Tourismusexpertin Steverding und ihre Mitarbeiter wollen dafür sorgen, dass das Naturreservat auch in Zukunft der Erholung und dem Naturerlebnis der Menschen dienen kann: wandern, schwimmen, Kanu fahren, biken, fischen, campen. Ansonsten gilt die Vernunftregel des Allemänsrätt: Die Natur nicht stören und nicht zerstören. Was früher bei viel Landschaft und relativ wenigen Besuchern reibungslos funktionierte und auch heute die meiste Zeit des Jahres kein Problem ist, stößt in den Ferienmonaten Juli und August an Grenzen. Der Glaskogen als einzigartige Landschaft lockt erlebnishungrige Urlauber*innen aus Schweden, Europa und aller Welt an. Zur Masse der vielen vernünftigen Outdoor-Fans kommt eine besonders belastende Minderheit, die wenig Rücksicht nimmt. Fortsetzung hier.
Ein Gedanke zu „Outdoor-Tourismus in der Zwickmühle“
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