Lebensmittelversorgung

Deutschland ist ohne Lebensmittelimporte nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Insbesondere Naturkatastrophen wie aktuell in Spanien können die Versorgungslage gefährden. Welche Anstrengungen die Landwirtschaft übernimmt, um die Versorgung zu sichern, hat luckx – das magazin recherchiert.

Alternativen

Alternative Agrarsysteme zur Versorgung der wachsenden Weltbevölkerung ernten aktuell viel Aufmerksamkeit. Wie kann Landwirtschaft unter kontrollierten Bedingungen die Bereitstellung alternativer Proteinquellen fördern? Welchen Beitrag muss die Forschung leisten, um den Wandel voranzutreiben? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der „Inhouse Farming – Feed & Food Show“, die vom 12. bis 15. November in Hannover stattfindet. Die technologischen Entwicklungen wirken sich auf die gesamte Wertschöpfungskette aus. Zunehmend optimieren sie auch die Herstellung alternativer Proteine für die Futtermittel- und Lebensmittelindustrie. „Unser Ernährungssystem braucht Vielfalt, hierbei spielen alternative Proteine eine Schlüsselrolle“, sagt Prof. Dr. Nils Borchard, DLG-Bereichsleiter Forschung und Entwicklung. Die Branche stehe zwar noch am Anfang ihrer Entwicklung, aber: „Europa und Deutschland sind technologisch und fachlich gut aufgestellt, um hochwertige Produkte aus alternativen Proteinquellen zu entwickeln und herzustellen, wobei regionale Unterschiede europäischer Ernährungssysteme nicht verloren gehen“, so Borchard, der in der DLG den Ausschuss New Feed & Food leitet.

Zukunft

Von der Grundlagenforschung, über den Transfer von Technologie in die Praxis bis hin zur Skalierung der Produktion: Eine Vielzahl innovativer Startups, etablierte Unternehmen aus der Lebensmittelwirtschaft, Zulieferer und renommierte Forschungseinrichtungen formen ein leistungsstarkes Ökosystem für die Entwicklung von pflanzlichen, kultivierten und fermentationsbasierten Alternativen zu Produkten aus der Tierhaltung. Zu den Experten in diesem Bereich zählt auch Prof. Dr. Marius Henkel. Er hat eine der ersten Professuren für Cellular Agriculture hierzulande inne und baut seit 2022 an der Technischen Universität München ein Forschungszentrum für Zellkultivierung und Präzisionsfermentation auf. Neben kultiviertem Fleisch arbeiten Henkel und sein Team an Verfahren, die Eier und Milch imitieren. „Das Thema ist derzeit sehr präsent, da viele Unternehmen in dem Bereich gegründet werden“, sagt Henkel. Einer seiner Schwerpunkte liegt auf der Feinabstimmung der Prozesse, die in den Bioreaktoren ablaufen – denn im Gegensatz zur traditionellen Fermentation gelingt das nur mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen. Bei dem Verfahren wird ein Gen, welches das Zielprotein kodiert, einem Spenderorganismus, beispielsweise einer Kuh, entnommen und in die DNA einzelliger Organismen, wie Bakterien oder Hefen, eingeführt. In einem Gärtank wird der Organismus vermehrt und die Produktion des Zielproteins induziert. Dieses wird abgetrennt, gereinigt und getrocknet. Das so gewonnen Pulver kann als Zutat für Käse oder Joghurt verwendet werden. Ähnlich wie bei kultiviertem Fleisch soll es künftig auch die Pflanzenzellkultur ermöglichen, vollständige und authentische Zellen in Bioreaktoren zu züchten, die dem Original in nichts nachstehen. Ob sich die Genmanipulation durchsetzen wird, ist schon lange sehr umstritten.

Ernährungssicherheit

Wie die Ernährungssicherheit hergestellt werden soll, bleibt weiterhin eine unbeantwortete Frage. Zwar wird in der Landwirtschaft für Startups schon Risikokapital ausgelobt. Doch bisher zielte es auf Unternehmen, die Lebensmittel auf Basis von Pflanzen, Fermentation und Kultivierung herstellen. Anscheinend reicht das nicht aus, so dass es wohl auch neuer Finanzierungsansätze und mehr Zusammenarbeit mit etablierten Akteuren der Lebensmittelindustrie bedarf. Handlungsbedarf scheint angezeigt. So dürften auf der Messe Technologien rund um das Vertical Farming und Insect Farming stehen, die in den Ernährungssystemen der Zukunft eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Denn Landwirte müssen nicht nur mit den Folgen des Klimawandels, einschließlich extremerer Wetterbedingungen, zurechtkommen – auch Ackerland ist als Ressource nur begrenzt verfügbar.

Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die „Inhouse Farming – Feed & Food Show“ und ein Großteil der Aussteller in Hannover mit den zukunftsweisenden Verfahren der Controlled Environment Agriculture (CEA). Eines davon ist das Vertical Farming – eine platzsparende Anbaumethode. Mit dieser Methode wird die Produktion von Nahrungsmitteln und anderen Rohstoffen unabhängig von Witterungseinflüssen ermöglicht. Natürliche Ressourcen, wie Wasser oder Boden, werden geschont und bringen eine neue Qualität der Landwirtschaft ins Spiel. Trotz der Vorteile stehen derartige Indoor-Systeme noch vor einigen Hürden. Die hohen Investitionskosten sowie der hohe Energieverbrauch gelten als die größten Hemmschuhe, da Vertical Farming einen besonderen Anspruch an das Innenklima und die Beleuchtung hat, um die optimalen Bedingungen für das Wachstum der Pflanzen, Pilze und tierischen Organismen sicherzustellen. Experten sehen hier eine Möglichkeiten, wenn erneuerbare Energien den Bedarf decken und so den ökologischen Fußabdruck minimieren. In Dänemark werden solche Systeme beispielsweise mit Energie aus Windkraftanlagen betrieben. Ein Nebeneffekt der vertikalen Landwirtschaft: Sie ermöglicht die Lebensmittelproduktion direkt am Ort des Bedarfs und im urbanen Umfeld. Viele Experten sehen die größten Chancen für das Vertical Farming deshalb in Metropolregionen, in denen die traditionelle Landwirtschaft unter Flächenknappheit leidet.